Jahresurlaub 2016 – Kärnten, Norditalien, Frankreich

  • Wieder mal mache ich mehrere Reisen zu einer. Ich besuche in einer Reise das Honda NTV-Treffen in Creglingen, einen Freund in München, einen ehemaligen Arbeitskollegen in München, das Versysforum-Kärntentreffen am Nassfeldpass bei Hermagor, dann fahre ich zwei Tage durch Norditalien (Friaul, Dolomiten, Gardasee, Aostatal) nach Frankreich, dort mit Manuel und Michael eine Woche lang zeltend die Route des Grade Alpes ab und dann per Autobahn nach Hause. Dafür habe ich zwei Wochen Urlaub plus einen Brückentag, mit dem Luxus, dass ich schon Samstag zurück sein will, um einen Tag Puffer vor dem ersten Arbeitseinsatz zu haben.


    Auf einer Europakarte sieht die Versys-Fahrstrecke etwa so aus:



    Dieser Reisebericht ist noch nicht vollständig vor-geschrieben, er ist erst zu Ende, wenn ich es sage ;)


    Vor dieser Reise habe ich mich bei den Passknackern angemeldet. Das ist eine Community von passstraßenbefahrenden Motorradfahrern, die eine ziemlich coole Datenbank interessanter Punkte aufgebaut haben. Jeder bekannte Pass ist ein Punkt, der durch GPS-Koordinaten und eine bestimmte Sehenswürdigkeit definiert ist (meistens das Passschild bzw. ein charakteristisches Gasthaus). Diese Datenbank ist gut gepflegt und eignet sich vorzüglich zur Tourenplanung, am PC und auch als POI direkt auf dem Navi. Für jeden Pass gibt es außerdem eine Punktzahl, die sich anscheinend irgendwie aus Höhe, Kehrenzahl und Länge (="Schwierigkeit") zusammensetzt, etwa im Bereich 35 bis 100. Jedes Jahr gibt es einen Wettbewerb, wer die meisten Punkte sammelt vom 1.1. bis 31.12. Als Nachweis für den Besuch muss man ein Foto des Motorrads am Passschild mit sichtbarem Nummernschild und einer ausgedruckten Passknacker-Grafik (die sich jährlich ändert) hochladen. Etwas bürokratisch, aber macht bestimmt auch irgendwie Spaß. Mal sehen ob mir das taugt. Manuel und Michael sind auch neu dabei, das steigert die Akzeptanz dafür, an jedem Passschild zu stoppen.

  • Tag 1 – Do 26.6. - Anreise


    Packenpackenpacken, lieber alles mitnehmen für jede Situation, oder Mut zur Lücke? Das ewige Abwägen zwischen „guter Vorbereitung“ und „Opfer der eigenen Ausrüstung“…
    Besondere Ausgangssituation dieses Mal: Ich bin in Düsseldorf, aber die Versys steht in Nürnberg. Die habe ich dort vor zwei Wochen stehen lassen, weil ich zeitgleich mit meiner Freundin dort war, sie war aber mit dem Auto angereist. Ich hatte auf dem Hinweg noch ein Kurventraining in Hockenheim besucht (und dort bei einem Sturz meinen Schaltautomaten zerrissen). Zurück zu zweit im Auto erschien uns sinnvoller als mit zwei Fahrzeugen hintereinander her, zumal es reines Autobahngekloppe gewesen wäre. Den neuen Schaltautomaten und verschiedene Anbauteile habe ich per Post nach Nürnberg schicken lassen.


    8:30 schleife ich meine Packrolle im Rollkoffer mit meiner Motorradhose drauf zum Bus, über die rechte Schulter baumelt der Tankrucksack, über die linke die Topcaseinnentasche. 8:40 kommt der Bus und bringt mich zur S-Bahn, die bringt mich zum Hauptbahnhof, und steige ich 9:10 pünktlich in den ICE und um 13:00 ebenso pünktlich in Nürnberg wieder aus. Eine gar nicht so unangenehme Art zu reisen, obwohl der Zug ab Frankfurt gerammelt voll war. Ich hatte ja schon einen Sitzplatz und mein Gepäck war auch schon verstaut. Meine Eltern holen mich am Bahnhof ab und bringen mich zur Schäufeleswirtschaft. Die ist nah am Bahnhof, günstig, und hat mit das beste Schäufele überhaupt. Wer nicht weiß, was ein Schäufele ist: Des Vegetariers Albtraum. Die Steigerung von Schweinebraten. Man braucht zur Zubereitung ein ordentliches Stück Schweineschulter vom Knochen bis zur Haut, einen Backofen, einige Stunden Zeit, Kümmel und reichlich (!) Dunkelbiersoße. Mjamm, Lecker. Und leider nur in Franken erhältlich. Fallt nicht auf badische Fälschungen rein! Danach gibt’s einen kurzen Familienbesuch, und dann bin schon mit dem aufsatteln der Versys beschäftigt. Das klappt alles ziemlich gut, auch ein neuer Quickshifter-Sensor hat seinen Weg hier her gefunden und harrt der Montage, irgendwo auf dieser Reise.


    Es ist warm heute, 23°, gefühlt aber mehr, besonders im elterlichen Polo, Klimaanlage aus, Fenster zu (weil zieht ja sonst), und das Schiebedach ist der totale Fake, weil es einen 8 cm hohen Windabweiser oben drüber hat. Da kommt eigentlich nur Sonne rein, aber keine Luft. Besonders, wenn man das warme Langarmshirt und Motorradstiefel an hat. Man ist ja nichts mehr gewohnt, Mimimi.


    Aufgesattelt wird also lieber im Schatten. Kaum rollt die Versys, ist es sofort angenehm kühl. Mein erster Weg für mich zum Lutz-Hotel in Giebelstadt, das ist über schöne Strecken (kurviger.de) etwa 2h westlich. Die Landschaft hier ist nicht so spektakulär mit sanften Hügeln, aber die Straße windet sich flüssig befahrbar und abwechslungsreich durch die Landschaft, die noch nicht mal einen richtigen Namen hat, außer vielleicht Rangau.



    Packesel 650



    Sanfte Schwünge im Rangau


    Hier im Landkreis bin ich aufgewachsen und an manchen Orten und Ortsverbindungsstraßen kleben Erinnerungen, die so alt sind, dass sie weder gut noch schlecht sind. Ich mag es hier. Es wird zunehmend ländlich. In einem Dorf geht eine Katze sehr bedächtig über die Straße, und guckt nicht nach links oder rechts. Ich bremse und betrachte es faszinierend. Später habe ich zwei Rehe neben der Straße vor mir, ein junges und ein sehr junges, und die können sich nicht auf eine einheitliche Fluchtrichtung einigen, also halte ich, bis sie nicht mehr zu sehen sind, und dann fahre ich extravorsichtig daran vorbei.


    In Giebelstadt ist das Hotel schnell gefunden, ich checke ein und trage meine 7 Sachen in den zweiten Stock. Eine kurze Dusche muss sein. Dann geht es mit leichtem Gepäck (Pulli ins Topcase) etwa 30 Minuten südlich nach Creglingen, bzw. in ein Heuhotel, das ein einsamer Bauernhof 10 km außerhalb von Creglingen selbst ist. Dort ist dieses Wochenende nämlich Jahrestreffen des Honda NTV-Forums, also meines anderen Motorrads, das ich schon länger als die Versys habe. Auf den Jahrestreffen war ich bisher eher Tagesgast, wenn es sich streckentechnisch gelohnt hat. In den Weg dorthin wirft sich knapp vor dem Ziel eine Baustelle, und so fahre knapp vor dem Ziel noch ein Stück auf „Haftkleber“. Schöne Grüße an die Kette – urgs, dann lieber Tempo 10.


    Am Treffen wird man sofort aufgenommen. Ein Teilenehmer feiert heute seinen 75ten, und weil jemand mitbekommen hat, dass er einen neuen Helm braucht, wird gesammelt. Bei 40 Mann kommt da was zusammen, da wird aus einem Nexo schnell mal ein Schuberth. Das kommt dann auch richtig gut an. Ansonsten sieht man endlich die Gesichter zu den Nicks, lernt Leute kennen und bestaunt NTVs in völlig unterschiedlichen Umbau- und Pflegezuständen. Axel kennt wirklich jeden, ich bin ja eher der Gesichtsvergesser… Quatsche viel mit Jascha und NT/Hans und blackrider, esse Wurst und Kassler, trinke Radler und Cola, und bevor es komplett dunkel wird, muss ich schon wieder los. Schade!



    Und zwei Schweizer NTV erfahren allgemeines Interesse, weil doch manches anders ist



    Und ich verpasse das Gruppenfoto - mift!


    Dieses Mal will ich die Baustelle vermeiden und starte nach Norden. Lauter unbeschriftete Straßen ohne Linien und Leitpfosten hier. Diese wird bald zum Wirtschaftsweg, bald kommt Gras in der Mitte, bald endet die befestigte Fahrbahn, aber das Navi zeigt weiter geradeaus an und es ist noch hell genug, um vorausschauend zu fahren, also vorsichtig weiter. Irgendwann kommt tatsächlich wieder eine Hauptstraße, mit Mittelinie, und es geht im Zickzack um die Dörfer Richtung Norden. Ich verscheuche drei dicke Hasen von der Straße. Einer davon ist lustig, der rennt immer nur von mir Weg die Straße entlang und biegt erst ab, als eine asphaltierte Ackerzufahrt kommt. Hase mit Anspruch, anscheinend. Das Reisetempo ist danach jedenfalls Tempo 70. Gegen 22:30 komme ich an meinem Hotel an und schlüpfe aus den Sachen.


    Ich sichte die Postsendungen aus Nürnberg, und stelle fest, dass der neue Quickshifter-Sensor genauso wie der alte aussieht, obwohl es ein anderer Hersteller ist. Das Kabel sieht sogar robuster aus und ist direkt am Gestänge noch mit einem Kabelbinder fixiert. Auch die Gewinde sind gleich, „M6 rechts“ an beiden Enden. Die bestellte 160 mm Gewindestange „M6 rechts – links“ ist von Länge und Gewinden her identisch zum Original Kawa-Schaltgestänge, bietet aber einen längeren Gewindeanteil. Dafür ist die Mitte dünner.



    Original und Generikum


    Schraubt man Gewindestange in Quickshifter, stehen natürlich ca. 6 cm über, aber es sind ja deutlich mehr als 6 cm Gewinde an beiden Seiten. Da kaum jemand Linksgewinde schneiden kann, würde man die „M6 rechts“-Seite kürzen, die innen liegt, damit das Gesamtkunstwerk die Länge des Original-Schaltgestänges erreicht. Das sollte jeder Betrieb hinbekommen, der irgendwas mit Metall macht, also z.B. auch jede Autowerkstatt. Vielleicht klappt das ja sogar schon auf der Reise.


    Das war ein prima Einstieg in die Reise heute, reichlich unkonventionell mit ICE und Familienbesuch, und vielleicht sogar ein neuer persönlicher Rekord im Daytona-Stiefel-Dauertragen (8:30 bis 22:30 mit 30 Minuten Pause im Garten). Gute Nacht!

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  • Tag 2 - Fr 27.5. - Giebelstadt-München


    Schlecht geschlafen und morgens Regen, der aber pünktlich zur Abfahrt aufhört. Heute geht es nach München, wo ich bei einem Freund übernachte. Im Hoteldorf gibt es Tankstelle, wo ich endlich tanken kann – sagenhafte 19,68 Liter gehen in den 19-Liter-Tank. Wow. Außerdem ist eine Autowerkstatt daneben, wo ich vorstellig werde, um die Gewindestange kürzen zu lassen. Tatsächlich muss man beide Seiten kürzen, aber das Nachschneiden des Linksgewindes mittels der Mutter gelingt. Es soll 1.- Euro in die Kaffeekasse kosten. Ich gebe 2 :)


    Meine Route führt mich heute durchs Taubertal, durchs schöne Rothenburg, durchs Altmühltal und schließlich durchs Donautal. Es sind malerische Strecken mit netter Aussicht und flüssigem Fahren. Die Kurven sind eher weit, und NRW-Bewohner erfreuen sich an einem nahezu völligen Fehlen von idiotischen Tempolimits und Überholverboten außerorts. Nördlich von Eichstätt entdecke ich eine ziemlich geniale Kurvenstrecke, die sich den Berg hoch windet. Leider ist hier viel Verkehr und Tempo 60. Man kann halt nicht alles haben. Rund um Ingolstadt hängt dann zunehmend Hopfen auf den Feldern – Achtung, Sie überqueren jetzt den Weißwurst-Äquator. Ab jetzt ist Händewaschen nach dem Toilettenbesuch also optional.




    Das schöne Rothenburg ob der Tauber, voller "Europa in 7 Tagen"-Busse



    Einfach mal leichte Kurven fahren



    Im Altmühltal wird gerade gemäht


    Langsam wird es voller aus den Straßen, der Ballungsraum München mit seinen irren Lebenshaltungskosten macht alles im Umkreis von einer Stunde zum Pendlergebiet – also etwa halb Bayern. Es bleibt weiterhin trocken, wird aber warm und auch schwül. Ich mache Pause am Wegesrand bei Greding direkt in der Nähe des McDonalds und werfe alle Extralagen ab, bleibe aber im warmen Langarmshirt – und das war ein Fehler. Da ich eh rasten will, schraube ich mal den Schaltautomaten wieder dran und sorge mit Teppichmesser für eine Sollbruchstelle im Kabel, damit es beim nächsten Sturz nach links nicht wieder das Kabel irreparabel aus dem Sensor selbst abreißt.



    Hochschalten ohne Kupplung und ohne vom Gas zu gehen, jedes Mal in 80 ms, das schont meine Handgelenke und macht unverschämt Spaß beim Heizen


    Dass ich 45 Minuten neben meinem Motorrad knien kann ohne dass mich irgendwer fragt, ob ich Hilfe brauche, macht mir schon etwas Sorgen. Aber ich brauche halt auch keine. Es gibt sogar eine Mini-Kurvenstrecke zum testen. Klappt 1a. Weiter geht's, die letzten 50 km nach München rein über die A9, soll ja schnell gehen, wird warm. Da war wegen einer Baustelle der Verkehr eher so Tempo 50. Auf dieser Baustelle wurde sogar gearbeitet (an einem Samstag! Und es standen Flutlichter rum, was auf Nachtarbeit hindeutet - in NRW unvorstellbar, wo eine Autobahn ohne Baustellen keine richtige Autobahn ist), und es gab auch ganz frischen Belag zwei Meter links von mir, was jetzt auch nicht SO erfrischend ist. Der Münchener Stadtverkehr ist selbstverständlich auch nicht dafür bekannt, dass man da eine hohe Durchschnittsgeschwindigkeit erreichen könnte, und in den wenigen Tunnels stehen Blitzer. Außerdem verabschiedet sich mein Navi, das sich heute über USB irgendwie nicht laden lassen wollte. Aber ich habe ja noch das Smartphone und ich kann zwischen den ewigen Ampelpausen ein wenig Stadtverkehrguerilla üben. Nicht, dass es eine gute Idee wäre, mit der NRW-typisch technisch eher lässig-legalen Versys der bekannt peniblen bayerischen Polizei aufzufallen, aber hey.


    Ziel Nummer 1 ist die Arbeitsstelle meines ehemaligen Kommilitonen, bei dem ich übernachten werde. Sie haben heute eine Sonderveranstaltung, deshalb kann er da nicht weg, also bekomme ich seinen Wohnungsschlüssel. In den 10 Minuten, die ich im Büro war, zieht die Versys bereits Zuschauer an, die sie fotografieren – sind wüste Umbauten in Bayern echt so selten? Oder ist da eher mehr Bling-Bling angesagt?


    Die Versys blinkt schon wieder nach Sprit, also halte ich auf dem Weg zur Wohnung an einer Tankstelle unterwegs. Es ist mörderheiß, ich komme mit Mühe und Not aus den vollgeschwitzten Handschuhen raus. Und dann blökt mich der Tankwart an, ich solle zum Tanken bitte absteigen. Ja, genau, ich stehe mit einem übel vollgepackten Motorrad 30 cm rechts neben eine Zapfsäule, links war besetzt, und soll zum Tanken absteigen. Denn wenn ich zwischen Zapfsäule und Motorrad stehe, zwischen Lenker und Packrolle, und so eingeklemmt bin, dass ich kaum tanken kann, dann komme ich im Fall eines Feuers bestimmt viel besser weg als wenn ich mit ausgeklapptem Seitenständer drauf sitze. Da tanke ich lieber woanders. München hat überraschend wenig Tankstellen, was vermutlich an den irren Immobilienpreisen liegt.


    Ziel Nummer 2 ist die Wohnung, wo ich meinen Krempel ablade – mit Aufzug! Sehr erfrischend, aus den Klamotten rauszukommen und unter die Dusche. Ziel Nummer 3 ist Hans im Glück, wo ich mit einem ehemaligen Arbeitskollegen gepflegt Burger zu essen gedenke. Er ist Amerikaner dunkler Hautfarbe und bei einem örtlichen Konzern angestellt, und ich habe ihn über einen Zeitraum von zwei Jahren bei einem ziemlich großen Projekt unterstützt, bis ein neuer Top-Entscheider im Unternehmen dem Projekt den Stecker gezogen hat. Immerhin, unser Teilprojekt war das erfolgreichste und zu diesem Zeitpunkt schon abgeschlossen, schade war's trotzdem – aber zwar vor allem fürs Unternehmen. Er wird Ende des Jahres in die USA zurückkehren und macht sich echt Sorgen wegen Trump. Dafür hat er jetzt auf die letzten Wochen in Deutschland ein ziemlich schickes Cabrio mit deutlich über 300 PS und guckt der Tankuhr zu, die sich immer bewegt.



