Stella Alpina und rund um Grenoble

  • Eine Woche um Grenoble


    "Will jemand zur Stella Alpina?“ schreibt einer in der Whatsapp-Gruppe. Dumme Frage: Ja, ich will! Und zwar schon lange, aber jetzt habe ich endlich genug Urlaub dank 90% Teilzeit = 52 Urlaubstagen im Jahr. Ein Campingplatz ist schnell gefunden (Camping de Ser-Sirant bei Saint-Théoffrey auf ca. 940 Höhenmetern, 20 km südlich von Grenoble), Anreise per Anhänger ist ebenfalls klar, und dann kommt auch noch ein Dritter dazu. Somit sind Michael „BDR529“ auf R1200GS und Sebastian „Tremor“ auf KTM 690 SMC-R dabei.


    Jetzt kommt viel Technikkram, der vielleicht nicht jeden interessiert, daher zum Aufklappen:


    Langer Rede kurzer Sinn: Ich muss diesen Urlaub wohl ohne Schaltautomat auskommen, habe aber mein eigenes Motorrad unter dem Hintern, also mit meinem Navi, meiner Sitzbank, meinem Lenker und von mir ausgewählten und angefahrenen Reifen (S21 vorne, BT016 Pro hinten). Und ich bin heute nicht mal spät dran.


    Also ab nach Hause, packen, packen, packen und ab zu Michael, eine Stunde Autobahn, dort auf den Hänger aufladen, Gepäck im Auto verstauen und dann Autobahn, Autobahn, Autobahn durch die Nacht. Es fällt uns mal wieder auf, wie wenig Baustellen es auf französischen Autobahnen gibt. Wir sehen insgesamt zwei. Auf meinem Weg zu Michael (eine Stunde) habe ich bestimmt zehn gesehen, und bei acht davon könnte ich nicht sagen, dass sich die letzten sechs Monate dort irgendwas verändert hätte. Dafür kosten die ca. 600 km französische Autobahn aber auch an die 40 Euro Maut (pro Strecke).


    Wir passieren morgens gegen 10 Grenoble und machen noch einen Stopp bei Decathlon, wenn der schon am Weg liegt. Wir kommen schließlich Freitagmittag ohne Probleme am Campingplatz „Camping de Ser-Sirant“ nahe Laffrey an. Er liegt unglaublich idyllisch an einem großen See, 20 km südlich von Grenoble auf einer Hochebene, hat ein Restaurant und ein Waschhaus mit allem Komfort. Durch die Lage auf der Hochebene mit einem See ist das Klima sehr angenehm und weder nachts besonders kalt noch tagsüber besonders heiß. Das ist für mich das erste Mal zelten, wo das Zelt morgens trocken ist.


    Ob man nach einer bis auf 2-3 Stunden Halbschlaf durchfahrenen Nacht Motorrad fahren sollte, darüber lässt sich streiten. Ich fühle mich relativ fit und habe unglaublich Bock auf Bike, also fahre ich auch als Probefahrt zum ersten Passknackerpunkt, der gerade mal 2 Kilometer entfernt ist. Dabei stelle ich wieder mal fest, dass man die Spiegel und den Tacho putzen sollte, wenn man das Motorrad zuvor stundenlang rückwärts über die Autobahn gezogen hat. Außerdem probiere ich noch die Kurvenstrecke ins Tal runter aus, was mich zur Erkenntnis bringt, dass ich Vertrauen in mein Motorrad habe. Die Erfahrung mit den rührenden Reifen in den Pyrenäen hatte mich verunsichert. Die T30 Evo hatten zwar noch Profil, fühlten sich aber an als würde man andauernd auf Längsrillen fahren. Das Vertrauen ist jetzt wieder da, auch wenn die Kette anscheinend immer noch gegen Auspuff schlägt, zumindest klackert es manchmal, aber das kann man vielleicht noch einstellen. Auch die überholte Gabel und die Abwesenheit von Kühlwasser auf meinem rechten Stiefel geben Vertrauen. Und das werde ich ob der zu erwartenden Kurvenorgie brauchen.



    Probefahrt zum (wenig nützlichen) Col des Creys, 1090 m



    Aussicht auf den Grand Lac de Laffrey, an dem unser Campingplatz liegt (links) und Lac de Pétichet (rechts). Den Berg im Hintergrund könnte man vielleicht auch befahren…?


    Als Sebastian gegen Abend ankommt und mit Aufbau fertig ist diskutieren wir den nächsten Tag. Stella Alpina ist gesetzt – das höchste Motorradtreffen in den Alpen. Besuchen ganz klar JA - aber dort wirklich übernachten? Zelte abbauen, Gepäck spazieren fahren, Zelte aufbauen, campen auf 2100 Höhenmeter, Zelte abbauen, Gepäck spazieren fahren, Zelte aufbauen? Eher nein. Nein? Nein. Damit kann ich dann auch lästiges Rohrwerk von der Versys schrauben und ein paar Kilo leichter die Pässe stürmen. Macht objektiv gesehen vielleicht wenig Sinn, ist aber mein Hobby. Anschließend wird im überraschenderweise relativ warmen See gebadet, dünnes Zeug gequasselt und die Anreise zur Stella Alpina geplant. Darauf habe ich mich schon lange gefreut, entsprechend gehe ich mit einem Grinsen zu Bette.


    Ein Hinweis in eigener Sache: Leider werden die Bilder hier bei MO24 stark verkleinert abgebildet. Dieser Bericht lebt auch von den Bildern. Ich investiere auch viel Zeit in die Bilder. Wer die Bilder in voller Pracht (1200px Breite) sehen will, kann sich den gleichen Bericht im Versysforum auch (ohne Anmeldung) ansehen: Link. Ein entsprechender Hinweis an die Boardleitung hier ist anhängig.

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  • Sa, 8.6. - Stella Alpina
    Teil 1: Anreise


    Es sind 310 km Asphalt bis zur Stella Alpina, und dann noch mal 30 km unbefestigter Weg rauf und wieder runter. Also ist frühes Aufstehen angesagt: 7 Uhr aufstehen, 8 Uhr abfahren war angesagt. Erst um 7:45 krieche ich aus dem Zelt und sehe einen Michael, der das gleiche parallel macht. Von Sebastian ist nichts zu sehen. Das Gute daran: Wenn alle verpennen ist keiner Schuld. Es sind 30° und Gewitter angesagt, also trägt man das dünne Zeug und hat die Regenkombi dabei - ich habe zusätzlich noch eine Membran dabei. Unsere Route führt uns über den Col de Lautaret, ...




