In einem anderem Forum habe ich mich zu dem Thema ebenfalls mal geäußert:
Die Regenfahrt aus einer anderen Perspektive:
Es gibt viele Tipps, eine Regenfahrt zu verbessern. Die meisten kennen wir alle:
- Locker bleiben
- eine weiche Linie fahren
- Auf Blickführung achten (Nicht "zu kurz" vors Motorrad schauen)
- Tempo anpassen
Alles vier sind Techniken, die wir anwenden müssen. Die Techniken 2,3 und 4 erarbeiten wir uns durch den Zuwachs von Fahrerfahrung bei nassem Wetter und natürlich dadurch, das wir uns der Bedeutung dieser Aspekte bewusst werden.
Viel komplexer jedoch ist die erste Technik und auf die möchte ich eingehen:
Locker bleiben
Bernt Spiegel hat auf Seite 190 seines Buches "Die obere Hälfte des Motorrads" diese Thematik vertieft. Er erklärt warum man locker bleiben muss und welche Gefahren entstehen, wenn man verkrampft und ängstlich durch den Regen fährt.
So sehr ich diesen Ausführungen auch zustimme, so sehr ich seine Worte auch als die wichtigsten Regeln betrachte, so sehr sollte noch etwas erwähnt werden.
Die Auskühlung
In den gängigen Paradebeispielen wird eines selten erwähnt (nicht ausführlich genug):
Der Regenfahrer muss sich kleidungstechnisch dringend den Wetterbedingungen anpassen.
Regen im Frühjahr oder Herbst bringt meist auch Wind und kalte Luft mit sich. Doch auch ein Sommergewitter, das uns schlecht vorbereitet trifft kann den Körper auskühlen lassen.
Wenn Regen (also Feuchtigkeit/Nässe) an unsere Haut dringt und dazu ein starker Wind blässt, dann kühlen wir Menschen nun einmal ab! Unser Körper reagiert auf die Zustände "Kalt + Warm" in zwei Weisen:
Bei Kälte wird das Blut aus den äußeren Regionen des Körpers abgezogen. Dieser Prozess beginnt nicht erst, wenn man kurz vor dem erfrieren steht, sondern viel früher, er beginnt mit dem Frieren.
Bei Wärme wird das Blut verstärkt durch die Haut und äußeren Körperteile transportiert, wir beginnen zu schwitzen und die entstehende Feuchtigkeit (Schweiss) transportiert die Wärme ab. Wir kühlen uns also.
Der Verlust/Gewinn von Wärme durch Konvektion ist es, was uns hier interessiert:
Konvektion beschreibt
z.B. den Wärmeverlust durch ein weiteres Medium. Ein solches Medium ist Wasser oder allgemein gesagt: Feuchtigkeit (Schweiss genauso wie Regen)
Beim Schwitzen wollen wir diesen Effekt und brauchen ihn sogar, bei Kälte jedoch kann dieser Prozess sehr negativ sein. Ein Beispiel:
Wir fahren Motorrad und werden nass bis auf die Haut. Durch den Effekt der Konvektion verlieren wir nun Energie, da die Körperwärme durch die Nässe abgeleitet wird. Wenn jetzt noch Wind dazu kommt, dann fangen wir meistens sehr schnell an zu frieren.
Und was frieren auf dem Motorrad bedeuted, wird meiner Meinung nach oft unterschätzt. Beispiel:
Es fällt (hoffentlich) jedem leicht, einen Besenstiel auf der Handfläche zu balancieren und noch leichter fällt es uns, diesen Besen zu greifen und vom Körper weg zu halten (ausgestreckt, Besen als Zeiger verwenden).
Nun geht einmal ins Badezimmer und kühlt mal Eure Hände stark ab, soweit bis sich die Hand "eiskalt" anfühlt. Versucht direkt danach den Besen ausgestreckt als Zeiger zu verwenden, bzw. ihn zu balancieren.
Ihr werdet feststellen, das es erheblich mehr Kraft erfordert, den Besen ausgestreckt als Zeigestab zu verwenden (
so erscheint es uns). Je nach zugeführter Kälte, kann das soweit gehen, das wir den Besen kaum noch halten können.
Wir verwenden einfach viel zuviel Kraft, da wir bedingt durch die Abkühlung nichts mehr spüren. Diesen Prozess wird hier sicherlich JEDER kennen. (z.b. nach einer Schneeballschlacht ohne Handschuhe)
Egal wo am Körper wir stark auskühlen, unsere Motorik wird dadurch stark beeinträchtigt.
Wenn wir also sicher bei Regen Motorrad fahren wollen, dann muss uns bewusst sein:
Ohne guten Regen- und Windschutz nutzen all die guten Tipps nur noch die Hälfte, wenn überhaupt. Denn - und das ist mein wichtigster Punkt - wie soll man das Fahren bei Regen lernen oder verbessern, wenn wir zwar psychologisch perfekt vorbereitet sind, alles gelesen und verinnerlicht haben, es aber dann zunichte machen, weil wir nasse Finger haben, die Füsse durchfrieren und im schlimmsten Fall noch andere Stellen nass werden.
Das Motorrad ist kein Gerät für Grobmotoriker, dazu braucht man sich nur vor Augen zu führen, wie sensibel wir Lenkimpulse geben um Kurvenfahrten einzuleiten. Wenn dieser Prozess durch mentale und organische Probleme gestört wird, dann brauchen wir uns wirklich nicht wundern, das wir bei Regen/Nässe wie auf Eiern fahren.
Nässe ist unser Feind. Sie stört nicht nur unser Seelenwohl, sondern auch unsere Fähigkeit das Motorrad zu steuern. Dringt Nässe ein, nutzt die Thermounterwäsche nichts mehr, im Gegenteil, sie kann bei anhaltenden Eindringen von Nässe zur Abkühlung beitragen. Da braucht man sich nicht rausreden und sagen, das diese Wäsche extra schnell trocknet.
Die perfekte Regenfahrt beginnt also mit dem Anlegen der richtigen Kleidung. Dieser banal klingende Satz, den bestimmt jeder hier im Schlaf aufsagen kann, hat es aber in sich. Er zieht deutlich weitere Kreise als uns manchmal bewusst wird.
Ist der Nacken richtig geschützt?
Sind die Handschuhe wirklich dicht?
Dringt Feuchtigkeit in die Schuhe?
Oder noch schlimmer, dringt Nässe im Bereich des Hosenbundes ein?
Ist der Übergang zwischen Handschuh und Ärmel dicht?
Eine Regenkombi nutzt wirklich nicht viel, wenn die Hände auskühlen, die Füsse nass werden und wir anfangen zu frieren. Regenschutz soll nicht unsere Leder- oder Textilkleidung schützen, jedenfalls nicht hauptsächlich. Sie soll uns schützen.
Eine Regenkombi dient aber nicht nur als Nässeschutz, sie dient uns als Windschutz und damit wiederum als Kälteschutz. Denn durch Konvektion verlieren wir durch Wind genauso Wärme, wie durch Nässe.
Deswegen kann man nur empfehlen:
Führt bei Fahrten mit Regenrisiko immer einen kompletten Regenschutz mit Euch:
Regenhandschuhe, Regenschuhe, Regenkombi und dichtet den Halsbereich gut ab. Nur dann gebt Ihr Euch selber die Chance, eine Regenfahrt genießen zu können und zu echten Regenprofis zu werden.
MfG