    Beim Essen immer Motorrad im Blick! Die Startnummer ist noch vom Fahrtraining, und zufälligerweise der kalifornische Polizeicode für Mord. 187 ist in den USA jedem ein Begriff. Wer's kennt, versteht die Aussage: "Geh mir nicht auf die Nerven!"


    Ziel Nummer 4 ist endlich eine Tankstelle. Wo man auf der Linksabbiegerspur nicht wenden darf, da kann man doch schon vorher über den Grünstreifen in der Mitte wenden, oder? Ich habe keine durchgezogene Linie gesehen. Und keinen Streifenwagen. Ziel Nummer 5 ist wieder die Bude und bald erscheint auch mein Kommilitone, der beruflich dafür sorgt, dass München weniger von Microsoft abhängig ist als andere Städte. Anstelle von Lizenzkosten stehen jetzt zwar Entwicklungs- und Supportkosten, die so aber immerhin vor Ort bleiben und ein weltweit nahezu einmaliges Knowhow schaffen, von dem jeder profitieren kann, der will – Open Source eben. Der Abend klingt sehr gemütlich auf dem Balkon aus, wir haben beide keine Lust noch raus zugehen, und schon um 11 geht das Licht aus.

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  • Tag 3 - Sa 28.5. - München-Kärnten


    Morgens kleines Frühstück, dann packen und ab geht's.



    Nicht ohne einen Blick auf einen ziemlich kühlen Kühlschrankmagneten. Brauche ich als Aufkleber für den Helm. Stretchbar, bitte.


    Heute geht es zum Kärntentreffen ins Hotel. Ich hatte eine Route geplant, die mich zunächst auf gerade Linie aus München raus bringt, dann über das Hausstreckenpuzzle aus dem Versysforum (wo viel Um-Münchener gemeinsam ihre Hausstrecken zu einem Ring um München verknüpft haben) Richtung Süden bis zur A8, dann 40 km Richtung Salzburg, und dann über drei Passknackerpunkte über die deutsche Alpenstraße, Berchtesgaden und den Obersalzberg nach Österreich rüber. Dort mache ich Strecke auf der Autobahn bis vor dem mautpflichtigen Tauerntunnel, nehme stattdessen den Obertauernpass, dann die Turracher Höhen, und dann geht’s in der Nähe des Weisensees über die Windischen Höhen auch schon nach Kärnten.


    An der Technikfront habe ich heute morgen die Kette nachgespannt, nachdem ich 2x in 2 Wochen auf die lockere Kette angesprochen wurde. Es ist mir als weitgereistem Reifenschinder, Hochgeschwindigkeitskurvenwedler, Rastenhalbierer, Nichtjedesjahrüberholtwerder und Gewaltschrauber etwas peinlich, aber ich habe echt wenig Ahnung von Kettenpflege, weil ich die ersten 6 Jahre nur Kardan gefahren bin. Außerdem fliegt der alte 12V-USB-Wandler auf den Müll und der nächste wird aus dem mitgebrachten Vorrat genommen und eingesetzt, damit das Navi ordentlich laden und mir den Weg leuchten möge. Das hat sich als einfacher erwiesen als komplette USB-Dosen zu tauschen, die sind nämlich furchtbar verbaut. Außerdem gab's gestern noch eine neue Warnweste für Regenfahrten und Pannen - die letzte liegt noch irgendwo in den Cevennen.


    Bei näherer Überlegung und einem Blick auf das Niederschlagsradar morgens vor der Abfahrt fliegt das Hausstreckenpuzzle wieder raus aus der Route, es geht direkt auf die Autobahn. Und zwar im Norden Münchens, auch wenn das Navi mich lieber quer durch die Stadt jagen würde, um ein paar Kilometer zu sparen. Mitdenken ist auch mit Navi noch erlaubt :) Autobahnring und A8 bringen mich zügig Richtung Salzburg, nur die vielen Schilderbrücken irritieren – sind da jetzt Blitzer drin oder nicht? Ich fahre zwar auf Wolken zu, komme aber nie in Regen. Allerdings komme ich auf nasse Straße und es ist überall Gischt. Als ich davon langsam die Schnauze voll habe und sich die Oberschicht meiner Mehr-Lagen-Kombi langsam kalt anfühlt, schnappe ich mir eine Tankstelle, ich muss eh noch Autobahnmaut für Österreich löhnen. 5,10 Euro für 10 Tage, bei dem Aufwand der dort für Straßenbau getrieben werden muss geht das völlig in Ordnung. Dann bummle ich noch etwas rum und schon ist die Bahn so weit abgetrocknet, dass es kaum noch Gischt gibt.


    Autobahn runter, erster Passknackerpunkt überhaupt. Ich bin jetzt auch ein Passknacki. Die B305/B306 Richtung Süden sind erstaunlich gut zu fahren, die Alpenstraße ebenso – ich schalte erstmals die Gopro ein, die jetzt alle 30 Sekunden ein Foto macht. Da sind pro Tag ein paar gute dabei, und den Rest löscht mal halt wieder. Mit zwei Ersatzakkus kommt man auf 7h Laufzeit. In Europa betrachtet ist Deutschland eigentlich Flachland, denn von den Alpen haben wir fast nichts. Wir haben fast nur diese eine kurvige Alpenstraße, und für 4,50 kommt man auch noch weiter hoch, nämlich zum Ahornbüchsenkogel. Kann ich empfehlen. Hier fahren auch Autos, aber was geht mich das an? Eine AMG-S-Klasse habe ich bergauf im Kurvengewedel recht einfach überholt.





    Wie immer läuft die Gopro nicht oder hat Akku leer wenn es am schönsten ist



    Aber man hat noch die Passschild-Fotos, die man für Passknacker machen "muss"


    In Österreich das Tal runter wird es vor allem warm, wie eigentlich immer. Endlich auf die Autobahn nach Ortsdurchfahrten kommt erfrischender Fahrtwind auf und die Berge ziehen schneller vorbei. Angenehm. Runter geht es dann zum Radstädter Tauernpass, der weitgehend flüssig zu befahren und für Motorradfahrer eine prima Alternative zum Tauerntunnel ist. Tipp für jede erträglicher Wetterlage!



    Willkommen in Austria!



    Endlich Berge


    Weiter nach Süden geht es über die Turracher Höhe. Dort raste ich lange, weil ich zunehmend platt bin. Es war eine gute Entscheidung, morgens die Route abzukürzen, sonst wäre ich jetzt noch schlapper.



    Eines der besseren versehentlichen Gopro-Seflies, wenn auch müde



    Ein versehentliches automatisches Foto von mir, wie ich eine BMW LT-/Goldwinge-Gruppe auf der Turracher Höhe fotographiere


    Dann kommt nach Bundesstraßen und der Windischen Höhe endlich der geliebte Nassfeldpass. Die letzten Kilometer zum Hotel, wohl bekannt aus den letzten Jahren, nahezu jeden Abend gefahren. Alle Sinne auf Aufnahme, Visier schließen und verriegeln, Sitzposition auf Angriff, und Feuer frei!



    Attacke!



    An äußeren Randstein entlang in Schräglage müssten beachtliche Geschwindigkeiten möglich sein



    Die Bühne ist bereitet


    Endlich am Hotel angekommen empfangen mich vertraute Gesichter, bevor ich vom Motorrad auch nur abgestiegen bin. Ich habe noch Bock auf einer supercoole Posingeinlage mit Blamagerisiko: Am Zaun auf obigem Bild halten, einen Fuß aufs Geländer, aufstehen, und mit beiden Händen die Leute begrüßen. Mit laufendem Motor, versteht sich. Teile der anwesende Motorradfahrer verstehen die Welt nicht mehr, warum ich nicht umfalle oder gegen die Säule knalle. Ich denke nicht mal drüber nach :)


    Endlich wieder daheim! Ich habe ein richtig tolles, großes, neues Zimmer, das vor maximal 12 Monaten ausgebaut wurde. WLAN rennt richtig gut. Dafür ist Alkohol komplizierter geworden – Bier muss bestellt werden, und wenn es nicht zwischen 18:30 und 20:30 ist, dann kostet es sogar was, aber seine Zimmernummer muss man auch sonst sagen. Abendessen gibt es lecker bürgerlich vom Buffet. Ich habe mw416 endlich mal wiedergesehen und den Walter kennengelernt, der eine weiße 2015er mit grünen Zierstreifen dabei hat. Schönes Ding! Der Rest ist fast schon Stammkundschaft ;)

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  • Tag 4 - So 29.5. - Route 28


    Der Plan heute ist, dass ich eine Gruppe über Plöckenpass, Lanzenpass, Sella Nieva und dann nordwärts wieder zurück führe – also eine eher kurze Runde, da mir die Anreise noch etwas in den Knochen steckt und wegen der Wettervorhersage: Es ist Gewitter angesagt. Wir wollen möglichst viel trocken fahren und die Pausen möglichst auf die Regenphasen verschieben, bzw. umgekehrt. Heute fahre ich mit Lucky (Versys 1000 „mit alles“), mw416, Silver Surfer (beide Versys 650) und Angstnippel (seit kurzem KTM 1050, aber immerhin hat er einen Versys 650-Scheinwerfer-Aufkleber mitgebracht).


    Ab ins Tal, einer hatte mal wieder nicht getankt, man will mir am Straßenrand eine 1000er Versys andrehen, dann direkt links und entlang der Schattenseite des Tals (zur Vermeidung der Bundesstraße 111) westwärts zum nächsten Pass Richtung Italien, dem Plöckenpass. Der ist ziemlich spannend und unterhaltsam zu befahren, von Norden her im mittleren Bereich aber schlecht ausgebaut und holprig. Kurz danach kommen diverse Galerien. Von meiner Gruppe ist bald nichts mehr zu sehen, der letzte Follower wohnte eifelnah und fuhr KTM 1050. Auf dem Geholper wechsle ich etwas ins Bummeltempo, und schon taucht aus dem Nichts links neben mir eine KTM 1290 SuperDuke auf und versucht unter großem Gebrüll, stärker als ich zu beschleunigen. Das klappt nicht ganz so gut, der Fahrer in seiner Lederkombi bekommt stattdessen den Lenker fast ins Gesicht, das Biest wheelt. Der Fahrer knallt das Gas wieder zu und versucht es nochmal, mit dem gleichen Ergebnis. Aus Mitleid gehe ich vom Gas, die nächste Kurve ist ja nicht weit. Und wenn er hinter mir auftauchen konnte ist er schneller unterwegs. Ich sehe ein Österreicher Nummerschild. In der folgenden Galerie gucke ich mir mal an, was er da treibt, das klappt aber nicht, denn er fährt Geschwindigkeiten, die man auch auf der Autobahn nicht fahren darf. Das kann er auch ohne mich. Aber meine Neugier ist geweckt.


    An der Passhöhe steht er am rechten Straßenrand und guckt in den Verkehr. Auf mich reagiert er und will starten, überlegt es sich dann aber anders. Kurzer Blick in den Rückspiegel: Er hatte noch einen Mitfahrer, der mittlerweile auf mich aufgeschlossen hat. An der Passhöhe zu rasten kommt nicht in Frage, wir hatten doch erst eine Pause. Also weiter und mal sehen was passiert.


    Die Südseite vom Plöckenpass ist schon in Italien und die Österreicher werfen hier erfahrungsgemäß den letzten Rest StVO aus dem Fenster. Es geht bergab den Hang entlang in 12 Kehren, davon 4 in Tunnels (ohne Sicht). Der Belag ist erste Sahne und zwischen den Kehren gibt es sanfte Wechselkurven. Ein paar Autos schnupfe ich schnell weg. Den restlichen Weg nach unten warte ich, bis die SuperDuke wieder im Spiegel auftaucht. Das dauert dann bis zur Hälfte, und bevor er mich noch mal überrascht, lasse ich ihn höflichst vorbei. Und gucke mir das nochmal an, bergab kann er weniger von seinen 173 PS (immerhin 109 mehr als ich!) profitieren. Tatsächlich kann ich einigermaßen folgen, ich kann nicht erkennen, in welchen Abschnitten ich verliere. Traditionell brauche ich ein paar Tage, bis ich „Kehren kapiert“ habe. Dann bummelt er rum, also überhole ich. Okay, wir sind schon im Tal, er will seine Gruppen zusammen bringen. Ich meine auch, als raste ich auf einer Wiese mit Schotter. Schon nach weniger als 10 Minuten ist die Gruppe wieder komplett und es wird allgemein gerastet. Mit unterschiedlichen Strategien: Stefan macht die Pfütze größer. Und man will mir inzwischen keine Versys 1000 mehr verkaufen. Dafür schalte ich endlich mal die Gopro an, das ist für mich neu, daher vergesse ich es leider oft.


    Das ätzend lange das Tal entlang geht es nun ostwärts, dann endlich links hoch zum Lanzenpass. Der Lanzenpass ist westlich besser zu fahren als östlich, im unteren Bereich kann man sogar von Kurvenspaß sprechen.



    Anfangs sportlich zu fahren...



    Gilt das auch für Motorradfahrer?


    Wir stehen vor einer Absperrung im Ort und wissen nicht weiter. Ein einheimischer Trialfahrer bescheinigt uns, dass es da wirklich nicht durch geht, dass es aber einen anderen Weg hoch gibt. Dobi (V650) samt Junior (MT09 Tracer) und Juniors Freund (R1200GS) stoßen dazu. Mein Navi findet den richtigen Weg, nachdem ich die Sperre eingegeben habe, und fortan folgt Dobi unserer Gruppe und die Jugendgruppe darf sich selbst helfen. Ab hier ist der Pass einspurig mit Schotter in der Mitte und oft an der Wand entlang mit wenig Sicht.



    ... später abenteuerlich, ...


    Die Mitfahrer wissen das und drängeln gnadenlos, ich als Tourguide bin hier der Minenspürhund. Ein plötzlich entgegenkommender Fiat Panda bringt mich etwas in Verlegenheit, da ich gerade den Schotter in der Fahrbahnmitte überquere würde es nicht zum Anhalten reichen. Aber der Platz rechts zwischen Panda und Wand, der müsste reichen – wenn ich die Versys dort hin bekomme, und zwar am besten auch in die richtige Richtung. Es war ein haariger Moment, aber ein kurzer, und ich bin geräuschlos vorbei. Der Rest meiner Gruppe ebenso. Puh. Bei der nächsten Möglichkeit lege ich eine Rast ein. Wir warten länger auf die Jugendgruppe und erfahren dann, dass es für die R1200 GS „Wasserboxer“ nicht gepasst hat – bzw. sie beim Anhalten umgekippt ist. Fortan ziert ein Kratzer seinen Zylinderkopfdeckel. Der Fahrer hat nichts. Warum man in diesem Alter so ein Riesending haben muss erschließt sich mir nicht. Weiter! Nun folgt der schlechteste Streckenabschnitt.



    ... zunehmend abenteuerlich, ...



    Und die ganz fiesen Stellen sind nicht mal im Bild.


    Hier gibt es neben alten fiesen Stellen auch einige neue fiese Stellen, z.B. geht es einfach so mal 5 Meter sehr steil hoch und auf Kies, weil der Boden lebt. Ich will langsam die Pause beenden, da überholt eine größere Motorradgruppe, die sogar einen CanAm Roadster dabei hat, also das wahrscheinlich am schlechtesten geeignete Fahrzeug für diese Strecke. Drei Räder in drei Spuren für das maximale Schlaglocherlebnis, Fahrzeugbreite über Fiat Panda, Wendekreis Typ „frag nicht“ und ein Gewicht, dass ich nicht auf steilen Schotterstücken dahinter sein möchte, wenn es anfährt. Ich rufe weitere 20 Minuten Pause aus, damit wir nicht hinter ihnen steckenbleiben.


    Als wir weiterfahren, laufen wir auf ein albernes Reisegeländewohnmobil auf, das sich nach freundlichem Hupen dann doch überholen lassen möchte. Dazu fährt er fast in den Graben, was nicht seine Absicht war, also doch wieder nach links. Der überholende Motorradfahrer wundert sich, freut sich über die geringe Fahrzeuglänge und geht vorbei. Der Rest der Gruppe packt gedanklich das Erste Hilfe-Set aus. Urgs.



    Falsch!



    Richtig!


    Auf die Can Am-Gruppe laufen wir tatsächlich noch im Lanzenpass wieder auf, aber erst in einem Bereich, der so breit ist, dass alle gefahrlos überholen können. Puh!



    Ganz falsch!


    Bei einem sehr hohen Wasserfall haben wir eine Gruppenbegegnung mit everydays Ausfahrtgruppe. Er organisiert das Treffen zusammen mit hage und ist der Tourguide und Macher schlechthin. 20 Versys und ein paar Fremdfahrzeuge zieren den Weg. Cooles Erlebnis!



    feucht



    fröhlich


    Und dann kommt da rechts echt noch ein Auto hinter dem Geländer runter, wo kaum 2 Menschen aneinander vorbei passen! Italia!


    Im nächsten Dorf biegen wir 2x ab und schon sind wir auf dem nächsten Pass, nämlich dem Sella di Cereschiatis. Hier ist die Strecke breiter, aber nicht unbedingt verlässlicher als am Lanzenpass. Und wieder kreisen die Mitfahrer im Rückspiegel wie die Geier. Dafür treffen wir wieder everyday's Ausfahrtgruppe – sehr cool!



    Grüße!