    ... den Col de Galibier und den Col du Telegraphe - somit einen Teil der klassischen Route des Grande Alpes, der vielleicht schönsten Motorradstrecke überhaupt, und zwar sowohl fahrerisch als auch von der Aussicht her, ohne je eintönig zu werden. Dazu kann man kaum noch etwas Neues schreiben, also sollen hier die Bilder sprechen.






    Den Galibier runter habe ich eine kleine Schrecksekunde, weil mein Hinterreifen eigene Wege gehen möchte. Ist ja klar, der ist sauer, dass er auf der Passhöhe 10 Minuten im kalten stehen musste. Einfangen und weiter geht’s. Auf dem Telegraphe habe ich eine kleine Schrecksekunde, weil ich vor einer Rechtskurve noch einen langsamen Radfahrer überholen möchte. Kein Problem, in meiner Spur ist reichlich Platz dafür. Ein entgegenkommender Motorradfahrer hat diesen Platz allerdings bereits für sich reserviert, weil er dringend am Kurvenausgang ein Auto überholen muss und wohl erwartet, dass ich dafür äußert rechts fahre – "meinen" Radfahrer hat er vermutlich übersehen. So muss ich bremsen und fahre etwas Schlangenlinientango und näher am Radfahrer vorbei, als es ihm vermutlich lieb war - es ist aber nix passiert. Von Michael (hinter mir) erfahre ich aber, dass er Entgegenkommende ziemlich schnell blass wurde. Ich war mehr mit Reagieren befasst als mit dem Ändern meines Gemütszustandes. Völlige Anteilslosigkeit im Auge des Sturms zeichnet den Könner aus.


    Den Telegraphe abwärts kommen uns zunehmend organisiert wirkende Radfahrer entgegen, mit Begleitfahrzeugen, u.a. ein Motorradpolizist auf FJR1300 mit Trillerpfeiffe, der uns bedeutet, langsam zu fahren. Das machen wir dann natürlich auch - bis wir außer Sichtweite sind. In Gegenrichtung stapeln sich derweil die Autos, Busse und Wohnmobile. Ist halt Juli und Wochenende – aber scheinbar nicht für uns, zumindest ist es gut dass wir in die andere Richtung unbehelligt fahren können. Die Krönung ist dann schließlich ein Krankenfahrstuhl in Fahrbahnmitte, inklusive Fahrer mit Sauerstoffmaske. Ich finde es ja gut, dass er das macht, aber vielleicht müsste das nicht am Wochenende sein, und vielleicht könnte man dabei rechts fahren und jeden Parkplatz nutzen, bis die Schlange hinter einem durch ist. Aber das geht mich nichts an.


    Mich irritiert eher der Motorradpolizist, der mir auf der folgenden Hauptstrecke Richtung Italien auf seiner Spur entgegen kommt, besonders wegen der durchgezogenen Linie rechts zu den langsamen Autos in meiner Fahrtrichtung. Ich irritiere ihn aber anscheinend nicht so sehr. Wir zucken beide kurz zusammen und wir fahren ohne weiteren Austausch von Höflichkeiten unserer Wege.


    Mein Navi leitet uns über einen Tunnel nach Italien hinein. Dieser ist anscheinend mautpflichtig, was erklären könnte, warum Michaels OSMand-Navi da nicht entlang fahren wollte. Überhaupt ist die abweichende Planung unserer Geräte zwischen Passknackerpunkten (daraus bauen wir unsere Routen auf) ein beliebtes Motiv der folgenden Tage. Ich bin mir bis zum Ende nicht sicher, ob er das alles ernst meint. Jedenfalls stehen wir ziemlich lange in der Schlange am Mauthäuschen und als wir zu dritt an der Schranke stehen trifft uns der Schlag: 28 Euro. Ganz schön teuer für drei Motorräder. Nee - pro Motorrad! Aua! Hätten wir das gewusst, wären wir einen anderen Weg gefahren. Dafür kann man aber auch erwarten, dass der Tunnel klimatisiert ist. Das war er dann auch, allerdings nicht in der Mitte. Ich finde zunächst, die sollten uns deshalb mindestens je 10 Euro erstatten. Andererseits sind 2005 bei einem Feuer hier 2 Menschen gestorben, also halten wir den Ball flach. Als wir wieder im Licht sind, geht es unmittelbar hinter dem Tunnelausgang scharf rechts zur Stella Alpina.

  • Teil 2: Aufstieg und Fall


    Es folgen ein paar Kilometer enge Kurvenstrecke durch den Wald, die dann zu Schotter und schließlich zu Sand/Staub werden. Ganz schön staubig, denke ich mir so - ich hatte ja keine Ahnung, was uns noch erwarten würde! In irgendeiner Kehre halte ich und reduziere die Federbeinvorspanung - Schräglagenfreiheit brauche ich hier nicht, hier ist Ansprechverhalten gefragt. Etwas "längere Beine" schaden vielleicht auch nicht. Außerdem drehe ich das Standgas hoch - so geht die Maschine nicht so leicht versehentlich aus, wenn ich um die Kehren eiere. Da die Versys ohnehin schon ab Werk verhältnismäßig kurz übersetzt ist, kann ich jetzt sicher und gemütlich im 1. oder sogar 2. Gang bei Standgas ohne Kupplung die Kehren hoch tuckern, vielleicht sogar noch mit etwas Hinterradbremse dazu. Manche Premium Biker auf Testsiegern ab 1000 ccm sind dagegen in Kehren mit durchgehend schleifender Kupplung unterwegs und entsprechend ermüdet bzw. fehleranfällig.