    Am Ende landen wir einem etwas öde zu fahrenden Tal, aber nur kurz, denn dann geht es rechts ab über eine Brück, den Sella Nieva hoch. Der ist sehr geil und flüssig zu fahren, aber ich klemme noch in den Kehren. Obligatorisch bei diesem Pass ist die Einkehr im Cafe am See ganz am östlichen Ende, knapp vor Slowenien. Wir fahren stattdessen linksrum, wieder nach Austria. Der Weg ist so unspektakulär, der ist nicht mal ein Pass. Es ist sogar minimal personal am Grenzübergang anwesend. Schöne Grüße von der sogenannten Flüchtlingskrise. In Austria ziehen wieder vermehrt Wolken auf, und ich will über Bundesstraße zum Hotel zurück. Ein Mitfahrer will lieber die Schattenseite statt B111 fahren, also betreiben wir einen Führungswechsel an Tanke, der so lange dauert, bis es zu regnen beginnt. Wir kommen einigermaßen trocken bis hinter Hermagor, aber dann ist erkennbar Starkregen voraus.



    Do not want!


    Also ab an die nächste Tankstelle, schon mal tanken und auf bessere Zeiten hoffen. Aber nicht alle sind mit der Vorgehensweise einverstanden, manche wollen schon um 14:30 wieder am Hotel sein und nicht warten. Silver Surfer bleibt mir treu und wir stellen uns unter, der Rest fährt rein ins sichere Verderben. Als nach 30 Minuten keine wesentliche Änderung zu erkennen ist, fahren aber auch wir rein in die Starkregensuppe. Brr. Meine Pilot Road 4 haben mittlerweile 9000 km runter und ich fühle kein wirkliches Feedback mehr, also schleiche ich den Nassfeldpass hoch. Silver Surft hartnäckig hinter mir her und versteht die Welt nicht mehr.


    Aber Hauptsache, alle sind gut und heil am Hotel angekommen. Den Rest erledigt der kleinere der beiden Trockenräume im Hotel. Mein Navi funktioniert zwar noch, es kommt aber Wasser irgendwo raus, und wenn man es ausschaltet, leuchtet der Bildschirm weiß. Das ist neu. Ich baue den Akku aus und lasse es so gut wie möglich trocknen. Dann gibt’s einen Wellness-Nachmittag.

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  • Tag 5 – Mo 30.05. - Reifenwechsel, Spaßfahrten


    Heute bekomme ich meine vorbestellten neuen Reifen und lasse die Gruppe daher ziehen. So'n Solotag ist ja auch mal 'ne Abwechslung. Morgens erledige ich diversen Kram online bis der Regenschauer vorbei ist, dann geht’s ganz schnell. Autoklinik Gailtal angerufen – alles bereit. Ab in die Klamotte und runter ins Tal. Der Nassfeldpass ist bereits teilweise trocken und es flutscht. An einer sportlich gefahrenen schnellen Rechtskurve überrascht mit der Pilot Road 4 wieder mal unangenehm: Man hängt sich neben das Mopped, lenkt vehement ein – und es fährt einfach weiter gerade aus. Bis es dann merkt, hoppla, das stimmt so nicht, ich soll jetzt ja rechts fahren. Wer da nicht cool bleibt… fährt besser langsamer. Oder einen frischeren Reifen. Der vordere hat zwar noch etwas Fleisch, aber das hat er auch früher schon gerne mal getan. Mein Navi hat gestern ja etwas Wasser abbekommen, es funktioniert immernoch, aber jetzt im Fahrtwind bildet sich rechts oben in der Ecken und an den beiden anliegenden Rändern des Displays ein milchig-weißer Film.



    Display innen feucht


    Hä? Was'n da los? Wasserdampf? Salzausfällung? Es zeigt weiterhin den Weg an und reagiert auf Eingaben, ich will gerade nach einem Geldautomaten suchen, da fahre ich auf eine Raifeisenbank zu. Stooop und rein da (Helm abnehmen hat sich bewährt). Meine VISA-Karte versorgt mich weltweit mit gebührenfreiem Bargeld, nimmt aber für Auslandsumsätze (beim direkten Bezahlen mit Karte) Gebühren (glaube ich zumindest). Entsprechend dick wird der Geldbeutel, ich will ja auch noch das Hotel bezahlen.


    Bei der Auto Klinik parke ich am Hof, melde mich am Empfang und begebe mich in den Supermarkt auf der anderen Seite des Parkplatzes. Kaugummis, isotonische Getränke und Katjes stehen auf dem Einkaufszettel. Zurück an der Werkstatt ist bereits das Vorderrad raus, ich nehme auf einer Bank Platz und schaffe zwei Runden Solitär, bis das Hinterrad auch schon gewechselt ist. Kurze Kontrolle der Kettenspannung mit mir drauf, passt so, Kettenverschleiß passt auch noch, und dann gibt’s ungefragt eine Kettenschmierung aus der Dose. Ist nett, wäre aber wegen Öler nicht nötig gewesen. Da stelle ich den Öler lieber mal ein bis zwei Tage aus. Zum bezahlen geht es ins Büro, 275 Euro für 2 T30 Evo inkl. alles mit Rechnung ist günstiger als daheim – kann man nicht meckern.


    Den Rest des Tages will ich ein wenig umherfahren, die Reifen anfahren, und vielleicht Passknackerpunkte sammeln. Für beides bietet sich der Kreuzbergsattel an. Die Südseite ist breit und flüssig zu fahren (3.-4. Gang), aber ab der dritten Kurve feucht. Die Nordseite dagegen! Holla die Waldfee. Viel 2. Gang, Kehren, Wechselkurven, Tango. Heute ist wieder Werktag, also gibt’s zur Abwechslung auch LKW zum Aufschnupfen. Sehr schöne Strecke, trocken noch dazu. Kann man auch 2x fahren. Oder 3x. Reifen ist hiermit eingefahren – was tut man nicht alles für die Sicherheit. Schleifen tut nichts mehr ohne Anbauteile, mit maximaler Federbeinvorspannung und reduzierten (aber immernoch tiefergelegten) Rasten. Leider habe ich davon keine Fotos. Weiter geht es Richtung Osten...



    Wetter gemischt, nicht gewünscht


    ...zur Goldeck Höhenstraße, aber die soll 7,50 Euro Maut Kosten. Wegen unklarer Wetterlage spare ich mir das, und außerdem wollte ich früh zurück sein. Es ist dauernd knapp vorm Regnen oder leicht am Nieseln. Auf dem Rückweg liegt noch die Egger Alm als Sackgasse, aber dort hängt Starkregen. Ich fahre lieber durch normalen Regen die B111 bis zu Tröpolach, tanke voll, und hier hört der Regen auf. Der Nassfeldpass ist trotzdem nass, ...



    Hat das Nassfeld seinen Namen zurecht?


    ... aber ich komme in 10 Minuten hoch ohne es besonders krachen zu lassen. Mopped parken und Feierabend schon um 16 Uhr. Den Rest des Nachmittags gibt’s Entspannung und Erholung.


    Abends kommt dann Varahannes zum Treffen und hält seinen Fahrsicherheitsvortrag: Linienwahl und Blickführung. An den folgenden zwei Tagen veranstaltet er Trainings, an denen Teilnehmer zu einem Sonderpreis teilnehmen können. Das habe ich letztes Jahr gemacht und kann es sehr empfehlen, bin selbst aber schon versorgt. Für mich gehen heute die Lichter aus, bevor der Vortrag zu Ende ist.

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  • Tag 6 – Di 31.05. Sauris


    Heute führe ich eine Gruppe über die Sauris-Runde. Der Start ist trocken. Mit dabei ist Angstnippel (1050), Hubi (V650) samt Sohn (Aprilia Shiver) und dessen Freund (R1). Da mein Navi heute morgen nur einen weiß leuchtenden Bildschirm anzeigt, führt Angstnippel auf seiner KTM 1050. Zunächst runter nach Italien, und das klappt 1a. Die Absperrungen stehen freundlicherweise an den beiden einzigen Stellen, wo man bequem dran vorbei kommt. Schön zu fahren, hier.


    In Italien geht es dann nicht über den Lanzenpass, sondern über den weniger herben, aber ebenfalls mit viel Gekrissel bestückten Sella di Cereschiatis. Dann immer dem breiten Flussbett mit vielen Steinen und wenig Wasser entlang bis zur Hauptstrecke. Und schon lockt der Sella Chianzutan (aka Rennhigel) mit seinen Rennmarkierungen - diese Bergrennstrecke ist noch in Betrieb. Am Cafe ist dagegen kein Betrieb. Pause machen wir trotzdem.



    Hier Halten ist feste Größe beim Kärntentreffen


    Von Ampezzo führen zwei Wege nach Sauris, einer nördlich durch einen langen Tunnel, der ist heute gesperrt, und einer westlich über den schönen Passo Pura, der ist heute gut zu befahren.



    Schöne Strecke, trocken, nix los - Herz, was willst du mehr?


    Kaum taucht der Saurisee hinter den Bäumen auf, landen wir an einer manuellen Baustellenampel: Ein Arbeiter hält ein rotes Schild hoch. Nach 5 Minuten aktiviert er eine Ampel und verdrückt sich – Feierabend um 12:30. Ein Schild droht eine maximale Wartezeit von 20 Minuten an – uff. Es werden dann tatsächlich 15 Minuten. Der gesperrte Abschnitt ist in drei Minuten zu befahren. Wir werden durch den kürzeren der beiden Tunnel geführt, der uns direkt auf der Staumauer ausspuckt. Die Aussicht (auch nach unten) ist immer wieder beeindruckend, die aufs grün-blaue Wasser sowieso.



    Wir warten...



    ... und wir warten


    Da man heute hier nicht nach rechts fahren kann, müssen wir wohl links. Ohne umzuplanen biegt die Gruppe die erste Gelegenheit rechts ab Richtung Lateis. Ein sehr idyllisches Dorf, eine spaßige Streckenführung und eine tolle Aussicht. Die Strecke führt dann in den Wald und wird unbefestigt. Uns beschleichen Zweifel, ob es hier überhaupt irgendwohin führt, denn laut den Navis ist dies eine Sackgasse. Mein Navi lebt derweil wieder, und ich plane um durch Sauris hindurch, und dann nördlich-östlich über Colonia Alpina (das klingt ja schon gut!) wieder Richtung Hotel. Ich fahre ohnehin lieber vor als hinterher, davon werde ich unkonzentriert. Die KTM leidet auch zunehmend unter Profilmangel und ihr Fahrer geht entsprechend zaghafter zu Werke.


    Durch Sauris selbst fährt es sich ebenfalls sehr putzig, sportlich und mit schöner Aussicht. Ich mag es hier, eine meiner Lieblingsstellen. Die Straße jenseits des zweiten Ortsteils wurde offensichtlich neu gemacht, hier kommt man jetzt gut durch, immer rechts Berg und links Abgrund, aber schön breit. In einer Kurve steht am linken Rand eine rote Fahne, da mache ich mal ganz langsam, und hinter der Kurve steht dann auch ein Armee-Geländewagen, Typ ähnlich Unimog, quer auf der Straße. Ich halte mal lieber an. Zwei Soldaten steigen aus und erklären, dass die Straße gesperrt ist. Mit Händen und Füßen kriegen wir genug Kommunikation hin, um zu begreifen, dass es auch keine Umleitung gibt – wir müssen zurück bis Ampezzo. Das ist einerseits schade, denn ich war neugierig auf den Rest und jetzt droht wieder die Baustellenampel, andererseits können wir den schönen Weg jetzt 2x fahren. Mit Wissen, dass keine Gefahrenstellen vorhanden sind. Auch nicht schlecht.


    Die Ampel am Rückweg ist uns freundlich gesonnen und wird schon nach 6 Minuten grün. Praktischerweise sind die Schaltzeiten angeschlagen. Es sind tatsächlich 18 Minuten rot und 2 Minuten grün. Angesichts von 3 Minuten Fahrzeit bis zur anderen Ampel fragt man sich, für wen das ausgelegt ist: Radfahrer? Fußgänger? Eine besondere Engstelle gibt es nicht, bis auf Tunnel und Staumauer. Ein PKW und ein Motorrad, Fahrrad oder Mofa passen da aber aneinander vorbei, wenn man es will. Da geht es wohl umd LKW und Baumaschinen.


    Das Tal runter in Ampezzo dürfen Aprilia und R1 Sprit fassen zum italienischen Vorzugspreis, dann geht es wieder im Zickzack den Monte Zoncolan hinauf – ein legendärer Pass für Rennradfahrer, und für Motorradfahrer auch recht abenteuerlich, da steil und eng, aber zumindest teilweise gut einzusehen und mit viel Grün. Im oberen Bereich erwartet uns Nebel. Ich muss sagen, dass das gelbe Visier da echt gefühlte Vorteile bringt. Außerdem ist es heute mal echt beschlagsfrei. Die Nordseite des Zonco ist nicht im Nebel und lockt wieder mit weiten Radien in den 10 Kehren und dazwischen reichlich Felswandtango, und das alles bei einer Fahrbahnbreite, die beinahe einer Bundesstraße entspricht. Noch dazu haben wir exakt Null Verkehr – niemanden kommt uns entgegen, und niemand zum überholen da. Nichtmals Radfahrer.



    Taucherbrille brauchte man keine - Echopeilung schon eher


    Dann suchen wir uns ein Cafe. Dienstags um 14 Uhr ist das so eine Sache, wir finden ein offenes Cafe im Dorf Colza, sind die einzigen Gäste, und ich gönne mir eine heiße Schokolade, wie man sie in Italien macht. Der Löffel bleibt drin stehen – so muss das sein. Lecker!



    Und am Weg dahin gibt's sogar griffige Kurven


    Dann geht es Richtung Plöckenpass zurück nach Österreich – leider setzt hier Regen ein. Bisher hatten wir Bewölkung und hier und da ein paar Tropfen, aber jetzt regnet es ganz ordinär. Keiner schält sich in Regenkleidung, ich trenne mein Navi vom Strom und schütze den Tankrucksack, aber vertraue in mein Windschild und meine Membran. Am Plöckenpass ist die Fahrbahn bereits richtig nass und mir kommen erste Zweifel auf, ob die Membran die restliche Stunde Fahrzeit überstehen wird. Auf der Passhöhe schlage ich eine weitere Pause vor zwecks Unterstellen mit möglichem Aussitzen oder Aufrüsten auf Regenkleidung, werde aber überstimmt. Da muss man halt durch, das Hotel hat einen Trockenraum, und bei 19° holt man sich auch leicht feucht nicht den Tod. Außerdem schützt das Windschild wirklich gut. Auf der Österreicher Seite parkt eine Gruppe von 6 deutschen BMW GS aus dem Ruhrgebiet in der Galerie und schmeißt sich in Klamotten bzw. wartet auf den einen Nachzügler, der uns passieren lassen hat. Bald darauf gibt es eine Autoschlange, in die wir uns einfach mal einreihen, bis einer mal gucken fährt: Vorne ist ein flaches Absperrgitter. Nr. 2 aus meiner Gruppe folgt. Tourguide steht da und wundert sich.


    Als das Gitter bald darauf weggeräumt wird, rolle ich mal vor, der Rest meiner Gruppe ebenso, und parallel noch die andere Gruppe, die inzwischen aufgeschlossen hat. Ein prima Durcheinander aus 12 Motorrädern, und der vorderste Autofahrer fährt auch sofort los. Ich bin hinter dem Auto und gucke mir das Schauspiel lieber in Ruhe an, wie die andere Gruppe unbedingt an uns und allen Autos vorbei will, weil ich bergab auf einem nassen holprigen Pass stressende Autofahrer zu überholen für nicht die beste aller Ideen halte, wenn man auch noch stressende Motorradfahrer hinter sich aht. Einer der fremden Gruppenteilnehmer muss das Auto dann auch weit in eine nicht einsehbare Rechtskurve hinein überholen, weil der Autofahrer weiterhin sein Ding fährt. Auf vollständig nasser und holpriger Fahrbahn. Hauptsache dran bleiben - mäßig clever. An der nächsten Kreuzung warten sie wieder auf ihren Nachzügler und lassen uns plus alle Autos passieren. Herzlichen Glückwunsch. Ich biege rechts statt links ab und will auf der Schattenseite des Gailtals statt auf der B111 fahren, auch um das zu entwirren, aber als ich eine Notpipipause einlege will die Gruppe doch lieber wieder auf die Hauptstrecke zurück. Dem beuge ich mich dann, denn im Nassen ist Nebenstrecke echt nicht so viel besser.



    Heute war wieder ein Tag, wo ich klar vom gelben Visier profitiert habe (um den versehentlichen Gorpro-Seflies einen Sinn zu geben...)


    In Tröpolach wird wieder vollgetankt, und dann geht es einzeln den Hauspass hoch, bei sehr geringem Regen, aber weiterhin feuchter Fahrbahn. Angstnippel besucht noch meinen Reifenhändler. Am Hotel sieht man sich wieder im überheizten Trockenraum, wo Jacken, Hosen, Handschuhe und sogar Helme aufs beheizte Metallgestell kommen. Ich hatte etwas feuchte Unterarme und von unten wurde es auch langsam frisch – aber gegen drinsitzen hilft wohl selbst Rukka nicht, wie Hubi wiederholt erfährt. Meine Handies hatte ich nicht in die wasserdichte Innentasche der Membranjacke gepackt, sondern in die nicht wasserdichte Innentasche der Außenjacke – sie sind leicht feucht, aber zicken nicht rum. Im Geldbeutel haben die Geldscheine minimal Wasser gezogen, ich habe ihn erst an der Tankstelle in einen Plastikbeutel gepackt. Mein Navi hat bis zuletzt durchgehalten. So endet ein Fahrtag mit Höhen und Tiefen, aber ohne Pannen und mit vielen Erlebnissen.


    Beim Abendessen untersuche ich noch meine Optionen hinsichtlich Navi, denn ich will ja nach Kärnten noch eine Woche durch Frankreich touren:
    Nichts unternehmen und hoffen, dass es weiter durchhält, ansonsten irgendwie Karte kaufen und durchschlagen, oder ein weiteres Navi kaufen, in folgenden Varianten:
    a) Eines in Österreich neu kaufen – maximal teuer
    b) Eines in Deutschland neu kaufen und von Manuel/Michael mitbringen lassen – ebenfalls sehr teuer und den Transit zum Treffpunkt bin ich dann „ohne“
    c) Eines in Österreich gebraucht kaufen – kein Angebot gefunden
    d) Eines in Deutschland gebraucht kaufen und mitbringen lassen – einige Angebote gefunden, aber kein Vertrauen in die Angebote entwickeln können
    e) Ein Navi von jemandem hier am Treffen kaufen, der es eh loswerden wollte – keinen gefunden
    f) Ein Navi von jemandem hier am Treffen ausleihen, den Urlaub nutzen und danach zurückgeben – einen gefunden: Ein TomTom Urban Rider im Breitformat. Prima! Der Besitzer hat sogar ein zweites daheim auf Vorrat, kann also bis zum nächsten Treffen drauf warten. Wow!


    Heute streikt leider das Hotel-WLAN den zweiten Abend in Folge. Naja, die Bar wird nicht bestreikt. Geselligkeit und Gemütlichkeit klappt auch ohne WLAN prima :)


    Heute war die Gopro leider an vielen schönen Stücken doch nicht wie gedacht in Betrieb - daher wenig schöne Fotos. Sorry! :(

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  • Tag 7 – Mi 01.06. - Slowenische Grenzkammstraße


    Morgens großes Rätselraten mit dem Wetter. Meine Wetterapp sagt Dauerregen in Österreich Richtung Nockalm an, viele Schauer in Italien und ein paar Schauer in Slowenien. Die slowenische Grenzkammstraße ist mein anderes Highlight dieser Touren, also wähle ich diese. Mit Silver Surfer findet sich auch ein Mitfahrer. Wir haben es nicht eilig und starten kurz nach 10. Nach Italien runter ist es trocken und es wird warm. Mit meiner neuen hohen Scheibe komme ich mit einem Satz Klamotten durch den ganzen Tag ohne Schwitzen oder Frieren – beeindruckend. In Italien lassen wir die Sella Nevia zunächst aus, fahren stattdessen durch Kanaltal und wechseln über den Predil nach Slowenien.




    Der Predil ist im Norden ein sehr weites, flüssig zu fahrendes Tal und im Süden zunehmend enger und waldiger. Aufbrüche aber vergleichsweise wenig Geholper.


    Ein verfallenes Fort ist stummer Zeuge der Zeit, als es hier weniger friedlich zuging – 1. und 2. Weltkrieg, Wechsel der Staatszugehörigkeit diverser Gebiete, später NATO-/Warschauer Pakt-Grenze. Heute sind das dank EU nur noch Schrecken der Vergangenheit, die Grenze ist einfach nur offen und keiner denkt mehr groß drüber nach. Und ich hoffe, dass das auch so bleibt, auch wenn manche neuerdings so tun, als wäre das ein Zeichen von Schwäche. Die jüngste Geschichte des Kanaltals ist spannend.



    Mein Auto, mein Haus, ...



    ... meine Aussicht auf den See...



    ... meine militärisch gesicherte Aussicht auf den Parkplatz!


    Auf dieser Strecke gibt’s 1a Motorradfahren, man kommt schnell voran, sieht was und hat auch noch Kurvenspaß. Wenig Verkehr und ausreichend Überholmöglichkeiten. Wo der Asphalt trocken ist, kann man deftige Schräglagen fahren. Vom Wetter her haben wir heute Glück im Unglück, wir sind so spät aufgebrochen, dass der Regen schon fertig ist - jetzt sind die Straßen nur noch feucht und die Berge dampfen. Was sehr cool aussieht, und uns die elenden Regenklamotten erspart.



    Leider gelingen mir immer weniger Schaltvorgänge nach oben, und bald merke ich, dass der Schalthebel in Ruhelage immer weiter nach oben wandert. Kurz vor Bovek (dem Ort mit der Tankstelle) findet der Fuß keinen Hebel mehr, und der Blick nach unten zeigt, dass er recht schlaff runter hängt. Immerhin nicht so tief, dass er aufsetzen könnte. Gut, dass der dritte Gang drin ist und eine Kreuzung später eine Tankstelle kommt. Hier finden wir zunächst mw416 wieder, der heute morgen vom Treffen abgereist ist, und jetzt auf dem Weg nach Kroatien ist. Freudiges Wiedersehen!


    Die Fehlersuche zeigt, dass sich einfach nur das Schaltgestänge vorne gelöst hat, ich kann es wieder einschrauben und kontere es dieses mal fester. Wegen des Schaltautomats geht es recht eng zu. Ich würde den Hebel gerne noch tiefer stellen, aber das Gestänge ist minimal zu lang – Fluch der Rastentieferlegung. Es geht aber einwandfrei weiter so.


    Meine Route soll uns heute die Grenzkammstraße entlang führen, also auf slowenischer Seite nach Süden und auf Italienischer wieder nach Norden. In Slowenien läuft die Strecke auf dem Bergkamm mit toller Aussicht und wenig Kreuzungen, in Italien habe ich so gut es ging geplant. Zu befahren ist es in Slowenien teilweise holprig, aber immer einsam und sehr sehr grün. Die Aussichten sind beeindruckend, es hat wohl zuvor im Umland geregnet, denn es stehen Wolken in den umliegenden Bergen. Märchenhaft.




    Ein paar Kilometer sind noch Schotter, aber in Vorgarten-Qualität



    Kammstraßen stehen für Aussichten. Da kann man auch mal anhalten...



    ... und rasten...



    ... oder Postkartenmotive schießen


    Auf die italienischen Seite gelingt die Route weniger gut, enge Täler mit wenig Aussicht, Ortsdurchfahrten und Wirtschaftswege – diese sind zwar kurvig und steil, aber wenig flüssig zu fahren und selten mit Aussicht.



    Dann geht es wieder nach Slowenien rüber und da inzwischen leichte Regenschauer einsetzen zurück nach Norden. In Kobarid sehen wir diese epische Kirche, finden aber keinen Weg dorthin. Ein Abzweig führt uns auf 5 km trockene Kurvenballerstrecke der Sonderklasse mit Kirche am Ende in Dreznica, aber leider mit der falschen Kirche. Zur Strafe fängt es jetzt zu regnen an, und bis zur italienischen Grenze hört es nur kurz auf. Dann können wir uns wieder etwas trocken fahren.



    Wo bist du?


    Da es eine eher lange 320 km-Tour war und weil wir viele Pausen gemacht haben (der inoffizielle Preis im „Wer muss öfters pinkeln?“ ist unter uns hart umkämpft) sind wir „erst“ 18:20 zurück am Hotel, aber die weitgehend leere Parkgarage zeugt davon, dass es den Anderen heute auch nicht besser erging. Insgesamt ein Tag mit vielen feuchten Abschnitten und mehr zum Gucken als zum Heizen. Ich stehe ziemlich auf diese Ecke der Welt und fahre da immer wieder hin. Zu zweit zu fahren taugte mir heute mehr als Tourguide für x weitere zu sein, die untereinander wiederum Interessen haben.

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  • Tag 8 – Do 02.06. - Wurzenpass und Almen


    Heute wollte ich zur Abwechslung einen kurzen Fahrtag machen. Silver Surfer und Angstnippel sind dabei. Es soll auf Tour 19 Richtung Slowenien gehen (Würzenpass, Vrisic, Soca), hier ist am wenigsten Regen angesagt. Kurz vor der Abfahrt der Schock: Mein Navi hat wieder mal einen weißen Bildschirm und ist nicht zu gebrauchen. Silver Surfer gibt mir sein Blaupunkt-Navi, dank RAM-Mount ist es innerhalb einer Minute umgebaut. Er lädt die Route und ich führe los, ins Tal hinab zur Stammtankstelle. Nach dem Tanken will das Navi unbedingt links abbiegen statt rechts, was ich ihm mal gönne – ich fahre ohne Gruppe dorthin, drehe um, und dann will das Navi aber jetzt rechts rum, den Berg wieder rauf. Der Besitzer klärt die Lage: Das Navi will zum Anfang der Route. Man kann beim Laden der Routen auf Blaupunkt wählen, ob man zum Startpunkt der Route will, oder einfach nur zur Route. Letzteres wird nun gewählt und es geht weiter.


    So führe ich unsere Minigruppe durch Hermagor (die nächstgrößere Stadt) und danach dann rechtsab ohne erkennbaren Mehrwert durch einen Ferienort. Silver Surfer bremst mich aus, das wäre hier sehr wahrscheinlich falsch. Wir drücken auf seinem Navi rum, drehen um, um zur Hauptstraße zurück zu kommen, und dann will das Ding schon wieder wenden und zurück. Außerdem ist es etwas beschlagen und die Tasten am unteren Bildrand lassen sich nicht drücken.
    An diesem Punkt ist meine Geduld erschöpft und ich schicke Angstnippel vor, der dann doch durch den Ferienort führt. Die Sonne scheint und es wird langsam ziemlich warm.



    Unbekanntes gelbes Objekt am Kärntner Himmel entdeckt - Experten ratlos


    Die erste nennenswerte Strecke (neben unserem Hauspass) ist der Wurzenpass. Er führt über die Grenze nach Slowenien und die Fahrbahn ist größtenteils in erbärmlichem Zustand. Außerdem etwas eng für die Verkehrsmenge. Und es beginnt zu regnen.



    Und dann auch noch Dreck auf der Linse


    Ich lege zur Abwechselung die Regenkleidung mal an, BEVOR ich durchnässt werde. Weiter geht es zum Ort der Skiflug-WM, wo sich die Skisprungrampen dicht an dicht drängeln. Es gibt eben Sportarten, die sind noch gefährlicher als Motorrad fahren. Es regnet weiterhin und es sieht auch nicht so aus, als würde es in unserer Richtung besser werden. Ich habe echt wenig Lust, schon wieder einen halben Tag im nassen zu fahren und will zurück nach Austria, irgendwas dort fahren. Meine Mitfahrer stehen der Idee aufgeschlossen gegenüber. Silver Surft zum nächsten Motorradausrüstungsladen, neue Unterziehhandschuhe kaufen, und Angstnippel wartet eh auf einen Anruf vom Reifenhändler.



    Kommando zurück, nordwärts!


    Also fahren wir wieder nach Austria, hier regnet es nicht. Ich plane spontan anhand von Wetter (auf Sicht, nicht auf Vorhersage) und Passknackerpunkten eine Minirunde. Da gibt es den Punkt „Boden“ in einer Querstraße der Windischen Höhen, 4 km entfernt von einer Strecke, wo man nach Norden vom Hotel weg eh immer achtlos dran vorbei kachelt. Das wäre doch mal was. Auf dem Weg dort hin überholen wir noch eine Motorrad-Fahrschule im Dorf. Auf der Windischen Höhe stehen und laufen Kühe, und gerade die jungen Kühe gucken die Motorräder verwirrt an – die älteren wissen schon Bescheid. Kaum biegt man dann links ab, fängt der Regen auch schon wieder an. 5 Minuten geht es durch recht starken Regen weitgehend geradeaus zum Passknacker-Punkt, wo man außer rumliegenden Baumstämmen und einem Schild „Boden“ nichts zu finden hat. Das passt bei dem Wetter aber ganz gut. Foto machen, Absprache bald einzukehren und schon geht es schnell wieder zurück. Was es mit dem Punkt auf sich hat, kann ich ja später nachlesen - und das hat sich gelohnt. Das Wetter hält tatsächlich, auch am Rückweg ist auf den Windischen Höhen wieder eitel Sonnenschein. Wir setzen uns auf die Terrasse eines Restaurants und lassen es uns gut gehen, während unsere Sachen in der Sonne trocknen. Ein 14jähriger Golden Retriever bleibt noch im Gedächtnis, der kaum noch laufen kann und dabei heftig keucht, aber noch lieb gucken kann. Große Hunde sind einfach cool.


    Nächstes Ziel ist heute die Egger Alm. Die ist quasi der Nachbar der Skigebiets rund um unser Hotel, es gibt aber nur im Tal eine Verbindungsstraße. Der Weg hoch ist ziemlich spektakulär, also kommt das erste Mal die Gopro an den Helm. So sollte man besser nicht stürzen. Nach dem Aufstieg über die Supermotokampfpiste ist die Alm selbst ein unfassbar kitschiges grünes Idyll, mit Wiesen, Wasserflächen und Nutztieren und empfehlenswerten Tempo 30. Erstaunlich, dass man hier überhaupt fahren darf. Pferde und Kühe stehen abgezäunt, oder auf der Straße. Rechts ab führt eine schmale Straße zur Poludniger Alm, dem nächsten Passknackerpunkt. Teilweise geschottert geht es auf einem besseren Waldweg immer höher, auch zwischen Kühen und Schafen hindurch, immer weiter ins Bergpanorama hinein. Die nächste Stadt kann man schon lange nicht mehr sehen, man hat sie eigentlich schon vergessen. Nach einer Weile taucht eine Enduro mit Stollenreifen im Rückspiegel auf, ich lasse überholen. Und stelle dann fest, dass ich dieses Tempo mitgehen kann, obwohl ich mich auf Schotter echt nicht so sicher fühle – aber wenn er verdichtet ist, dann geht Tempo 30 durchaus.


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    Rauf auf die Poludniger Alm. Vorspulen ist erlaubt.


    Und dann biegt man wieder einmal um eine blinde Kurve und hat plötzlich die Hammer-Aussicht. 300 Meter später ist Ende für uns, nur Anlieger dürfen weiter. Der Endurofahrer guckt sich um und wendet. Wir sind begeistert von der Aussicht, rasten und machen Fotos. Sehr cool hier.



    Schöne Aussicht, was man von den Wetteraussichten nicht sagen kann



    Da kamen wir her



    Die sind schon länger hier


    Aber irgendwann muss man wieder runter. Das geht besser als rauf, und zurück am Abzweig probieren wir mal, was passiert, wenn man geradeaus statt rechts gefahren wäre. Antwort: Man fährt in eine Mischung aus Bauernhof und Ferienort hinein, im Meterabstand an Pferden vorbei, und das ganze ist eine Sackgasse. Runter geht es nur auf dem gleichen Weg wie rauf. Gerne doch. Das macht durchaus Spaß, hier zu fahren. Ein Traktor steht mitten auf dem Weg, ein Mann mit Kettensäge daneben. O-kay, sieht man daheim in NRW nicht so oft, aber dann hätte ich einen Plan dafür bereit liegen. Der ist hier nicht anzuwenden, er winkt mich freundlich vorbei. Aber gerne doch. Erinnert mich etwas an die Begegnung mit dem Sensenmann vom letzten Jahr.


    An der Kreuzung zur Bundesstraße Abstimmung mit Angstnippel: Er fährt zur Reifenhändler, ich fahre heim. Letzte Tanke ist meine, und dann geht’s den Hauspass hoch. Da die Straße jetzt tatsächlich ausnahmsweise mal vollständig trocken sein könnte, schalte ich die Kamera auf „filmen“, baue sie fest ans Mopped und werde nicht enttäuscht: 1a Pässeblasen den Berg rauf :) Fahrlinie zwar nicht immer vorbildlich, aber immer sicher. Und StVO-konform. Viel Spaß.


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    Also ein schöner Abschluss eines gechillten Fahrtags ohne feste Zielvereinbarung. Ist halt Urlaub. Außerdem bin ich so 16 Uhr am Hotel und kann mich endlich mal dem Sport widmen, damit ich nicht aus Bewegungsmangel einroste. Das klappt heute sogar gut. Danach gibt’s wieder Kärntner Buffet, aber ich mache den Sport ja nicht für die Figur, sondern für die Gesundheit. Da das WLAN nicht mehr streikt, kann ich am Laptop meine Weiterreise nach Frankreich planen. Passknackerpunkte ohne Ende zu einer Route verknüpft mittels Motoplaner. 872 km und 22:27 Stunden ist klar zu lang, aber ich kann ja unterwegs nach Wetter kürzen. Eine Übernachtung suche ich mir spontan. Zelt habe ich notfalls auch dabei, aber nach einer Woche im 4-Sterne-Hotel fällt es mir schwer, darauf Lust zu entwickeln...

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  • Tag 9, Fr. 03.06. Grossglockner von Westen (Route 27 ohne dritten Abstecher)


    Heute fahre ich mal nur mit Herrn Angstnippel, und eine Tour die ich noch nicht kenne. Sie führt uns zum Großglockner, aber nicht auf den Pass, sondern von Westen her ans Bergmassiv heran. Auch hier soll man schöne Aussichten haben. Im weiteren gibt es diverse Stichfahrten in schicke Sackgassen. Da kommt einiges an Strecke zusammen, aber viel davon ist Transit, der keine besondere Aufmerksamkeit erfordert. Nur auf die Schilder sollte man achten, und das Überholen ist auch nicht zu verachten. Da der Weg zur Großglocknerhochalpenstraße (heißt wirklich so) eine Hauptverkehrsroute ist, ist hier tüchtig was los. Entsprechend sollte man wachsam sein. Im Gegenrichtung wird auch prompt gelasert. Wir fahren am archäologischen Museum AGUNTUM vorbei – mäßig faszinierend. So sehr ich Vandalismus grundsätzlich ablehne, dass jemand anscheinend den Querbalken aus dem G geklaut hat, das hat zumindest kreativen Wert. (Wer's nicht kennt: Cunt ist ungefähr die übelste Beleidigung im Englischen.)



    Anreise über Bundesstraße bei schönem Wetter


    In Lienz haben wir eine Ortsdurchfahrt mit viel Verkehr, und wir versuchen, anständig zu bleiben. Ein paar Kilometer hinter Lienz geht es dann schließlich rechts ab Richtung Kals am Großglockner. Endlich schraubt sich die Straße in die Höhe und die Verkehrsdichte geht gegen Null.



    und ab dafür!