    Wir passieren einen Stausee und die Bäume weichen. Rundum Natur, viel Grün bei eitel Sonnenschein. Die Bergkämme machen mehrere Kurven, so hat man immer wieder neue Aussichten. Nach einigen Kilometern erreichen wir ein Bierzelt, 20 Motorräder und 10 Zelte. Michael hält und ist ganz aus dem Häuschen wie geil das hier ist. Sebastian und ich schmunzeln etwas. Manche lesen sich halt vor der Reise ein: Das hier ist nicht das Treffen, der Zeltplatz ist viel weiter oben, ganz zu schweigen vom Pass. "Und warum halten wir dann hier?" fragt er, mehr sich selbst. Damit ich hier einen Hamburger mampfen kann, zum Beispiel. Und zwei T-Shirts vom Treffen wechseln den Besitzer - ist ja für einen guten Zweck. Die Besucher sind übrigens zu 80% Italiener, 10% Deutsche (darunter auch ein "Mein Haus, meine Frau, meine 1100-Euro-Jacke"), und der Rest Franzosen und Briten. Dazu ein Ire, und - ganz wichtig - fast keine Holländer ;)


    Wir fahren dann mal den Pass hoch - es hat uns noch keiner gesagt, ob er frei ist. Der Col de Sommeiller ist 2996 Meter hoch und damit einigermaßen "schneesicher" - die Auffahrt gelingt nicht jedes Jahr. Zunächst geht es sandige Kehren hoch, dann einen steinigen Weg, der mal mehr, mal weniger steil ist. Man umkurvt mehrere Berge und arbeitet sich ein immer schmaler werdendes Tal entlang. Echt sehenswerte Aussichten, die wir uns aber für den Abstieg aufheben. Wir sind ziemlich früh dran, darum ist wenig Verkehr. Manche sind noch langsamer als wir, andere schneller – besonders die mit Stollen, und von denen besonders die mit ohne Nummernschild. Sehr rücksichtsvoll sind alle. Jeder ist froh, hier sein zu können.


    Bald kommt Schnee dazu. Es sieht so aus, als wäre geräumt worden, die Schneewände sind ein bis zwei Meter hoch. Dass hier systematisch geräumt wird war mir neu. Ganz oben kommt Tauwasser auf Staubboden, gibt in Summe: Matsch. Der ist glitschig, aber den überstehen wir. Dafür haben Sebastian und Michael zuvor bereits im Staub Bodenproben entnommen. Michael hält am um zu gucken wo wir bleiben, guckt aber nicht wo er seinen Fuß hinsetzt – und der landet dann im Nichts. Wo wir bleiben war ein Thema weil Sebastian ähnliches bereits zuvor unternommen hat. Und ich halte Abstand, damit ich weniger Staub abbekomme. Mit anderen Worten, der am wenigsten offroad-affine Fahrer mit dem am wenigsten offroad-geeigneten Fahrzeug fällt als einziger nicht um, nimmt es süffisant schmunzelnd zur Kenntnis und empfiehlt wieder mal die guten Sportreifen für unbefestigte Wege, denn die anderen sind auf Tourenreifen mit gröberem Profil unterwegs: Road Attack 3.


    Letztendlich gelingt die Auffahrt aber uns allen, und das ist das wichtigste. Es ist ein tolles Gefühl, auf 2996 Meter Seehöhe zu stehen und nach Frankreich laufen zu können.



    Bis hier hin und nicht weiter. Oder nur zu Fuß.



    Ich habe mein Ziel erreicht.



    Blick zurück vom Schneehaufen nahe der Landesgrenze


    Und dann kommt eine Ducati 848 aus Frankreich an, mit Packrolle drauf. Das gibt spontanen Applaus aller Umstehenden. Muss ich nächstes Jahr vielleicht auch mal probieren.



    Nein, er heißt nicht Antihero. Aber er hat Gepäck drauf und abgefahre Pirelli Supercorsa Hypersportreifen.



    Blick zurück auf die letzten, feuchten Meter mit sichtbaren Spuren von Schneeräumung


    Dann beginnt die Abfahrt. Das ist der gleiche Weg wie rauf, nur dass man kein Gas zu geben braucht. Ich tuckere weiterhin im Standgas, dazu kommt aber die Bremse. Ich halte weiterhin Abstand, um weniger Staub zu schlucken.


    Wir treffen wir auf ein Gespann mit einem sehr großen, rundum verkleideten Beiwagen - permanent am aufsetzen. Das Gespann lässt sich hier ordentlich den Bauch kraulen und verliert sicher 2 kg bis es wieder im Tal ist.



    wtf



    lauernde KTM abwärts


    Zwischendurch fangen wir wild hupend Michael ein, dessen Koffereigenbau eigentlich lieber hier bleiben möchte. Das merkt er nicht so schnell, dafür hupt der Gegenverkehr zurück, und dessen Gegenverkehr im folgenden auch. Wir starten immerhin einen Trend.



    Hier, nimm noch Kaugummi als Kleber, hält besser



    Es ist übrigens überraschend warm hier oben – Zeit für Pause mit weniger Klamotten



    Hier wächst sogar schon wieder Gras



    Die Aussicht auf die Hochebene mit dem Zeltplatz des Treffens ist eine der schönsten überhaupt



    Diese Art zu fahren ist nicht wirklich mein Ding, aber die erreichbaren Orte sind es wert


    Es ist mittlerweile etwas mehr Verkehr auf der staubigen Piste. In den engen Kehren muss man ganz ganz innen bleiben, wo es sehr steil ist, oder warten bis gerade kein Gegenverkehr kommt. Man geht rücksichtsvoll miteinander um. Im Gegenverkehr 20 Meter vor uns legt sich eine Tiger 1050 samt Fahrer schlafen. Der Fahrer hat zuvor einen großen Stein erwischt und daraufhin wenig Kontrolle über die Richtung - so fährt er die Böschung hoch. Besser als runter. Wir helfen ihnen schnell wieder auf die Beine.


    Wir erreichen schließlich ohne weitere Zwischenfälle und Umfaller die Hochebene. Dann parken wir mitten zwischen den Zelten und gucken uns das Treiben mal aus der Nähe an.

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  • Teil 3: Das Treffen selbst


    Dann parken wir am Zeltplatz der Hochebene und erkunden zu Fuß Land und Leute und Moppeds. Es ist wenig organisiert, aber offensichtlich eingespielt. Stell dein Zelt auf die Wiese und fertig.



    Kuriose Gefährte parken hier.









    Dann geht es auf ein Eis ans Gasthaus – es gibt tatsächlich ein Haus auf der Hochebene mit einer kleinen Gastwirtschaft und auch sanitären Anlagen. Schließlich machen wir uns an den Abstieg zurück in die Zivilisation, so mit Asphalt und Handynetz. Der Verkehr ist inzwischen stärker geworden, darunter auch einige wenige, die allen zeigen müssen wie toll schnell sie losem Grund fahren können, und wie viel Staub sie dabei aufwirbeln können. Hin und wieder sind auch Sportenduros und Crosser ohne Kennzeichen mit teilweise sehr jungen Fahrern dabei - die sich aber alle sehr korrekt verhalten. Fünf Minuten danach beginnt ordentlicher Regen. Glück muss man haben - Matsch nein Danke. Wir erreichen ohne weitere Zwischenfälle festen Boden, schlüpfen aber in die Regensachen.