    Kaum wollen wir beherzt angasen, schon stehen wir 10 Kurven später und prüfen unsere Reifen: Der Straßenbelag hat hier weniger Grip als erwartet, trotz Trockenheit. Dann bleiben die Rasten eben mal in der Luft. Gibt eh viel zum Gucken hier. Unser erster Weg führt uns zu einer Mautstelle.



    Maut kurz vor dem Ende der Welt


    Kaum hat man 5 Euro gezahlt und biegt um zwei Kurven, ist die auch schon wieder zu Ende. Dafür ist man näher an der Aussicht dran. Aber was für eine! Wow.





    Wow.


    Für uns geht es hier aber nicht weiter, wir erkunden stattdessen die Umgebung und entdecken weitere Stichstraßen. Nummero Uno sieht vielversprechend aus, und hinter dem „hier nicht durchfahren“-Schild kommen dann diverse „Hier nur bis x Meter durchfahren“-Schilder, und eine Schranke mit Zeitschaltung. Leider hatte die Schranke gerade zu, und die öffnet sich nur alle 60 Minuten für 20 Minuten.



    Da KÖNNTE man ja rechts die Fahrraddurchfahrt nutzen, aber nicht mit 'nem neuen Mopped... und vor laufenden Kameras.



    Immerhin haben wir auch was zu gucken


    Wer saugen die Umgebung auf, genießen die Natur, doch dann wird uns Langweilig und wir erforschen einen anderen Weg. Der führt uns zur Moa-Alm, sogar mit Passknackerpunkt, Wendeplatz und Aussicht mit Sitzbank. Perfekt für eine Pause, um mal richtig die Seele baumeln zu lassen und sich gründlich über Sitzheizungen und Röntgenstrahlung zu unterhalten. Urlaub!



    Sieht gut aus hier



    Sieht auch mit Versys gut aus



    Und das sieht die Versys


    Als der Himmel sich zunehmend zuzieht, bewegen wir uns zügig wieder Richtung Tal.



    Aaaaah der Regen kommt! Schnell weg!



    Dabei überholen wir einen guten Trecker - rechts. Der fährt mit deutlich unter 1 km/h und macht die Straße sauber. Danke, Mann!


    Es wartet die zweite von drei Sackgassen. Hier fährt man von der Bundesstraße aus gesehen auf die andere Seite und dann immer weiter ein Tal entlang, bis die Straße in einem Ort endet, und zwar in Hinterbichl. Alles sehr schön zum Gucken hier, und es macht auch Spaß zu fahren – ist halt eher flüssig.



    Kann man angucken



    Kann man befahren


    Das nächste südlichere Tal schenken wir uns, hier bin ich schon komplett bis Italien durchgefahren (Defereggental). Dafür geht’s zurück zum Hotel, denn langsam macht sich Ermattung breit. War es bisher den ganzen Tag trocken (ein Novum seit meiner Ankunft am Nassfeld), so so erwischen uns vor der Ortsdurchfahrt Lienz drei Minuten Dusche. Diese Dusche war wegen der Wärme aber sogar erwünscht: So kühlt einen die Verdunstung im darauf folgenden Stadtverkehr. Ohne Eis gehen wir aber nicht nach Hause, und da wir in Lienz von der Straße aus nichts sehen, wo wir einkehren gewollt hätten, wird’s dann eben Oberdrauburg, kurz vorm Gailbergsattel. Hier gibt’s lecker Eis...



    Eis gibt's links


    … und den Gailbergsattel, der nicht nur so heißt, sondern sich auch so fährt. Wir tauschen dann mal. Wir kennen zwar beide das jeweils andere Fahrzeug, Angstnippel hatte Jahrelang die 2008er Versys 650, und ich hatte 5 Tage KTM 1050 Adventure in Gran Canaria, aber hier in den Alpen und mit dem Gewöhnungseffekt – die Unterschiede fallen dann recht gering aus. Klar zerrt die KTM mehr an der Kette, aber die Versys wieselt einfach flinker in die Kurven rein und aus ihnen raus. Dafür vermittelt die KTM beim bremsen ein viel besseres Gefühl. Die an diesem Modell verbaute Sitzkühlung (Umleitung der Warmluft) scheint zu funktionieren, oder es lag an der langen Pause zuvor. Mein Schaltautomat erfährt dagegen wenig Gegenliebe, was mir schier das Herz bricht. Dann lieber zurück getauscht – Versys fährt sich einfacher, da sind wir uns einig.


    Am Gailbergsattel gibt es eine Kehre mit Tempo 30. In Deutschland würde dort gelasert werden, erst recht am Wochenende und bei schönem Wetter. In Österreich misst man innerorts, und nicht irgendwo am Ar... der Welt, nur weil Motorradfahrer da gerne lang fahren. Da wir anständig unterwegs sind (und innerorts sogar besonders vorbildlich) haben wir nichts zu befürchten.
    So rollen wir frisch und frei nach Hause... Moment, da kommt rechts doch der Plöckenpass? Der wäre trocken doch auch mal schön? Einverstanden? Einverstanden. Rauf und lauten Freudenlauten, Foto, weiter? Weite! Rüber, breit grinsend drüben runter, wenden, kurz (!) warten, wieder rauf, drüben runter, dann so gut es ging auf der Schattenseite statt B111 nach Tröpolach, ein letztes Mal tanken und dann ab zum Hotel. Beim Tanken bemerke ich, dass ich heute die 70000 km geknackt habe. Yiha! Auch der Nassfeldpass im Trocknen macht wieder Laune, und vor der Hotelkehre steht Everyday und filmt? Dann doch lieber gleich nochmal rum, eine vorbildliche Linie aufs Parkett zaubern. Freue mich schon auf das Video! :)


    In der Hoteltiefgarage dann die Final Parking Position heute mal in der Durchfahrt gewählt, ich brauche gleich noch Tageslicht. Morgen ist Abreise, daher soll die Versys wieder Gepäck tragen können – Topcaseträger und Heckrahmenverstärkung (10 Schrauben) kommen heute noch wieder dran. Ansonsten ist das bei Tagestouren nutzloses Gewicht, das ich aus, äh, Umweltschutzgründen lieber im Hotelzimmer lagere.


    Nach dem Abendessen gibt es die allgemeine Abschlussveranstaltung mit Gruppenfoto und Videoshow. Die Teilnehmer sehen die besten Szenen aller Kärntentreffen, inklusive zweier Fahrvideos von mir, die gut ankommen :) Everyday macht einen prima Moderator. Besonderen Dank an dieser Stelle noch mal fürs Organisieren (zusammen mit Hage) und Kümmern!

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  • Tag 10, Sa 4.6. - Transit 1 von 2


    Der Abreisetag aus Kärnten, und der erste Transit-Tag nach Frankreich. Morgens also von allen verabschieden und dann packen. Packen ist theoretisch eigentlich gar nicht so schwer, außer jedes mal wenn man es praktisch tut. Ich habe ja die Topcaseinnentasche für alles, was ins Hotelzimmer (bzw. Zelt) innen rein soll (Wäsche, Waschzeug, Netzteile, Laptop, Papierkram usw.), den Tankrucksack für alles zum Motorradfahren braucht (zwei weitere Paare Handschuhe, Getränke, Kaugummis, Regenkombi, Digicam, Ersatzakkus, Powerbank) und die Packrolle für die reine Zelthardware (Schlafsack, zwei Isomatten, Zelt).


    Am Frühstückstisch bin ich pünktlich, aber etwas verwirrter als sonst. Letzte Grüße werden getauscht, die Versys wird gesattelt. Auf dem Weg aus der Tiefgarage verunglücke ich fast, so anders fährt sie sich jetzt mit dem Gepäck. Urghs. Dann rechts nach Italien und auf halben Weg den Pass runter hat man sich an das Mehrgewicht schon gewöhnt.


    Meine Reise führt mich über zwei Tage zum Comer See, wo ich zwei Freunde aus NRW treffe (Fazer-Manuel und R1200GS-Michael), mit denen ich von dort eine Woche Frankreich auf wechselnden Zeltplätzen machen werde. Für den Weg dorthin habe ich mir bei der Passknacker-Webseite einen irren Weg zusammengeklickt, 920 km, 22h Fahrzeit, 35 Pässe – in zwei Tagen nicht zu schaffen, und wenn doch, dann ist das kein Urlaub mehr. Die Idee dahinter ist, dass ich die Route nach Bedarf kürzen kann, z.B. wegen Wetter ganze Regionen umfahren oder einfach auf Schnellstraßen mitten durch bei Zeitmangel oder Dauerregen.


    Und so läuft's dann auch. Ich befahre Cereschiatis (erneut), Forcella Lius, Sella Valcalda, Sella Corso, Passo Mauria, S. Osvaldo, Duran, Forcella Franche, Passo Ceraoa, Passo Gobbera, Passo Brocon und schließlich Passo Forcella. Spätestens ab Mauria bin ich ganz klar in den Dolomiten, und ein Hauch von Höhentreffen liegt in der Luft: Vor meinem inneren Auge verteilt Gunigs Schraubertipps in der Garage, hage sprüht Kette, Everyday schwärmt von Traumaussichten, Karklausi freut sich über das frisch entdeckte Leben über 5000/min, Umsteiger erklimmt die V-Strom, AlexWU versucht sich am Kofferschleifen, Ander findet auch im schönsten Eck immer einen noch schöneren, versteckten Abzweig und die besten Cafes, wo er in unverständlicher Sprache bestellt, und dann sitzt man auf der Sonnenterasse und lässt sich das Kaltgetränk schmecken, bei 23° am Abend und eitel Sonnenschein, die sich in der Sonnenbrille der ringsum zufriedenen Gesicht spiegelt.


    Ich will gar nicht auf einzelne Strecken eingehen, ich picke einfach einzelne Fotos raus und kommentiere sie mehr oder wenig klug.



    Bel tempo nella bella Italia!



    Erste aufgeschnupfte Gruppe des Tages: Vier ostdeutsche Hayabusas. Nur ein Foto auf der Gopro, die alle 60 Sekunden eines macht :)



    Schicke Dörfer darf man auch gucken



    Die Strecke kommt mir doch irgendwie bekannt vor? Stooop und Kommando zurück, die hatte ich schon andersrum, mit Gepäck wenig spaßig zu befahren...



    Diese Schilder heißen „Jetzt wird’s schick!“



    Hui-nein ins Kurvenvergnügen



    Einheimische Autofahrer mit eiligen Geländewagen zählen du zu den weniger kooperativen Verkehrsteilnehmern



    Grüße aus den Dolomiten



    Passo di Aufkleber



    Tornante è ciò che amo!



    Am Brocon bin ich heute alleine


    Ich hatte nicht nur Sonnenschein heute, aber ich kam mit 10 Minuten Nieselregen und 5 Minuten Regenschauer durch. Immer, wenn ich auf bedrohliche düstere Landschaft zugefahren bin, habe ich umgeplant oder eine Pause gemacht. Z.B. mit gleichzeitigem Pasta Funghi essen in 32012 Val di Zoldo, mit kontaktfreudigen Einheimischen, die alle mal in Deutschland gearbeitet haben, und zwar im Bereich Speiseeis. Dabei kann man parallel noch das Hotel für den Abend suchen: Zwischen Bozen und Gardasee sollte es sein. Es wird das Hotel El Paso in Fai della Paganella.


    In den Dolomiten treffe ich auf eine stark verschmutzte Strecke. Zunächst denke ich an Bauern, dann an sehr große Geländewagen, und schließlich überhole ich eine Autoschlange und sehe die Misere: Eine Schafsherde wird die Straße entlang getrieben. Sie ist so breit wie die Straße und locker über 50 Meter lang. Der Schäfer und seine zwei Hunde haben gut zu tun, die Schafe am seitlichen Ausbrechen zu hindern. Dabei sind sie wenig zimperlich und kauen auch mal etwas an Schafshaxen rum. (Auch für den Abtreib wären Leitplanken mit Unterfahrschutz hilfreich.) Das ganze knapp unter Schrittgeschwinidigkeit, also recht anstrengend für die Kupplungshand. Der Gegenverkehr kommt zwar durch, aber die Schafslücke schließt sich direkt danach. Mit Gewalt und Krach käme man vermutlich durch, das wäre aber unangemessen und unhöflich. Taktische Pause!



    Mäh?



    Schafsabtrieb mit Hunden



    Moppedstau hintern Schaf und Sau



    Dampfene Berge machen einen dramatischen Hintergrund



    Bäh!



    Kauf dir einen kurzen Kennzeichenträger, haben sie gesagt. Sieht besser aus, haben sie gesagt.


    Hilft aber auch nicht, nach 15 Minuten Pause und 2 Minuten Fahrzeit ist man wieder dran. Weitere Motorradfahrer stauen sich inzwischen zwischen Autoschlange und Schafen, und zu den Schafen sind Esel und Ziegen dazugestoßen. In einem Ort erkenne auf die Navi eine Parallelstrecke, die zwar recht kurvig ist, aber da der Tross sich nur mit 3 km/h bewegt, sollte das zu machen sein. Links ab und bloß nicht zögern! Die anderen Motorradfahrer rasten. Meine Umfahrung gelingt und ich habe fortan völlig freie Bahn (in meine Richtung). Schönes Erfolgserlebnis!


    Die letzte Stunde verbringe ich auf einer Schnellstraße und hänge mich an eine Gruppe italienischer Motorradfahrer an, die wissen an welchen Stellen man anständig fahren sollte und an welchen das anscheinend optional ist. Es ist übrigens die gleiche Gruppe, die ich beim Schafsabtrieb getroffen habe.



    Strecke machen im Tal, macht auch Spaß



    Ich gehöre dazu, Platz da!


    Das Hotel liegt auf einer Hochebene, westliche der Ebene Bozen-Gardasee mit toller Aussicht und kurviger Strecke nach oben. Stimmungsvolles Abendlicht entspannt sehr.



    Das Hotel hat ein „Bikers Welcome“ Schild und im Erdgeschoss eine Bar, wo auch Betrieb ist, obwohl kein Motorrad weit und breit zu sehen ist. Ich gehe rein; der Wirt ist überrascht und ahnungslos ob meiner Buchung, man habe um diese Jahreszeit gar nicht geöffnet. Schönen Gruß ans Qualitätsmanagement von HRS an dieser Stelle. Man rät mir aber zu einer anderen Unterkunft, und tatsächlich komme ich 2 km weiter für 40 Euro mit Frühstück sehr gut unter. Man spricht deutsch und englisch, die Steckdosen passen und sogar das WLAN ist richtig flott. Noch einen abendlichen Sparziergang durch's Dorf zur Entspannung. Schöner Ausklang.



    Irgendwo hier links?



    Ah, da drin!


    Heute ist mir 5x die Kamera und 2x das Nokia runtergefallen. Die Innentasche meiner Membraninnenjacke ist defekt und nach unten offen. Nichts ging kaputt. Ich habe eines meiner beiden Passknacker-Nachweis-Schilder verloren, aber noch habe ich eines in Reserve, und notfalls nehme ich das Handydisplay. Die Regenhaube meines Tankrucksacks teilt sich vorne mittig entlang einer Klebenaht – habe ich wohl zu oft oder zu schlampig über den prall gefüllten Tankrucksack gespannt und wieder gelöst, um an Digicam und Passknackerschild zu kommen. Die Stelle liegt aber ohnehin im Windschatten.


    Am Ende des Tages waren es 454 km, 12 Passknackerpunkte (Pässe) und ich war von 9 Uhr früh bis 19 Uhr abends unterwegs. Und abends nicht völlig KO! Die Erfahrung meines ersten Passknackertages ist, dass Passknacken wie erwartet etwas lästig ist, weil man eben immer genau das geforderte Schild knippsen muss, und dazu muss man auch noch genau davor parken, und zwar mit sichtbarem Kennzeichen. Das führt oft zu ziemlich unschönen Stellplätzen. Oft ist auch die Beschreibung nicht so gut, dass man genau wüsste, was gemeint ist, oder die Koordinaten liegen nicht genau am Punkt des Schildes. Die Admins geben sich aber Mühe, jeden Nachweis doch zu werten, auch wenn er formell nicht korrekt ist.

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  • Tag 11, So 05.06. - Transit 2 von 2


    Heute geht es weiter wie gestern, nur dass ich etwas nördlich von meiner geplanten Route starte. Es geht also zunächst bei gutem Wetter Richtung Süden, aber nicht auf der Autobahn, sondern auf der Hochebene.



    Bella Italia, Hochebene südwärts


    Leider starte ich schon südlich des Mendelpasses und komme am Lago di Molveno vorbei. Hier haben wir vor zwei Jahrem Höhentreffen noch freudestrahlend für ein Ausfahrtgruppenfoto posiert. Diese Region hat viele Seen, und einer ist schöner als der andere. Der Lago di Tenno ist eher klein, aber besonders farbintensiv. Dann wird die Streckenführung serpentinenlastig, und plötzlich hat man die Hammeraussicht auf den Gardasee, die immer wieder recht überraschend kommt.



    Hallo Garda



    Das ist einen Stopp wert


    Dann biege ich aber in den elendlangen Tunnel nach Westen ab zum Lago di Ledro. Hier habe ich mich vor zwei Jahren über einen Bordstein weniger cool als geplant gewendet. Die Schluchtstrecke zum Idrosee weiter ist supergenial zu fahren mit Hammeraussicht, wenig Verkehr und Erinnerungen an Handyman hinter mir, der den Vize-Tourguide spielt, weil ich vorne zu sehr am Ausrasten war :) Mein Navi wollte damals unbedingt Bondone hoch – war auch ganz nett, wurde aber irgendwann arg eng und war dann doch Sackgasse. Den geplanten Umweg über die teilweise unbefestigte Dosso Alto Höhenstrasse westlich des Idrosees lasse ich lieber weg aus Zeitgründen, und es drohen mittlerweile auch zunehmend Schauer. Das wären 175 Passknacker-Punkte gewesen, da dort 3 Pässe zu knacken sind. Aber ich bin ja im September nochmal hier.



    In Italien gehört das Ignorieren von Fußgängern am Zebrastreifen zum guten Ton. Das ist kulturell so verankert, dass sogar die Fußgänger selbst empört sind, wenn man anhält!


    Ich kann mich nicht recht zwischen mit oder ohne Regenkombi entscheiden und fahre lange ohne. Die Route besteht heute wieder aus reichlich Passknackerpunkten, die mal mehr mal weniger spektakulär sind. Der Passo di Croce Domini ist wieder sehr spektakulär, man fährt ewig den Berg hoch, durch malerische alte Tunnel und Galerien, über die Baumgrenze hinweg in die Einsamkeit der Bergwelt. Bei einem Kurzstopp überholt mich eim Ferrari 512 TR – würde bei uns niemand im Nieselregen fahren – der einen Tunnel einfährt, und höre ihn dann noch 3 Minuten lang. Der hat Spaß, und ich auch. Tipp! Passknacker führt hier oben zwei Pässe in kurzer Folge mit zusammen 142 Punkten, und sogar noch einen dritten mit 80 Punkten, der nur mit 12 km offroad zu erreichen ist. Das probiere ich mal, aber die Strecke wird mir dann zu grob. Immerhin, die Aussicht ist noch bombastischer.



    Fahrerisches Highlight heute...



    ... ist der Passo di Croche Domini



    Der Name ist schnell erklärt



    Am Pass gibt's 2x Ashpalt- und 1x Schotterweg



    Aussicht vom Schotterweg


    Runterwärts wird’s dann aber doch zu nass, also rein in die Klamotte. Meine Route führt mich im folgenden weniger spektakulär, aber immerhin dank Passknackerpunkten über Nebenstrecken, weiter Richtung Westen. Manche Passknackerpunkte wirken etwas wahllos gewählt, irgendein Kreisverkehr im Dorf? Von mir aus, ich stoppe, öffne den Klapphelm, öffne den Tankruck, entnehme Kontrollschild und Digicam, steige ab, stopfe das Kontrollschild zwischen Zelt und Topcase und schieße das Foto. Es dauert keine 60 Sekunden bis ich weiterfahren kann. Bei der Gelegenheit kann ich aber auch gleich mal was trinken, was eh nicht zu unterschätzen ist. Man kann grob sagen, dass Passknackerpunkte, die weniger als 40 Punkte wert sind, die Anfahrt eigentlich nicht lohnen – man würde im Vorbeifahren nicht merken, dass da etwas besonderes ist. Die Punktezahl scheint direkt mit der Seehöhe zusammenzuhängen.



    Aber hin und wieder findet man doch was spannendes, z.B. ein Bergabrennen für Skateboarder



    Von der präparierten Piste profitieren notfalls auch Motorradfahrer


    Mein Tagesziel ist der mit Manuel und Michael vereinbarte Campingplatz direkt am Lago Maggiore. Mit den beiden fahre ich dann eine Woche französische Alpen. Ich komme von Süden und bin der erste aus der Gruppe, M+M kommen später aus Norden, also keine Chance auf eine zufällige Begegnung vorher. Der Campingplatz ist ziemlich voll, ich erhalte einen Platz schön (?) in der Mitte. Die Nachbarn links sind fünf junge Deutsche, Nachbarn rechts ein Entenpaar. Ich baue mein Zelt auf, setze mich in die Sonne und harre der Dinge und stelle euch hier mal meine Mitfahrer vor:



    Manuel und Michael, bzw. umgekehrt, auf ihrer gemeinsamen Anreise durch die Schweiz


    Manuel ist mein langjährigster Moppedkumpel, wir haben ziemlich zeitgleich angefangen, da war er Zivi und ich Studi – beide wohnhaft in Bochum, und über MO24 kennengelernt. Das ist bald 10 Jahre her. Manuel ist legendär für seine langwierigen Entscheidungsprozesse beim Fahrzeugkauf und hat sich erst dieses Jahr gleich drei Träume erfüllt: 1. Vierzylinder, 2. Tausender und 3. ABS. Für Reichweite war kein Platz mehr in seiner Fazer 1000, er ist unser Spritsorgenkind, schon vor 200 km leuchtet die Reservelampe. Da im Vorfeld in der Presse von streikbedingter Benzinknappheit in Frankreich die Rede war, stand Frankreich als Urlaubsziel sogar deswegen auf der Kippe – wären wir halt woanders hingefahren. Immerhin hat er einen Schlauch im Gepäck, um die größeren Tanks seiner Mitfahrer anzuzapfen. Manuel kann Erdkunde auswendig.


    Michael kennen wir ebenfalls aus MO24, aber noch nicht so lange. Er ist deutlich älter als wir und fährt BMW R1200GS – ist aber trotzdem cool ;) Das Mopped ist aus 2008 - der erste Jahrgang mit Traktionskontrolle und ohne Bremskraftverstärker - und war vergleichsweise günstig. Michael macht allen Service (außer „Technische Aktionen“) selbst, fährt damit bei gutem Wetter die 60 km (einfach) zur Arbeitsstelle und ist definitiv kein Opfer seiner Aufrüstung – er mag's unkompliziert und trägt Motorradjeans, eine recht zivile Jacke, keinen Klapphelm und nimmt sein Handy als Navi. Sturzbügel und Touratechteile sucht man an seiner GS vergeblich. BMW-Vario-Koffer hat er dran, aber ohne Verbreiterung, so dass die Fuhre hinten nicht breiter als der Lenker ist. Meinen Test an der „Bullenschleuse“ an der Dhünn hat er bestanden. Seine Givi Airflow-Scheibe fällt etwas aus dem Rahmen, aber die habe ich ja auch an der Versys.


    Irgendwann sitze ich im Zelt, da höre ich zwei Motorräder. Daraufhin ein Geräusch, als wäre ein reichlich schwerer Plastik-Gegenstand auf Beton gefallen. Ich eile herbei zwecks Hilfe und freudiger Begrüßung, aber der Koffer war schon aufgehoben. Samt der zugehörigen BMW, die hing noch dran, und ihr Seitenständer hat es sich noch mal anders überlegt, ob er komplett ausgeklappt ist. Dem Motorrad ist nix passiert außer Kratzer im Zylinderkopfdeckel, allerdings hing der Helm noch am Spiegel, und der war danach unten. Das Visier ist noch ganz, aber nach der Reise kann der neu. Oops! Im Aufheben haben die beiden auch schön Übung, gestern klappte Manuel beim Rangieren der Seitenständer ein. Dann war das jetzt sicher nur ein Zeichen der Solidarität. Das behalte ich mal im Hinterkopf, dann habe ich eine Ausrede, wenn es mich erwischen sollte. Bei all den langen Fahrten und vielen Stopps wäre es ein kleines Wunder, wenn überhaupt nichts passiert.


    Nach dem allgemeinem Begrüßen und Zeltaufbau stellen wir fest, dass niemand an Essenseinkauf gedacht hat, also gibt’s das Abendessen halt an der Zeltplatzbar. Das war sogar gut so, denn die ist bombastisch gut ausgebaut und wird auch von Nicht-Gästen gerne genutzt, z.B. einem Kindergeburtstag. Die Terrasse draußen hat einen genialen Ausblick über den See – sehr guter Einstieg in den Urlaub.



    Aussicht am See, geliefert wie bestellt


    Später am Abend lassen die Gäste noch Fackelballons aufsteigen. Sehr stimmungsvoll und echt entspannend. Weiter so und gute Nacht!

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  • Tag 12 Mo, 06.06. - Seen-Aosta


    Die erste Nacht im Zelt, und ich alter Morgenmuffel halte direkt man den Betrieb auf. Es meckert zwar keiner, aber etwas ungeduldig wirken M+M schon. Wir haben die daheim geplante Route heute morgen noch nachgewürzt mit Passknackerpunkten.


    Morgens machen wir erst etwas Strecke über Bundesstraßen, die aber auch gut bebaut sind. Weil wir hier nicht in Deutschland sind, gibt es praktisch keine Ampeln, und so kommt man trotzdem prima vorwärts. Dann durchschneidet unsere Route kurz die Schweiz, weil's gerade auf dem Weg lag, und wir füllen noch mal die Tanks.



    Die Schweiz: Tankstellen, Sportwagen, Ortsdurchfahrten


    Viele der Strecke heute sind eher so ganz kleines Kehrengestolper auf schlechten Strecken mit Kies drauf. Ein Teil der Route kommt mir bekannt vor von meiner Rüberreise 2015, damals vom Höhen- statt Kärntentreffen. Michael drängelt, da darf er gerne vor fahren, er hat anscheinend weniger Anhalteweg und mehr Sichtweite als ich. Endlich oben angekommen, finden wir eine ziemlich coole Kirche am gefühlten Ende der Welt. Das wollen wir als Passknackerpunkt vorschlagen, damit sich auch in Zukunft Motorradfahrer an dieser Aussicht (und evtl. sogar Strecke) erfreuen kann.



    Da muss man durch



    Und zwar dafür


    Der Profi nimmt die Müllcontainer am Straßenrand wahr und weiß, was das bedeutet: Da fährt also regelmäßig ein entsprechend großes Müllauto, dass einem auch mal entgegenkommen kann. Egal wie abgelegen eine Straße ist: Dass es sie überhaupt gibt, bedeutet in den Bergen dass sie auch gebraucht wird. Zumal wenn sie asphaltiert ist – denn dann wird sie auch unterhalten.


    Den Berg runter müssen wir durch eine Stadt. Für M+M ist es die erste große Ortsdurchfahrt in Italien, entsprechend verhalten gehen sie zu Werke, bzw. ich will sie auch nicht überfordern. Die Einheimischen zeigen aber, was auf zwei Rädern hier normal ist. Kaum anzunehmen, dass man in Deutschland so bis ans Fahrziel kommt, ohne verhaftet oder frustierten Autofahrern notgeschlachtet zu werden. Wie geplant nehmen wir die Fähre über den Lago Maggiore. Das bringt Erfrischung und eine prima Gelegenheit, ein Eis zu schlabbern, oder am persönlichen Sonnenbrand zu arbeiten.



    Danach wieder Stadtverkehr, M+M legen zu, fahren noch etwas ungelenk und deutsch, während die Einheimischen in Badelatschen an uns und allem anderen vorbei pfeiffen. Wir entdecken dank PK eine Mautstrecke zum Monte Mottarone (5.- pro Nase), die uns über eine recht übel holprige, aber einsame Strecke und eine schöne Aussicht auf zwei Seen beschert. Ansonsten stehen dekorative Tempo 30-Schilder rum. Interessant ist noch, dass die Mautstelle nur Besucher aus Richtung Osten abkassiert, von Westen darf man kostenlos und auf weit besser ausgebauten Strecken den Berg hoch, und zwar mit Aussicht. Wir bereuen nichts!



    Abfahrt Westseite



    Meine neue Digicam liefert eine erstaunliche Tiefenschärfe


    Da es langsam spät wird fahren wir nun direkt zum Aostatal, ohne Umwege über bzw. Abstecher in Pässe hinein. Die Route wird dadurch zweckmäßiger und so auch stärker von einheimischen genutzt (Pogno nach Donato direkt, aber ohne Autobahn), ohne jedoch durchgehend gut ausgebaut zu sein. Nach jedem Ort zweigt man ab, Breite und Zustand variieren. Damit muss man in Alpennähe einfach rechnen. Mir kommen einige Strecken sehr bekannt vor, ich bin hier definitiv letztes Jahr entlang gekommen.



    So sieht Strecke machen in Italien aus


    Im Aostatal angekommen vermeiden wir die Autobahn, da sie nur 20 Minuten sparen würde, aber auch etwa 20 Euro Maut kostet. Stattdessen geht es auf der Bundesstraße ziemlich zügig vorwärts. Wir schwimmen zunächst mit, hängen uns dann aber an ortskundige Motorradfahrer hinten dran. Da kann man echt noch was lernen. Ich musste selten vor Kreisverkehren so heftig bremsen.


    Als letzten PK nehmen wir den Col de St-Pantaléon. Der führt mit echt flüssiger Streckenführung rechtsab vom Aostatal auf immerhin 1650 m hoch, die Versys auf P1 singt das Lied des Schaltautomaten und eine Fazer muss ziemlich kämpfen um dran zu bleiben, weil ihr Fahrer das so möchte, während eine GS hinten dran klebt. 800 Meter vor der Passhöhe ist in meinen Spiegeln nix mehr zu sehen. Der war doch eben noch da? Warten. Warten. Verdammt, da gibt’s ein Problem. Umdrehen, zwei Motorräder parken, Manuel kniet und zeigt Daumen hoch. Sieht nach einem glimpflichen Sturz aus. Und ist auch einer. Sein Handy hat sich vor Todessehnsucht getrieben zu Boden gestürzt und Fazer samt Manuel mit ins Verderben gerissen und dabei noch Meterweise Asphalt in Kies verwandelt, auf dem die Fazer einfach ausrutschen MUSSTE. Auch der Schalthebel guckt danach irritiert und schamvoll nach innen. Gut, dass Michael einen universellen Zündkerzenstecker greifbar hat, der auch auf verbogene Schalthebel passt. Manuel hat Schrammen in der Jacke und sonst nix. Außer einem Handy mit gesprungenem Bildschirm, das sich im oberen Drittel nicht mehr drücken lässt – was ihn als Generation Y in eine schwere Krise stürzt, die sich auch durch das Mitführen von drei Kapuzenpullis für sechs Zeltübernachtungen nicht beheben lässt.


    Realistisch betrachtet hat er nach 9h Fahrzeit heute einfach mal die Konzentration nicht halten können, ist dafür zu schnell gefahren, hat dabei die Linie versaut und dann auf die Problemstelle „Kies“ gestarrt, statt auf den Ausweg. Und dann einen Sturz sehr glimpflich überstanden: Lieber Handy kaputt als Knie kaputt, lieber Schalthebel krumm als ab, lieber linke Seite als rechte (Auspuff). Schutzkleidung statt Schutzengel.


    Wir fahren danach nur noch den Berg runter und auf den Zeltplatz in Aosta, auch wenn er keinen besonders guten Eindruck macht. Die Rezeption ist nicht besetzt und wir fragen uns, ob er überhaupt offen hat. Wir stellen und also einfach irgendwo hin, finden den Betreiber, der hat aber wirklich keine Lust, sich um irgendwas zu kümmern, weil die Rezeption schließlich geschlossen hat, und auch einen Adapter für Strom rückt er nur unter Protest raus. Auch sauberere Waschhäuser habe ich schon gesehen. Dafür ist ein Supermarkt im Ort, Abendessen kommt vom Gaskocher, und schlafen kann man hier sehr gut.

  • Der Profi nimmt die Müllcontainer am Straßenrand wahr und weiß, was das bedeutet: Da fährt also regelmäßig ein entsprechend großes Müllauto


    Nicht nur Müllautos, auch Linien- und Rentnerbusse nutzen so Straßen, wobei Kategorie 1 fährt wie Sau und Kategorie 2 einfach nur doof im Weg rumeiert.


    An den Italenischen Fahrstil gewöhnt man sich schnell, davon wieder weg zu kommen ist viel schwerer :rolleyes:

  • Tag 13, Di 07.06. - Aosta, Bernhard, Madelaine, Galibier


    Die zweite Nacht im Zelt, der Zeltabbau geht heute schon schneller. Auch weil der Platz siffiger ist – man will weg. Ich bin trotzdem wieder letzter, weil ich morgens einfach massiv verpeilt bin, besonders weil die Abläufe noch nicht trainiert sind.


    Manuel braucht ganz dringend ein neues Handy, und in 1 km Entfernung ist ein Elektronikmarkt à la „bin doch nicht blöd“. Wir fahren gemeinsam hin. Es ist warm heute, schon früh. Ich parke in einer Lücke zwischen den Autos, M+M parken direkt vor dem Eingang auf der Fahrbahn hinter Autos und verschwinden in den Laden. Dieses Motiv wird sich noch einige Male wiederholen und führt bei mir zu Stirnrunzeln. Es wird heiß.


    Dann stelle ich fest, dass ich gerade mit unverriegeltem Topcase gefahren bin, und dass zwei Teile jetzt fehlen, die ich neben die Innentasche gequetscht habe: Eine Ratsche und ein flexibler Bügel. Beides nicht kriegsentscheidend, aber als Backup mitgebracht. Also nach Manuels gelungenem Handykauf nochmal zurück zum Zeltplatz und sorgfältig gucken – wahrscheinlich liegt das Zeug direkt auf dem Platz. Leider finden wir nur ein Teil, aber dann geht’s endlich ab, raus aus der schwül-heißen Hölle. Durch Aosta, am Euromaster vom letzten Jahr vorbei.


    Der kleine St. Bernhardtpass soll uns nach Frankreich führen, und der Colle San Carlo liegt genau am Weg dorthin. Da wir von einer angespannten Tankstellenversorgungslage gehört haben, tanken wir vorsichtshalber noch in Italien, auch wenn es teurer ist. Diese Tanke hat 8 Säulen, davon 4 Automaten und 4 mit Bedienung. Von der Bedienung ist nichts zu sehen, also drin bezahlen. Und zwar schlanke 12 ct pro Liter mehr als am Automaten. Aua.


    Der Colle San Carlo ist nicht zu verachten, den sollte man mitnehmen, mit 1957 m auch nicht gerade flach. Der kleine St. Bernhard ist echt nett zu fahren und unser erster Pass mit reichlich Schnee rechts und links und jenseits der Baumgrenze. Ab 1800 Meter habe ich es nicht mehr eilig. Auf der Passhöhe gibt es das obligatorische Foto, und dann eine schöne sonnige Pause mit Omelette, Coke, Sonnenstuhl und einem kleinem Französischtest, den wir meistern. Freundliches Personal.