    Teil 4: Der Rückweg zurück in die (sogenannte) Zivilisation


    Unser zunächst geplanter Rückweg via Col de l'Echelle ist heute leider nicht befahrbar wegen einer Sperrung. Wir wollen nicht noch mal für den Tunnel bezahlen, also fahren wir stattdessen via (Col de) Montgenèvre und damit Briancon. Auf dem Weg halte ich noch an einer Apotheke zwecks Nahrungsergänzungsmitteln und stolpere über eine Werbung für Rennradfahrer: Mit meiner Apotheke ist der Galibier ein Kinderspiel! Die hängt da vermutlich schon länger…


    Wir kommen wie schon am Hinweig wieder an einer an sehr unterhaltsamen neu gebauten Baustellenumfahrung mit Wechselampel am Lac du Chambon vorbei.



    Neue Ausweichstrecke wegen Baustelle auf der anderen Seite


    An einem Abschnitt mit Wechselampel landen wir in bzw. vor einer lustigen Gruppe spanischer Motorradfahrer. An der Ampel sind wir P1 und P2, doch auf den folgenden Kurvenstrecken wehren sich die Teilnehmer ziemlich stark. Der Führende auf R1200RT kann an mir dranbleiben auf den mittlerweile wieder trockenen Strecken - den lasse ich mal vorbei und hänge mich dran. Ja, das ist schön und schnell was er da macht, nur beim Bremsen lässt er Zeit liegen. Dann kommt ein Idiot auf einer MT-09, der sich links neben mich quetscht, als ich rechts an einem Lieferwagen vorbei gucken will und der dann ganz toll ist, weil er vor mir ist, obwohl eh gar nix außer Kurvenschneiden kann. Der fährt schon komplett auf der Gegenspur in die Linkskurven hinein und legt bei 40° Schräglage nicht mal die Füße an, sondern zeigt mit den Zehen nach außen – falls er in Schuhen noch welche hat. Ich fahre derweil bequem hinterher am rechten Fahrbahnrand und frage mich, was das soll: Ich bin zwar langsamer als du, aber vor dir! Außenrum vorbeifahren wäre vielleicht auch gegangen, wäre aber unhöflich und sehr riskant gewesen. Auch Michael hielt großen Abstand zu ihm, weil er schon Motorrad- und Körperteile fliegen sieht, so klar wie er über seinen Fähigkeiten fährt, und weil er zuvor bereits eiskalt von ihm abgedrängt wurde. Freundlicherweise macht der spanische Tourguide danach Pause und wir fahren in Frieden weiter. Allerdings wird genau jetzt auch die Strecke gerader.


    Dann noch mal Sprit fassen und ab nach Hause. Abends glühen wir noch nach ob der Eindrücke dieses Tages. Der Col de Sommeiller ist für mich der bisher schwierigste Schotterpass gewesen, er war für uns alle die höchste Strecke bisher überhaupt, und wir sind alle schwerstens beeindruckt von der Natur dort oben und der positiven Stimmung und der Vielfalt auf dem Treffen. Nur ob man da noch mal hin muss, darüber herrscht Uneinigkeit. Michael und ich werfen unsere Klamotten in die Waschmaschine am Campingplatz, um den Staub raus zu kriegen. Wer mich kennt kann sich denken, wie dreckig die Klamotten dafür sein müssen. Sebastian dagegen trug Leder und kann einfach abwischen. Als echte Luxuscamper haben wir dieses Mal keinen Grill dabei, sondern dinieren frisch geduscht im Restaurant auf dem Platz.



    Natürlich mit Blick auf den See


    Dort kocht ein Italiener leckere Pasta, Salate und Fleischgerichte im Bereich 8-14 Euro. Mit Sitzplatz direkt am See. Ohne Abspülen danach, und ohne Einkaufen davor. Getränke am Zelt haben wir aus der Kühlbox. Toller Urlaub! Und dabei war das bisher nur der erste Fahrtag. Michael und ich haben noch fünf vor uns, Sebastian fährt früher heim und hat nur drei.

  • Wir wollen nicht noch mal für den Tunnel bezahlen, also fahren wir stattdessen via (Col de) Montgenèvre und damit Briancon.


    Soll ich Dir jetzt verraten, daß der Rückweg nur ca. 8€ gekostet hätte? :whistling: Der war sozusagen im Hinweg schon mitdrin, und für einen kleinen Aufpreis (bei der Rückfahrt losbar) wird daraus eine Rückfahrkarte. ^^


    Aber der Umweg scheint ja nun auch nicht allzuschlimm gewesen zu sein. ^^



    Ich hab letztes Jahr ja übrigens den Col de Sommelier selbst verweigert und bin nur bis zum Camp gefahren. Bis zur ersten Hochebene bin ich dann zu Fuß hochgeschlappt. :rolleyes:


    Und dann kommt eine Ducati 848 aus Frankreich an, mit Packrolle drauf. Das gibt spontanen Applaus aller Umstehenden. Muss ich nächstes Jahr vielleicht auch mal probieren.


    Immer wieder gerne betonen diverse Leute "Die Stella und den Col kann man auch mit einer normalen Straßenmaschine fahren!" - aber ich denke mir dann auch immer wieder: Das sind zu 99.5% Leute, die selbst vermutlich noch nie bei dem Treffen waren. ^^ Klar - Man KANN es schon (man != jeder), aber man muss auch eine gewissen materialverachtende Einstellung haben, und Schäden mit einkalkulieren.


    Bald kommt Schnee dazu. Es sieht so aus, als wäre geräumt worden, die Schneewände sind ein bis zwei Meter hoch. Dass hier systematisch geräumt wird war mir neu.


    Nicht generell. Nur für das Treffen. Das ist für Bardonecchia mittlerweile touristisch sehr interessant geworden, weswegen man es attraktiv machen muß für die Besucher. Wäre der Col noch schneebedeckt und unbefahrbar, würden vermutlich viele wegbleiben. Ca. eine Woche vor der Stelle gingen die Bilder vom Räumfahrzeug durch's Facebook.