    Rutschen klappt nicht so gut, aber ohne Membran in der Hose kühlt es das Gesäß


    Es folgt der Col de Tra (Notre Dame du Pré), ein wenig befahrener Pass mit engen Kehren, wo ich mal die Führung übernehme. Immer hinterherfahren macht mich müde, ich will meine Linien selbst wählen. Runterwärts klappt's dann auch mal mit der Raste auf einer Verwerfung. Schöner Meilenstein.



    Blumen säumen ihren Weg


    Dann das Tal entlang heizen auf Französisch – und immer mal drauf achten, wo die Einheimischen plötzlich doch aufs Tempolimit achten, z.B. im Tunnel. Es folgt der Col de la Madelaine. Den mag ich ja echt gerne und ich lasse es krachen. Ganz ehrlich, das war etwas wild. Auskeilendes Hinterrad beim Beibremsen an einem schnellen Knick, Warnschilder mit mehr Text als man im Vorbeifliegen lesen könnte, plötzlich Schotter unter den Rädern bei dreistelligem Tempo, da bleibt kein Auge trocken. Nebenbei natürlich noch alles mit zwei bis vier Rädern aufgeschnupft und oben für die Pofi-Photographen eine Extrarunde gedreht. Auf der Passhöhe wird also erst mal gründlich gerastet mit Eisbecher, Kakao und einer Ladepause für meine gesamte Elektronik – denn die Nacht zuvor hatten wir keinen Strom. Auch M+M sind beeindruckt von der Madelaine, zu deutsch übrigens Maria Magdalena. Als der Kellner M. um eine Zigarette anschnorrt, bekommt er die restliche Packung geschenkt. Wo soll er bis Schichtende auch Nachschub herbekommen? Feiner Zug.



    Leider zieht während der Pause Regen auf, und die Mitfahrer ziehen sich Regenkombis an. Ich weiß um die Hitze im Tal und nehme nur die Membran wieder rein. (Es ist überhaupt beeindruckend wie weit der angenehme Temperaturbereich hinter der Givi Airflow-Scheibe reicht). Runterwärts kommt tatsächlich Regen, aber nach 10 Minuten er wieder weg. Die Strecke ist in wechselhaftem Zustand, hinter jede Kehre lauerte eine neue Überraschung: Braune Spur in der Mitte? Rost? Öl? Mineralien? Lieber umfahren. Unten im Tal werden die Regenkombis gleich wieder ausgezogen, ich stehe so lange in der Sonne rum und beobachte die Show. Das halte ich aus, mit der feuchten Oberschicht entsteht Verdunstungskälte. Philosophische Frage: Ist man mit entnehmbarer Membran schon Teil der Motorrad-Oberschicht?


    Danach wird’s richtig hoch: Es folgen Col de Telegraph, Col de Galibier mit Abstecher zum Col de Lautrat und dann geht’s runter nach Briancon. Leider kommen zunehmend Regenschauer dazu, und so schlüpfen M+M bereits nass wieder in die Regenkombis. Ich ziehe immerhin die Jacke an als Kälteschutz. Die Passhöhe des Galibier ist leider noch gesperrt, wir müssen durch den Tunnel. Dabei gibt der nicht Passknacker-Punkte. Buh! Dann geht es weit und lange runter, der Regen hört irgendwann auf.





    In Briancon nieselt es noch und wir haben halb durchnässt und halb angekühlt irgendwie keine Lust auf Zelten. So wird es dann eine Hütte mit drei Schlafzimmern für 70 Euro. Internet kostet 3 Euro extra – wtf? Und dann auch nur ein Gerät gleichzeitig – WTF. Das ist meine erste Übernachtung in einer Hütte überhaupt. Wir haben tatsächlich drei getrennte Schlafzimmer für uns, ein Bad, ein getrenntes WC und ein Wohnzimmer mit Küche. Wow. Stellen aber drei Motorradfahrer ihre Sachen rein und hängen ihre nassen Klamotten über den Wäschetrockner, wird’s doch recht eng. Trotzdem, 70 Euro für 3 Leute ist nicht teuer, jeder Raum hat eine eigene Elektroheizung und man kann so lange warm duschen, wie man will. Den WLAN-Code reichen wir reihum, denn WLAN auf WLAN sharen kann keines unserer Geräte. Die Betten wirken etwas muffig, zwei von uns nutzen ihre Schlafsäcke. Nur ich will die Rolle nicht auseinanderbasteln und beziehe stattdessen das Kopfkissen mit einem T-Shirt. Läuse habe ich keine bekommen.


    Essen gehen wir heute mal zu Fuß, denn der Regen hat aufgehört und auf Motorradsachen hat gerade keiner Lust. Die 270 km heute haben echt Spaß gemacht und waren genau richtig von der Länge her. In den Tälern macht man gut Strecke und auf den Pässen erlebt man viel. Eine erfrischende Abwechslung zum „Kehren-Gestolper“ der letzten Tage und endlich richtig hohe Pässe mit richtig beeindruckenden Aussichten und den von mir geliebten Passhöhen. Zu essen finden wir Burger aus einem Bus-Restaurant für 10 Euro die Nase – nicht mal schlecht und wie gesagt zu Fuß zu erreichen. Danach basteln wir gemeinsam an einer von allen vertretbaren Formulierung der Ereignisse des Vortages und spielen mit Google rum: Man gibt „Warum...“-Sätze ein und erfreut sich an den Suchvorschlägen bzw. zweifelt an der Welt, denn die Suchvorschläge sind ja die am häufigsten eingegebenen Suchbegriffe. Mein Highlight bzw. Tiefpunkt: "Warum ist meine Freundin keine Jungfrau mehr?" Viel Spaß beim Nachmachen :)

  • Tag 14, Mi 08.06. - Izoardzu, Parapaillon, Moutieres, Bonette


    Morgens führt der erste Weg nach der erfrischend kurzen Einpackphase zum Supermarkt, wir decken uns zum Frühstück ein. Das wollen wir unterwegs genießen. Wir fahren heute im Wesentlichen die Route de Grande Alpes nach Süden, wir haben aber Abstecher eingebaut, teilweise auf Ratschlag des atypischen Motorradrentners (da Supermotoschinder) surfopi. Der erste Pass heute ist der Col d'Izoard. Den Weg rauf gibt es feinste Kurven und Kehren, gut einsehbar dank des deutlich gelichteten Waldes. Als besonders Service an meinen Mitfahrern fahre ich dermaßen viel Vorsprung raus, dass ich sie anschließend von weitem fotografieren kann.



    Michael



    Gute Laune am Col d'Izoard!


    Knapp hinter der Baumgrenze bremst uns ein Security-Mann aus mit einem „Route baree“-Schild: Die Straße ist wegen Filmaufnahmen geschlossen und wird erst um 11 Uhr wieder geöffnet. Es ist 10:15, da müssten wir 45 Minuten warten. Also fahren wir den Berg wieder runter bis zu ersten Parkbank und finden dann auch eine sehr schöne. Wir genießen also in aller Ruhe ein Frühstück in epischer Natur bei Sonnenschein (wahlweise mit Halbschatten) und haben es plötzlich gar nicht mehr eilig. Michael und ich legen noch Getränke zum Kühlen in einen Wasserstrom.


    Als gegen 11 Uhr die ersten Motorräder den Berg runter kommen, sind wir fast überrascht, so eine Ruhe haben wir gefunden. Wir machen uns langsam fertig und starten durch, doch stehen nur erneut vor dem Security-Mann und seinem Schild, sogar 500 Meter früher als vorher. Was ist denn nun? Straße geschlossen wegen Filmaufnahmen, es geht um 12 Uhr weiter. Es ist 11:15. Arghl! Hätte man ja gleich sagen können, dass danach gleich wieder gesperrt wird, wenn alle durch sind. Wir ärgern uns sehr. Unsere Optionen wären Einkehr ins Cafe Napoleon, Schräglagenposingfotos machen, warten, oder umfahren. Wir entschließen uns für die Umfahrung, spart zwar kaum Zeit, aber immerhin fahren wir den ganzen schönen Weg wieder runter und durch das Tal weiter. Den Izoard haben wir für den Rückweg eh noch geplant.


    Durch das Tal führt eine Bundesstraße, und hier lernen wir die französische Fahrweise kennen. Kurzum: Wir kommen sehr zügig und mit wenig Konflikten vorwärts, obwohl viel Autos unterwegs sind. Sehr angenehm. Manuel fährt vor und blüht sichtlich auf. Als Hinterherfahrer wundert man sich mitunter, macht das selbe aber sonst ja auch.


    Bald kommt der Abzweig zum Col de Vars. 2108 m hoch und sehr schick zu fahren. Ich erkenne ihn sogar wieder. Man fährt lange auf größer Höhe und genießt Aussicht, Streckenführung und Straßenzustand. Das gute Motorradfahrerleben.



    Auf der Südseite geht es auf besonderen Tipp von surfopi linksab die D25 hoch. Hier ist leider frischer Schotter auf der Straße, was mein Wohlfühltempo deutlich drückt und die GS im Rückspiegel nervös werden lässt. Das Ziel dieses Abstechers ist eine Brücke mit Hammeraussicht. Aber seht selbst:



    Das hat sich ja gelohnt! Wir machen Fotos und drehen um. Was es auf der anderen Seite gibt erfahren wir vielleicht ein andermal. Unser nächster Abstecher führt uns zum Tunnel de Parpaillon auf 2636 m. Der gehört zu einer über 100 Jahre alten Militärstraße, die nie asphaltiert war, aber immerhin noch gut in der Landschaft zu erkennen ist. Es geht 8 km auf Schotter den Berg hoch, am Tunneleingang lockt ein Passknackerpunkt. Manuel klinkt sich am Ende des Ashpalts aus, der Fazer will er das nicht antun. Michael ist Feuer und Flamme. Ich bin so in der Mitte. Dass Manuel bereit zum warten ist, eröffnet mir die Möglichkeit, mein Gepäck bei ihm zu lassen, denn mit traue ich mir das nicht zu. Auch Michael steigt auf die Idee ein und lässt alles zurück. So geht’s dann los.


    Zunächst führt ein 2 bis 4 Meter breiter Weg mit Schotter und Lehm und leichten Fahrspuren durch den Wald. Ab dieser Brücke wird es aber recht steil und immer mehr Steine zieren den Weg. Bald kommt noch laufendes Wasser dazu. Die Landschaft erinnert inzwischen an Schottland. Außer mir und Michael kein Mensch weit und breit zu sehen. Die totale Reiseenduroidylle, und die Versys ist mit dabei. Ich muss nur darauf achten, keinen großen Stein zu erwischen, denn der trifft bei der 650 als erstes den Ölfilter, und das wäre es dann gewesen. Versehentlich einen Meter zu weit links landen führt in den Abgrund, und das wäre es dann ebenfalls – auch wenn es nicht megasteil ist. Schwere Stellen sind dort, wo es nur Matsch gibt und Furchen – in einer davon halte ich an, weil ich ins Rutschen komme. Glücklicherweise kann ich aber einfach wieder anfahren.





    Michael ist klar schneller als ich, er kann schließlich bequem im Stehen fahren und hat sein Fahrwerk schnell mal auf „weich“ gestellt, während meines noch auf maximale Schräglagenfreiheit eingestellt ist. Das gibt dann zwar auch maximale Bodenfreiheit, aber dank maximaler Federvorspannung auch am wenigsten genutzten Federweg und damit ordentlich Prügel von unten. Tempo 25 reicht mir also. Michael behält mich aber im Auge. Diese Strecke sollte man nicht alleine fahren. Davon zeugt auch ein verlassener Jeep, der zwei Meter auf drei Rädern neben der Strecke im Hang gerade noch steht ohne abzurutschen. Da hat wohl jemand die Kehre enger nehmen wollen, womöglich bei Nebel, und ist ins Rutschen gekommen.




    Weiter oben am Berg ist Schnee zu sehen. Wir rätseln, ob wir es bis zum Tunnelportal schaffen können? Es wird kalt und Wolken ziehen auf. Regen können wir echt nicht gebrauchen. Langer Rede kurzer Sinn:



    Enduro fahren - dort stecken bleiben, wo andere nicht hinkommen.



    Die Versys guckt aus sicherer Entfernung zu.



    Und der Fahrer guckt Landschaft-


    An diesem Schneebrett ist Ende im Gelände. Wie wir später erfahren, waren wir nur noch eine Kehre vom Tunnelportal entfernt. Also zurück zu Manuel, der mittlerweile schon eine Stunde wartet. Den Berg runter zu fahren ist einfacher als rauf, weil man nicht abwürgen kann und nie am Berg anfahren muss. Der zweite Gang ist mir zu schnell, der erste zu nervös, also wird es der Leerlauf. Mit Motor aus hat man sogar gleichzeitig das ABS deaktiviert. Im unteren Teil kommt uns eine 1200 GS und eine KTM Adventure entgegen, die aber keinen Gesprächsbedarf anmelden. Viel Glück da oben! Zurück bei Manuel wird das Gepäck wieder verschnürt, und dann dürfen sich Moppeds und Fahrer erholen.



    Mein Motorrad ist dafür nicht gemacht, schlägt sich aber tapfer.



    Dieses Motorrad ist schon eher dafür gemacht, und daher ausnahmsweise mal prominent im Bild



    Aus Solidarität mit dem Gepäckbewacher zeigen wir hier ein Motorrad, das am wenigsten für die Strecke gemacht ist.


    Für uns geht es weiter zum Col de la Bonette, einem der höchsten Alpenpässe überhaupt. Die Extraschleife zum Cime de la Bonette (höchster Alpenpass) ist noch zu, aber der Col selbst ist offen – auch wenn die Schilder noch fehlen. Auf den letzten 200 Höhenmetern verjagen wir etwa ein Dutzend Murmeltiere von der Straße – ein weiteres bleibt einfach sitzen. Es gibt eben auch Tiere mit Gehörschäden. Auch der Col de la Moutière, ein Schotterpass ganz in der Nähe, ist wegen Schnee nicht zu befahren – genauer gesagt ist er unter dem Schnee nicht mal mehr zu sehen aber der ersten Kurven hinter der Abzweigung vom Bonette. Gut, dass wir zu Fuß vorgegangen sind. Auf der Südseite des Col de la Bonette wird es wieder heiß. Wir sind jetzt in Südfrankreich, auch wenn meine Mitfahrer eher Augen für die Kurven haben als für die Vegetation.



    Wer sein Mopped liebt, der... versucht nicht auf solchen Wegen (Col de la Moutière) zu wenden, sondern prüft die Befahrbarkeit zuvor zu Fuß.



    Schneewand heißt "hier ist noch nicht geräumt"



    Dann lieber gucken


    Inzwischen beginnt es zu nieseln. Wir suchen einen Zeltplatz, der in der Nacht möglichst wenig Regen abbekommen soll. Das wird dann heute „Camping de Lamitie Patricia“ in Touët-sur-Var (hat nichts mit Col de Vars zu tun). Der Weg dorthin ist noch mal arg lang, für mich eigentlich zu lang - ich habe mental schon geschlossen und konzentriere mich darauf, hinterher zu fahren und stelle irgendwann auch das Überholen von Autos ein. Die Offroadpiste und die Wegstücke mit Splitt drauf haben sehr an meiner Konzentrationsfähigkeit gezerrt. Der Zeltplatz ist etwas schrullig und von Zeltwiese weit entfernt, aber durchaus liebenswert und mit sehr leckerer Pizza im Restaurant.



    Der Untergrund ist nicht SO ideal zum Zelten


    Heute haben wir bombastische Sachen erlebt in den Alpen. Spätestens jetzt sind M+M ebenfalls mit dem Frankreich-Virus infiziert. Und damit meine ich nicht Toxoplasmose - denn das ist kein Virus, sondern ein Parasit! Und zwar einer, der in Frankreich sehr verbreitet ist und das menschliche Verhalten verändert, und zwar bei Männern und Frauen unterschiedlich. Ach, die Natur - man muss sie einfach lieben.

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  • Tag 15, Do 09.06. - Turini-Bunker-Braus-Schluchten


    Wir kommen recht früh in die Gänge, und das ist auch gut so, denn zum Start in den Tag fahren wir direkt erst mal wieder zurück zur Route de Grande Alpes, und zwar auf dem gleichen Weg. Der Umweg war der Wettervorhersage geschuldet, und tatsächlich kommen wir trocken los. Uns lockt als erstes Tageshighlight der Col de Turini mit der legendären Rallyestrecke, der für mich letztes Jahr leider wegen, genau, einer Rallye gesperrt war.



    So eine Anreisestrecke kann man ertragen



    Bionavi und Erkundekönner Manuel zeigt uns, wo's langgeht



    Atomkraft hat auch in Frankreich nicht nur Freunde


    Auf dem Weg dorthin liegt für uns noch der Col Saint Martin / La Colmiane, 1500 Meter hoch und mit gemischter mitteleuropäischer bzw. mediterraner Vegetation. Nett, aber haut einen nicht mehr um nach Galibier & Co. Ab zum Turini!



    Irgendwo in Südfrankreich, und irgendwie auch überall in Südfrankreich


    Probleme mit einer Sperrung haben wir heute nicht, aber nach den ersten Kurven ist erst mal nichts mehr in meinen Spiegeln zu sehen. Warten hilft auch nicht. Da wird doch nicht schon wieder...? Nein, es hatte nur jemand einen Rutscher und hat danach seinen Reifendruck geprüft. Es ist alles in Ordnung, nur Asphalt ist halt nicht gleich Asphalt. Davon sollte man auswärts eh nie ausgehen, im Ausland 2x nicht und in den Alpen 3x nicht.