  • Ich möchte jetzt die Reisebericht kaputt schreiben, aber ich wäre da keinen Meter hochgefahren, selbst wenn es gegangen wäre. Ich möchte das meinem Motorrad nicht zumuten. Und die Leute die sagen, dass man das alles mit einem Straßenmotorrad machen KANN, die sollen das selbst erstmal machen. Leider darf jeder im Internet schreiben was er gerade für richtig hält.

  • 28€ für einen Tunnel nach Italien rein kommt mir sehr bekannt vor. Vielleicht habe ich die Quittung sogar noch. :D


    Stella Alpina würde mich auch locken, aber dann mit der XT, wer weiß. :)


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    CEO of West-Treffen®

  • Der Sommellier ist schon klasse und der Bericht . . :thumbup:


    Für einen, abseits der Straßen, relativ ungeübten und überwiegend straßenorientierten Fahrer ist das schon eine Herausforderung. Wie immer hängt es aber häufig am Fahrer selbst, wenn der mit seiner Maschine umgehen kann, sind auch die dicken "GS" Brocken nicht das Problem.
    Für den technisch leicht und mit groben Reifen ausgestatteten Sport Enduristen ist das eher was für den Vormittag. Wir waren vor 2 Jahren da oben und sind anschließend noch über die steilere Skipiste zum Jafferau hoch. Da ist die Aussicht noch viel schöner und vor allem einsamer . . :rolleyes: Die Anreise ist halt immer das Problem, ohne Anhänger ist das nichts zu machen . . besonders wenns nicht nur zur Stella Alpina gehen soll.

    Geradeaus kann (fast) jeder und nahezu 100% der Erdoberfläche sind nicht asphaltiert ! :dakar:

    • Offizieller Beitrag

    Ich fand den Sommellier von der Streckenbeschaffenheit nicht so anspruchsvoll. Die Strecke ist durchgängig durch geeignete Geländewagen befahrbar, d.h. zweispurig. Man hat also genug Platz.
    Man muss auf einigen Teilstücken konzentriert bleiben, um gröberen Steinen auszuweichen. Es gibt keine Stellen, an denen man anhalten muss, um sich erst einmal über die Linie klar zu werden oder erst mal bei anderen schaut, wie die das machen.
    Die Länge der Strecke wird allerdings den einen oder anderen konditionell an seine Grenzen bringen. Wenn man einigermaßen fit ist, ist es kein Problem. Es ist nicht so, das man oben völlig außer Atem ist, oder man am nächsten Tag vor Muskelkater nicht mehr laufen könnte.


    Die Strecke zehrt natürlich am Material, insbesondere wenn kein ausreichender Federweg vorhanden ist. Mit der Ducati 848 wäre ich auf Rücksicht auf das schöne Mopped nicht rauf gefahren, aber zu schaffen ist es ja auch mit so einer Kiste, wie der Italiener eindrucksvoll bewiesen hat.


    Bei Regen wird es allerdings ohne Stollenreifen vermutlich sehr schwierig werden, überhaupt ausreichend Grip zu bekommen. Bei Trockenheit reichen normale Straßenreifen.


    EDIT: Mir hat die Auffahrt jedenfalls viel Spaß gemacht :thumbup:

  • Vielen Dank für den sehr informativen aber auch unterhaltsamen Bericht blahwas :thumbup: .


    Zusammen mit den Bildern komme ich zu dem Schluss, dass ich es eindeutig mit Lille halten würde:

    Ich hab letztes Jahr ja übrigens den Col de Sommelier selbst verweigert und bin nur bis zum Camp gefahren. Bis zur ersten Hochebene bin ich dann zu Fuß hochgeschlappt :rolleyes: .


    Ich würde das gerne mal mit einem 125er-Ist-Mir-Doch-Egal-Baumakrt-Roller fahren. :rolleyes: Nur die Anreise bis Bardonecchia dürfte sich ziehen. ^^

    Ich würde das gerne mit einer beta oder einer KTM390/690 machen. Damit macht es sicher Spaß.


    Man muss das seiner geschätzten Straßenmaschine nicht unbedingt antun. Klar, wenn alles gut läuft kann man auch ohne Schaden oben ankommen. Du hast es bewiesen. Danke, dass Du uns dabei mitgenommen hast.

  • Ich möchte keinen Stein irgendwo am Motor, im Motor oder am Ölfilter haben. Ja und wir schreiben hier den Reisebericht kaputt.

  • Tag 3, So, 9.6., Vercours


    Der Vercours ist ein französisches Mittelgebirge südwestlich von Grenoble, ca. 30x40 km mit der Besonderheit, dass viele der bis zu 2300 Meter hohen Gebirgsketten in Nord-Süd-Richtung verlaufen, so dass man schwierig vom Osten her rein kommt. Wir wählen einigermaßen willkürlich morgens ein Paar Passknackerpunkte dort und fahren drauf los - obwohl es regnet und für den weiteren Tag viele Schauer angesagt sind. Bei 16-24° hält man es in der Regenkombi aber gut aus. Nur meine Sportreifen sind für diese nassen Hinterwaldstrecken nicht gemacht. Kein Problem, fährt man halt mal vorsichtig – auch so kommt man zügig vorwärts. Als es langsam aufklart, suchen wir uns eine Bäckerei und werden sehr fünding: „Artisan de Boulangerie“ heißt „Bäcker der sich echt für seine Produkte interessiert“, innen ist es trocken-warm, draußen gibt es eine Sitzgelegenheit - voila, Frühstückspause! Wenn auch mit kurzen Schauern.


    Danach klart es auf und wir genießen einen wunderbaren Fahrtag ohne einen weiteren Regentropfen. Im Vercours hat man die Straßen fast für sich alleine. Absolutes Highlight des Tages sind der Col de Rousset, eine Heizerstrecke vor dem Herren auf nagelneuem dunkelschwarzem Asphalt mit traumhafter Aussicht und vor dem Tunnel der Passhöhe. Es regiert der Fahrspaß.




    Zufahrt zum und Rast am Col de Bioux, der inzwischen kein Passknackerpunkt mehr ist:




    Weiteres Highlight des Tages ist der Cirque de Combe Laval, wo man die Straße in einen senkrechten Felsen gemeißelt und gesprengt wurde, mit Hunderten Metern Wand nach oben und unten, und sogar Portalen durch den Felsen hindurch.





    Auch die anderen Passknackerpunkte machen überwiegend Spaß, nur ganz selten liegt Schotter auf der Fahrbahn. Langfristig verbessert das den Grip – und der reicht, typisch Frankreich, um die Schrift von den Reifenflanken zu fahren. Auch die Fahrbahnbreite ist ausreichend bemessen und steht dem nicht im Wege.

    Da zwischendurch meine ABS-Leuchte angeht, gucke ich mal nach was da unten nicht stimmt: Jau, der ABS-Sensor wird von der Bremsscheibe bearbeitet. Außerdem auch die Schraubenköpfe der Bremsscheibe vom Träger der Bremszange. Nicht so cool! Das würde auch das laute Geschepper erklären. Bzw. wäre es ein Hinweis gewesen, dass hier etwas nicht stimmt, und zwar nicht die Kette. Wir bauen den ABS-Sensor ab und binden ihn weg aus der Gefahrenzone. Die Hinterachse wird etwas gelockert, um Spannung raus zu nehmen. Gegen Verlust der Radmutter schützt weiterhin der Sicherungssplint. Liebe Kinder: Nicht zuhause nachmachen!



    Die Tankstellen sind im Vercours etwas dünner gesät, daher ist ein kleiner Umweg angesagt – wir haben ja eine Supermoto dabei. In diesem Ort hat mein Navi vier Tankstellen eingetragen, die in der Realität aber alle nicht mehr existieren oder dauerhaft geschlossen sind. Das liegt am Supermarkt mit eigener Tankstelle 500 Meter weiter, den mein Navi noch nicht kannte, aber dafür haben wir ja Michael mit seinem OSM-Navi dabei. Tankstellen an Supermärkten haben in Frankreich in der Regel Dumpingpreise, um Kunden in den Supermarkt zu lockern. Das macht die restlichen Tankstellen in nächster Nähe anscheinend schnell platt.


    So richtig geht das Geräusch nicht weg, aber wir kommen ohne weitere Probleme zurück zum Campingplatz. Naja, fast: Zwei von drei Fahrern wollten unbedingt "ohne Autobahn" zum Campingplatz zurück, obwohl das durch Grenoble führt. Es ist zwar Sonntag, aber deshalb stehen da auch nicht weniger Ampeln, die alle rot sind, und im Tal ist es echt schwül-warm. Immerhin weiß ich jetzt, dass mein Kühlsystem in Ordnung ist - bis auf die Lagergeräusche des Lüftermotors.


    Nach dem Abendessen gehen schließlich wir dem Geräusch vom Hinterrad auf den Grund. Es folgt wieder ein Exkurs über Motorradtechnik, den vielleicht nicht jeder lesen will.



    Insgesamt hatte unsere Aktion leider keinen durchschlagenden Erfolg. Also schmeißen wir die Suchmaschinen an, um eine Werkstatt oder zumindest einen Motorradvermieter in der Nähe zu finden. Das ist nicht leicht, und morgen (am Montag) scheinen alle geschlossen zu haben. Merde! Im nächsten Dorf findet sich immerhin ein Vermieter für "die schönsten Motorräder der 70er Jahre". Das ist nicht wirklich was ich suche, und 160 Euro am Tag ist auch echt heftig, aber der kennt vielleicht jemanden der vermietet oder verleiht oder kann sowas reparieren. Da wir hier auf dem Dorf sind, kennen die Leute vom Campingplatz ihn vielleicht und können übersetzen, denn mein Französisch ist für Fachthemen nicht ausreichend. Aber für heute ist es zu spät. Gute Nacht! Schlafen kann ich trotzdem, denn es findet sich immer eine Lösung.

  • Tag 4, Mo, 19.6., Hilfe!


    Der Tag soll damit beginnen, dass ich ein Leihmotorrad auftreibe. Doch soweit kommt es nicht. Der Fehlerteufel ereilt zunächst unsere Kühlbox (das Allerheiligste!) und dann auch noch den Hinterreifen von Michaels BMW (Druckverlust). Weil "warten" heute möglicherweise ein großes Thema wird fahre ich in Absprache direkt los zur nächsten Motorradwerkstatt - diese hat im Gegensatz zu denen in Grenoble sogar montags offen. Wobei "fahren" in diesem Fall heißt, jederzeit mit einem blockierenden Hinterrad zu rechnen. Vmax ist also 50, in Kurven noch weniger (ja nach Ausgestaltung der Sturzzone). Michael flickt derweil eine kleinere Einfahrverletzung.


    Als ich vor der Werkstatt stehe hat sie zu: "10. Juli geschlossen!" Aber nur ausnahmsweise. Dann muss ich eben jede Auto- und Reifenwerkstatt anquatschen, die ich auf dem Weg gesehen habe - alles negativ: „Da hinten ist doch eine Motorradwerkstatt!“ Nein! Hoffnung investiere ich noch in einen Endurovermieter in 40 Minuten Entfernung. Da geht zwar keiner ans Telefon, aber hinfahren kann man ja mal? Schlecht: Es ist ein Wohngebiet. Gut: Es steht ein passender Transporter des Endurovermieters vorm Haus. Schlecht: Es macht keiner auf. Gut: Ich erreiche einen mir vertrauten deutschen Reifenhändler, der mir erklärt, was genau es mit der Hohlachse in der Felge auf sich hat. Die wird zwischen den Radlagern eingeklemmt und hält sie auf Distanz. Sie trägt nicht das Gewicht des Motorrads. Insofern ist es nicht ganz so schlimm, dass sie gestern an einem Ende lose war, wenn die Steckachse nicht drin war: Neue Lager und gut. Felge nicht defekt. Ob man so gar nicht, 1 km, 10 km, 100 km oder 1000 km fahren sollte vergesse ich zu fragen. Vielleicht besser so.


    Michael und Sebastian erhalten derweil von mir Nachricht dass sie heute ohne mich auskommen müssen. Sie werden also alleine im Vercours Passknackerpunkte abfahren. Sie nehmen zwar im Gegensatz zu mir nicht aktiv an der Passknacker-Challenge teil, d.h. sie machen keine Nachweis-Fotos von den Schildern, aber zum Planen sind die in der Regel echt nicht schlecht. Wie ich höre verbringen sie einen schönen Fahrtag, werden aber ob meiner Abwesenheit an Phantomschmerzen leiden und trotzdem an jedem Schild halten, weil hier schließlich ein Passknacker ist!