    Der Col de Turini ist eher flüssig zu fahren und hat wenig Kehren. Das gefällt mir. Leider ist die Straße auch schmal, und man sieht wegen des Berges am Straßenrand kaum, ob einem jemand entgegenkommt. Als Randsicherung dient ein 10 cm hoher Randstein. Gut, daran verletzt man sich im Fall eines Falles wenigstens nicht – das rettet also ein paar Sekunden Lebenszeit. Ich lasse es im Rahmen des Vertretbaren fliegen und habe großen Spaß. Auf der ganzen Strecke war kein anderer Verkehr zu erkennen – das Privileg des frühen Starts. Auf der Passhöhe gibt’s drei Paar leuchtende Augen, das Beweisfoto, und dann will ich Schoki und Eis in einem der Cafes auf der Passhöhe. Wir sind zwar fast in Italien, aber leider ist die heiße Schokolade auch hier flüssig. Dafür kriegen M+M ihren morgendlichen Koffein-Schub.




    Auf besonderen Tipp von surfopi fahren wir von der Passhöhe aus einen Abzweig weiter den Berg hinauf, und zwar auf die sog. Bunkerrunde. Das ist eine ca. 10 km lange einspurige Schleife, Einbahnstraße, schlecht unterhalten, die bergseitig diverse Festungsanlagen in diversen Stadien der Verrottung bietet und talseitig eine tolle Aussicht nach der nächsten – mutmaßlich, wir sehen leider nur auf Wolken. Es geht von 1607 Meter der Passhöhe bis auf 2028 Meter hoch. Interessante Erfahrung, kann ich weiterempfehlen. Das Wetter zieht derweil zu. Die Runde hier sollte ein Passknackerpunkt werden. Nicht das davon zu wenig gäbe - es liegen bereits 60 PK-Punkte in 50 km rund um den Col de Turini. Hier geht was! Tolle Gegend zum Motorradfahren.



    Gutschein über eine Aussicht!



    Ruinen



    Wracks



    Wir



    Aah, Aussicht, aber nur nach innen


    Den Runter geht wegen der Bewaldung mit wenig Sicht den Berg hinab, weiter Richtung Süden. Der Straßenbelag kommt mir irgendwie fragwürdig vor, ich habe kein Feedback vom Vorderreifen mehr. Michael fährt daher vor, ihm scheint es besser zu ergehen. Nach anfänglichem Waldabschnitten wird die Straße immer besser ausgebaut, und führt schließlich über an den Berg gemauerte Serpentinen den Hang entlang ins Tal. Auch die Wolken sind weg und die Sonne knallt. Motorradfahren in Südeuropa – Wunderschön!



    Am Col de Turini abwärts geht's aufwärts mit der Laune



    Sieht auch von der Seite top aus


    Dann geht es etwas das enge Tal entlang und dann schließlich bei bestem Wetter den Col de Braus hoch – in einer dem Begriff angemessenen Fahrweise hinter Manuel her. Oben sind wir alle sehr happy :)



    Braus-R-Us


    Leider liefert mein Vorderreifen auch hier wieder sehr merkwürdiges Feedback, als wäre er bei Allerweltsschräglage schon kurz vorm einklappen. Unschön! Ein genauer Blick aufs Profil zeigt das Problem an: Mittig ist noch Fleisch drauf, aber sonst nicht. Diagnose: Vorderreifen zu spitz gefahren. Darum fühlt er sich kippelig an, er will direkt in die größere Schräglage. Reifen kaputt gefahren in 9 Tage? Einen Tourenreifen? Das ist neuer Rekord für mich. Ich nehme mir vor, noch brutaler anzubremsen, um das überschüssige mittige Profil zu vernichten, und nicht mehr vorne in die Kurven reinzubremsen, auch dass der Querschnitt wieder rund werden möge.


    Dann ist auch schon wieder Strecke machen angesagt. Die Strecke führt durch beginnende Mittelmeer-Besiedlung hindurch, wir überqueren den Col de Chateauneuf (626 m), der als erster mir bekannter Pass NICHT bei Passknacker eingetragen ist, und es wird warm. Manuel zieht sein Halstuch aus und bekommt zur Strafe keine 5 Minuten später ein Insekt gegen den Hals gehämmert, das auch direkt in den Hals sticht. Wir halten an, er hat Schmerzen, fummelt am Kragen – dann kriecht ein große Wespe oder Hornisse aus dem Kragen raus! NOPE! Die fliegt zum Glück weg, Manuel will nicht ins Krankenhaus, also fahren wir weiter. Zwischendurch erwischen wir leider einen Schauer, aber nichts, wobei einem wirklich kalt werden würde. Selbst gerade aus ist noch schön.



    Erstaunlich, dass die Gopro auch bei „ich bin hier nur auf der Durchreise“-Tempo noch so scharfe Fotos macht


    Immerhin führt uns die Strecke nicht nur wieder am morgendlichen Zeltplatz vorbei, sondern auch durch diese roten Schluchten (Gorges de Daluis), in denen ich irgendwie jedes Jahr lande. Was mir durchaus recht ist.



    Schön Aussichten



    Platzsparend parken, denn Platz ist nicht viel. Hier nicht zu halten, wäre ein Verbrechen....



    … an dieser legendären Brücke, wo sich einst eine unglückliche Braut zu Tode stürzte.



    In manchen Ländern kann man in den Knast kommen, wenn man eine Ampel nicht beachtet. In Frankreich ist es anscheinend umgekehrt.


    Unser Nachtlager wird heute der letzten Zeltplatz kurz vorm Col des Champs, nämlich den Camping-Gites Le Prieuré. Der ist günstig und idyllisch gelegen mit Aussicht auf ein weitgehend trockenes, aber sehr breites Flussbett und natürlich Berge. Als besondere Herausforderung nervt uns eine Katze beim Abendessen – sie will unbedingt was ab. Als letztes Mittel zum Verjagen hilft nur noch Wasser – aber sie kommt immer wieder. Ist die vergesslich? Erst beim Ortswechsel zur Terrasse am Haupthaus stellen wir fest, dass es mehrere Katzen sind – die waren wohl der Reihe nach bei uns.



    Wenn ich Terrasse sage, meine ich diese Terrasse.


    Mit der Dunkelheit kommt die Kälte, endlich mal eine arschkalte Nacht, ich dachte schon, ich wäre gar nicht richtig in Frankreich, und die zweite Isomatte ist endlich zu etwas gut. Ich stelle schnell fest, dass weniger kalt schlafen trotzdem angenehmer wäre.


    Handyempfang gibt es hier am Ende der Welt quasi nicht, und ein WLAN zwar schon, aber keine Zugangscodes für Kunden. Dass überlässt der Betreiber des Zeltplatzes dem Betreiber des Hotspots, und das ist Orange Telecom. Die haben Vereinbarungen mit vielen Handyanbietern weltweit, ihre Kunden gegenseitig in ihre WLANs zu lassen, aber leider habe ich die Zugangsdaten dazu nicht zur Hand, und mangels Handynetz kann ich sie auch nicht online abrufen. Auch der Wirt ist nicht hilfsbereit. Man kann auch Pässe an der Paywall des WLANs mit Kreditkarte kaufen, eine Stunde 4,50 Euro oder 10 Euro für 3 Stunden – aber nur ein Gerät, klar. Nein, danke. Immerhin haben wir Strom.


    Achja, und die Katzen kriechen um die Zelte, stolpern über Seile und eine tippt auch gegen meine Füße, als ich damit das Außenzelt berühre. Nicht hilfreich beim einschlafen, aber immerhin nützlich um zu merken, dass man die Füße besser einziehen sollte, wenn man nicht will, dass sie nass werden.

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  • Tag 16, Fr 10.06. - Champs, Allons, Vars, Izoard, Galibier, Telegraphe


    Heute geht es in einem Rutsch nach Norden. Ja, das ist der Beginn der Rückreise. Ich halte mir als Luxus den Sonntag frei, sprich, ich will schon Samstag daheim sein. M+M wollen Samstag noch einen schönen Fahrtag in den Vogesen machen und Sonntag heim. Immerhin ist heute Kaiserwetter.


    Mit dem Zeltplatz direkt am Pass hat man das Privileg, sehr früh am Pass zu sein, heute also am dem Col de Champs. Den Tag direkt mit einem Pass zu beginnen ist echt erhebend. Sehr empfehlenswert! Morgens findet man allerdings auch Murmeltiere und die Steinabgänge der letzten Nacht. Ich halte an, um einen besonders dicken Stein wegzuräumen, der sonst einen Motorradfahrer bergab in einer blinden Rechtskurve überrascht hätte. Damit wäre die gute Tag des Tages abgehakt und ich kann mich wieder dem fröhlichen Pässeblasen widmen. Der Col de Champs war mir kein Begriff, hat aber sehr epische Aussichten an der Südostseite und ordentlich Straßenbreite und -zustand. Mit 2045 m auch nicht flach. Wir zwar nicht ganz die ersten, aber hey. Das alles bei Sonnenschein.



    schöne Aussicht



    kleine Rast



    Blahwas Express Fotoservice


    Guter Start in den Tag. An der Nordwestseite fährt man dann durch den Wald, die Strecke wird holprig und enger, und man fährt teilweise über Ablaufrinnen – wo ich jedesmal meine Packrolle in den Rücken gehämmert bekomme. Da darf gerne Michael vor fahren, der längs mehr Platz auf seiner Großenduro hat.


    Unten im Dorf Colmars ist eine für Manuel besonders interessante Tankstelle, denn die nächste käme erst in 80 km. Außerdem ist hier Markt, wir decken uns zum Frühstück ein. Am Rande einer Wiese mit Spielplatz finden wir Bänke, wo wir dann auch gleich unser Frühstück verzehren. Sehr gute Laune heute!


    Danach geht es etwas nördlich zum nächsten Pass, dem Col d'Allons (2247 m), der nur ein Auto breit ist, und wo ein K1600GT-Fahrer mit umherfotografierender Sozia so lange so tut als wäre ich nicht hinter ihm, bis ich mal kräftig den Motor aufheulen lasse - da zuckt er zusammen. War er womöglich tatsächlich so blind, mich und die anderen beiden hinter ihm nicht gesehen zu haben, statt nur so getan zu haben? Und das mit französischem Nummernschild... Immerhin lässt er mich jetzt durch. An der Passhöhe geht man sich aus dem Weg und wir genießen die Aussichten getrennt.



    Und dann parkt der auch nicht in der Aussicht...!


    Nach der Abfahrt wird wieder etwas Strecke gemacht, durchs Tal nordwärts durch Barcelonette, wieder über den Col du Vars (2108 m), dort rasten wir auf ein Eis (3,60 Euro), ...



    Hier kann man's aushalten.


    und schon sind wir wieder auf die Route de Grande Alpes und fahren den Col d'Izoard hoch – hoffentlich heute mal offen. Jawoll! Hier ist es echt noch ein Stück schöner als auf allen anderen Pässen, die Strecke noch abwechslungsreicher. 2360 m sind auch nicht zu verachten.



    Aussicht mit schöner (ja!) Versys



    Siegerpose


    Auf der Abfahrt macht Michael Posingfotos von uns. Die müsst ihr euch jetzt leider anschauen.



    Whiteknight?



    Synchronposen



    Extragrip dank Zylinderschleifer


    Irgendwann habe ich genug und mache Pippipause. Bei der Hitze heute trinke ich wieder mal wie ein Loch. Kaum bin ich aus dem Gebüsch zurück am Motorrad, schon stehen da zwei weitere und quatschen mich an: Spontanes MO24-Treffen! Hackstueck und Standard94 sind gerade auf der Durchreise von Nord nach Süd, Hackstueck ist meine Versys aufgefallen. Großes Hallo und fleißiger Austausch, dann erscheinen auch mal M+M, die inzwischen mit Posen fertig sind, mich vermissen, und es wird ein Fünfer-Treff.



    Einfach mal 1000 km von daheim zufällig Internetbekannte treffen :)


    Leider fahren wir in verschiedene Richtungen, sonst hätte man das noch vertiefen können. Aber cool, sich einfach so so weit ab der Heimat zu treffen! Den Reisebericht von Hackstueck und Standard94 gibt übrigens hier zu lesen.


    Als wir gerade starten wollen ziehen vier Power-Naked-Premium Bikes vorbei, BMW S1000R und sowas, Fahrer in Leder, turnen in jeder Kurve rum, kein Gepäck dran. Mal gucken was da geht! Aufholen geht nur schwerlich, aber dranbleiben geht. Mit einer vollgepackten Versys 650. Kleines Erfolgserlebnis zwischendurch ;)


    Als nächstes auf der Route fahren wir den Galibier hoch, mit dem haben wir auch noch ein Hühnchen zu rupfen. Wir haben Glück – die Passhöhe ist inzwischen geräumt. Statt durch den Tunnel fahren zu müssen erleben wir die erhabene Passhöhe (2642 m). Die völlig verstopft mit Sportwagen ist. Beim Beweisfoto kommt der Verkehr endgültig zum Erliegen, aber wer's eilig hat, nimmt eh den Tunnel.



    Viel schöner wird's nicht...



    Viel cooler auch nicht!



    Und Motorradfahren kann man hier auch prima.


    Bergab genießen wir noch Panorama und überqueren den Col de Telegraphe (1566 m) erneut, wo wir auf der Passhöhe eine kurze Pause machen. Eine große Gruppe Schweizer Motorradfahrer bzw. Motorradfahranfänger mit roten Neonhelmen haben wir bisher geschickt umgehen können – bisher im ganzen Frankreich-Abschnitt noch kein Stress mit Gruppenüberholmanövern. Dann kommen zwei Französische Supermotos an, KTM 690 SMC R und Husqvarna 701 SM, Fahrer in Lederkombis, null Gepäck, halten kurz, quatschen miteinander, anscheinend haben sie gerade etwas sehr heiteres erlebt. Dann zieht die Schweizer Gruppe vorbei, und die beiden flippen vor Freude fast aus. Gegenseitiges Annicken, und dann geht’s wieder los für die zwei. Und ich war nicht dabei. Anfänger ärgern ist ja an sich uncool, aber Schweizer und Premiumbiker ärgern wiederum irgendwie cool. Supermoto fahren ist cool, Pässefahren ist cool, Supermoto auf Pässen fahren ist vermutlich mit Sex nicht zu ersetzen, und wenn man dabei noch Schweizer Premiumbiker ärgert, wer bin ich, mich darüber zu mokieren? Wir lassen den Schweizern Vorsprung und starten 5 Minuten später. Ein Münchener Premiumbiker ist von der rechten Seitenansicht meiner Versys sehr fasziniert, vielleicht versucht er die Fußraste von der Seite zu fokussieren. Das ist nicht so einfach, denn wäre sie nicht einklappbar, würde sie als feststehende Klinge in manchen Ländern unter irgendein Waffengesetz fallen. (Außerdem wäre ich dann vermutlich schon lange tot.)


    Nun lautet unser Tagesbefehl: Strecke machen nordwärts! So können M+M morgen noch Vogesen fahren, und ich habe es weniger weit nach Hause. Es wird dann ein Zeltplatz an einem See zwischen Grenoble und Annecy, der mit vier Sternen ausgezeichnet ist. Als wir um 18:20 ankommen, ist die Schranke schon zu, wie kommen wir denn jetzt rein? Eine Frau auf einem Fahrrad spricht uns an, sie arbeitet hier und wir gehen den Anmeldeprozess durch. Eigentlich wollten wir eine Hütte für drei oder einen Wohnwagen zur Feier des Tages, und weil Regen angesagt ist, aber wir bekommen nichts – es ist schon ausgebucht. Es fällt mir etwas schwer das zu glauben, aber wir nehmen es hin und bleiben hier. Mit drei Zelten müssen wir für zwei Parzellen bezahlen, obwohl auf einer reichlich Platz wäre. Ich habe den Eindruck, wir sind nicht wirklich willkommen. Auch der verdichtete Boden ist selbst mit Hartbodennägeln und einem dicken Stein schwer zu bezwingen – Zelte sind hier wohl nicht Hauptklientel. Immerhin gibt es in der Nähe die Möglichkeit essen zu gehen. Nach dem Zeltaufbau bekomme ich noch eine Duschmarke geschenkt, die ich benutze zur Feier des Tages, und dann ziehen wir also los. Im Pizza-Restaurant in 10 Minuten Fußentfernung ist man gerade am saubermachen, obwohl der Laden eigentlich noch 45 Minuten offen haben sollte. Gäste sind auch keine da. Wir ziehen weiter und finden ein uriges Restaurant an der Hauptstraße mit reichlich Franzosen drin. Es spricht niemand Englisch, das macht aber nichts, wir können inzwischen halbwegs funktionales Touristenfranzösisch und die Karte ist mehrsprachig. Außerdem läuft Fußball EM! Frankreich gegen Rumänien. Der Laden ist einigermaßen voll, wir sind die einzigen Ausländer, manche haben die Nationalfarben ins Gesicht gemalt, aber besonderen Aufstand wegen des Spiels macht niemand. Bei Toren Frankreichs klatschen wir mit, gesungen wir in Summe eine Minute, am Ende gewinnt Frankreich – und das Essen schmeckt richtig gut. Auch das Bier rinnt die Kehlen runter, heute mal pur für mich, es war kein Radler zu kriegen.



    Lecker!


    Zurück am Zeltplatz schleppen wir eine Bank zu den Zelten und sichten wir die Fotos aus den Digicams, Handies und meiner Gopro mittels Laptop – gerade letztere sorgt immer wieder für Erheiterung, etwa einmal am Tag wird jemand beim Erleichtern erwischt :) Dann geht’s ab ins Zelt und Gute Nacht!

    Einmal editiert, zuletzt von blahwas ()

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