    Den Rest des Tages verbringe ich mit Motorradwandern bis Tempo 50 zu immerhin 3 Passknackern die rings um den See des Campingplatzes liegen. Das ist bei Kaiserwetter auch schön, erholsam und irgendwie Urlaub vom Urlaub. Ich habe keine Termine und bin niemandem Rechenschaft schuldig. So klappt’s sogar auch mit der StVO, oder wie auch immer das in Frankreich heißt.


    Weil es nur drei Pässe waren zähle ich sie mal ausnahmsweise auf:


    Da wäre erstens der Col de la Chal, 1180 m, ein eher harmloser Schotterpass, der kaum steil ist. Von Norden her weite enge und kurvige Anfahrt mit stellenweise beeindruckenden und auch gefährlich tiefen Schlaglöchern. Nach Süden hin ist man schnell wieder auf Asphalt. Schwierigkeit 4 finde ich übertrieben. In der Nähe des Passschildes findet sich eine praktische Motorradparkgelegenheit. Idyllisch ist es hier oben schon irgendwie. Dazu passen für mich auch die Verzierungen.




    Manch ein Anwohner hat da wohl seine eigenen Ansichten.



    Zweitens wäre da der Col de la Morte, 1367 m, der von Norden her einige Kehren auf Bundesstraßenbreite und Tour de France-tauglichem Asphalt bietet. In einer der Kehren raste ich und habe mal eben diese Aussicht auf die D1091, die wir erst vorgestern gefahren sind.



    Die Passhöhe liegt im Ort Morte, was tatsächlich "tot" auf Deutsch heißt. Viel ist da jedenfalls nicht los.



    Und zu guter Letzt, der Col de Malissol, 1150 m, um die Runde um die Seen bei Laffrey abzuschließen. Nach einer längeren Fahrt durch ein idyllisch grünes Tal kommt man nach wenigen engen Kehren fast nebenbei drüber.



    Am Ende bummle ich noch durch einen Supermarkt und bin 15:00 wieder am Campingplatz und mache es mir bequem, bis M+S zurück sind. Morgen finde ich hoffentlich eine Leihmaschine für die nächsten Tage, oder jemand repariert mir die Kiste. Oder auch nicht, und ich mache Wanderurlaub, oder klaue mir ein Motorrad (am Campingplatz steht so eine scharfe 690 SMC-R ^^ ), oder fahre mit dem Auto hinter M+S her, oder miete ein Fahrrad, oder besuche Museen in Grenoble, oder plansche im See, oder ich spreche mal die auffallend langbeinige Blondine vom Zelt da hinten an, die manchmal etwas zu lange zu mir rüber guckt…


    M+S kommen auch irgendwann wieder am Zeltplatz an und erzählen von ihrem Tag. Das können die auch hier am besten selbst...

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    • Offizieller Beitrag

    Tag 4, Mo, 19.6., Tremor und Michael


    Nachdem wir am Vorabend vergeblich versucht hatten, Blahwas' Versys wieder in Gang zu setzen und ihm eindringlich abgeraten hatten, mit dem Hinterrad einfach weiter zu fahren, war der Plan am Montag gemeinsam zu einer Werkstatt im Nachbarort zu fahren. Dem Geräusch nach wäre ich nicht mehr als Schritttempo gefahren, aus Angst das Rad könnte unvermittelt blockieren. Am Pass in einer Kurve keine angenehme Vorstellung.


    Also morgens raus aus dem Zelt, auf die Pferde und los. Ich bin 5 Meter weit gekommen - super - Platfuß am Hinterrad. Also Planänderung: Blahwas fährt vor und wir kümmern uns um den Reifen. Die Ursache ist zum Glück schnell gefunden. Ein Metallteil steckt im Reifen. Also Reifenflickzeug rausholen und an die Arbeit. Metallstück mit der Zange entfernen, dann mit der Ahle wird das Loch aufgeraspelt. Dann wird mit viel Kraft ein mit Vulkanisationkleber eingeschmierter Flickstreifen eingepresst. 15 Minuten warten - aufpumpen - fertig. Na ja fast fertig. Sind nur 2,2 Bar drin. Aber bis zu nächsten Tankstelle wird's reichen.


    Wir telefonieren mit Blahwas. Die Motorrad-Werkstatt hat wie alle anderen Montags geschlossen. Er klappert weiter einige freie Autowerkstätten ab, die aber leider alle abwinken. Blahwas bricht letztendlich die Suche ab, hat aber eine Einsehen und riskiert nichts, sondern verbringt den restlichen Tag im Bummeltempo mit seiner gebeutelten Versys.


    Wir klicken uns mit Hilfe der Passknackerpunkte auf die Schnelle eine Strecke für den Tag zusammen.


    Tremor und ich fahren zur nächsten Tankstelle, ich werfe einen Euro in den Kompressor und fülle Luft nach - dachte ich. Leider funktioniert das Teil nicht und ich verliere noch ein paar Zehntel. Jetzt sind es nur noch 1,9 Bar. Also auf zur nächsten Tanke, allerdings ist es in Frankreich eher Glücksache eine Tanke mit Kompressor zu finden. Nach vier erfolglosen Versuchen, finden wir eine Autowerkstatt, die mich an ihren Kompressor lässt. Endlich geht's los.


    Auf dem Plan steht der Col de la Morte (was für ein Name! Den mussten wir mitnehmen), Alpe d'Huez und eine Reihe weiterer eher unbekannter Pässe. Zum Col de la Morte geht's bei schönstem Sonnenschein über eine wenig befahrene Landstraße. Wir laufen auf einen kleine Peugeot auf, der recht flott unterwegs ist, dabei aber jede Kurve komplett schneidet. Entweder will der ein Rennen oder er hat uns nicht gesehen. Sehr ungewöhnlich in Frankreich. Wir bleiben vorsichtshalber dahinter. Es dauert bis zur nächsten Geraden, auf der wir dann überholen, nicht ohne uns vorher eine Zeit lang davon zu überzeugen, das Peugeot auf seiner Spur bleibt. Entgegen unserer Erwartung saß kein jugendlicher Halbstarker hinter dem Steuer, sondern eine Frau mittleren Alters mit Tunnelblick. Ich glaube, die hat nichts mehr gemerkt.



    Der Col de la Morte ist dann noch eher unspektakulär zu erreichen und wir fragen uns, woher er wohl den Namen hat. Tremor weist auf die "Kreperie" (oder so ähnlich) direkt gegenüber hin. Bevor die flachen Witze noch lebensbedrohlich werden, fahren wir lieber weiter. Es folgt eine aus flüssigen Kurven bestehende Abfahrt, angenehmerweise durch einen Schatten spendenden Wald. Frankreich ist Motorradfahrerland.


    Den nächsten Pass hätten wir uns dann doch eher gespart, wenn wir geahnt hätten, dass es sich offensichtlich um eine Teststrecke für Stoßdämpfer handeln muss. Immerhin entschädigt die Landschaft für den unterirdischen Straßenbelag.



    Von hier aus geht's zum Mythos Alpe d'Huez. Mal sehen, was da so dran ist. Wie zu erwarten, sind viele Radfahrer unterwegs, die aber erstaunlicherweise nicht mithalten können. Vielleicht haben hier auch die Apotheken Montags geschlossen. Wir schaffen es bis zum Gipfel - warum alle darum so eine Welle machen? Wir wissen es nicht. Auch die Steigung sollte ja nicht das Problem sein - geht ja bergab, wie man hier sehen kann.


    • Offizieller Beitrag

    Wir suchen wieder etwas weniger frequentierte Strecken und landen auf einem Gipfel, den wir für ein paar Fotos nutzen.




    Es fängt an zu regnen und wir beeilen uns, in die Regenkombis zu kommen. Ein paar hundert Meter tiefer hört es auf und die Temperaturen steigen sprunghaft. Also raus aus der Kombi und weiter. Natürlich setzt der regen sofort wieder ein und ich halte, um wieder in die Kombi zu steigen. Tremor bleibt skeptisch, ob das nötig ist, aber wenn die Klamotten erst mal nass sind... Natürlich hört es nach 30 Sekunden fahrt wieder auf. Grmmpfffhh. Immer diese Rechthaber. Das war's dann aber auch mit dem Regen.


    Wir fahren über eine schnurgerade etwas wellige Strecke. "Etwas" war dann aber doch die Untertreibung des Tages. Ich fahre im Landstraßentempo also um die 90-100 Km/h, als sich die Straße vor mir wie eine riesige Welle (geschätzter "Wellenhöhe" 2-3 Meter) auftürmt, dann aber auf dem Wellenberg unvermittelt in eine Ebene übergeht. Soll heißen, ich hebe mit beiden Rädern vom Boden ab - auf einer breiten Landstraße! Für tremor sieht das ganze wohl spektakulärer aus, als es sich anfühlt - hat was von Kirmes-Achterbahn: "Airtime". Er nimmt Gas weg. Meine Überraschung ist noch nicht ganz verflogen, als die nächste Welle folgt. Und noch eine. Es fängt an Spaß zu machen und ich überlege, noch mal umzudrehen, besinne mich aber, es nicht zu übertreiben.



    Wir kommen nun zum Hoch und dem unmittelbar folgenden Tief des Tages für tremor. Wir passieren eine Brücke über eine tiefe Schlucht, auf der eine Spur gesperrt ist. Die "Baustelle" entpuppt sich als Absprungplattform für Lebensmüde. das ist das Stichwort für tremor. Ich halte am Ende der Brücke, schaue zurück und frage "Und? Willste springen?". Er schaut kurz zurück und antwortet ohne zu zögern "Ja.". Auf die Gegenfrage, sage ich nur "Ich bin doch nicht bescheuert!" Also drehen wir und fahren zu einem Blockhaus mit der Anmeldung. Die machen das hier wohl öfter.


    • Offizieller Beitrag

    Die Anmeldung geht fix. Er kommt nur kurz auf die Waage, drückt 89€(!) ab und wir marschieren zur Brücke. Er ist der letzte Springer des Tages und wird fachgerecht gefesselt. Jeder Vorgang wird fotografiert - vermutlich damit keiner klagen kann, wenn's schief geht. Aber ich sage nichts.
    Dann geht alles ganz schnell. Er wird gefragt, ob er noch eine paar letzte Worte an die Anwesenden richten möchte und steht schon oben auf dem Geländer. Ich schaue in die 105 Meter tiefe Schlucht und schüttle den Kopf. Dann lieber Fallschirmspringen als sich in so eine Schlucht zu stürzen.
    Nach dem Countdown geht tremor in die Knie (klar, dann ist's nicht so hoch) und springt ohne zu zögern runter. Weg ist er. Ich filme das Ganze und schüttle immer noch den Kopf.



    Ich schlendere zurück, gönne mir ein Kaltgetränk in der Hütte und warte, bis sich tremor bei der Hitze den Berg wieder hoch gekämpft hat. Nach einer kurzen Erholungsphase beschließen wir, die Route etwas abzukürzen, wollen aber auf einen dem Anlass angemessenen Pass nicht verzichten:



    Wir legen noch einen kurzen Zwischenstopp beim Supermarkt ein, um ein paar Getränke mitzunehmen. Tremor wartet bei den Moppeds und wirkt ganz nervös, als ich wieder raus komme. Ich folge seinem Blick und sehe jetzt auch die nahende schwarze Wolkenwand. Wenn wir nicht zurück schwimmen wollen, wird's jetzt aber Zeit. Wir geben Gas und als wir auf den Platz einbiegen, fallen die ersten Tropfen. Wir retten uns gerade noch in den Pavillon, als Petrus die Schleusen öffnet. Perfektes Timing.


    Meine Reifenflickaktion vom Morgen war leider nicht ganz erfolgreich, der Reifen hat den Tag über leicht an Druck verloren, was der Spülitest auf dem Campinplatz bestätigt. Also noch zwei weitere Streifen einsetzen, bis alles dicht ist. Bis zum nahen Ende des Profils am Ende des Urlaubs war kein Druckverlust mehr messbar. Einen halben Tag Urlaub wegen eines Reifens zu verlieren, wäre auch ziemlich blöd gewesen.

  • Tag 5, Di, 20.6. Mechanische Erlösung?


    Dienstag, Tag der Erlösung? Meine Mitfahrer wollen nicht auf mich verzichten und stürzen sich vor Wehmut von Brücken oder stechen im Schlaf auf ihre eigenen Reifen ein. Da muss ich handeln, ich kann sie nicht so leiden lassen. Heute hat ja der Motorradladen hier auf der Hochebene wieder auf, wo mich bisher jeder hingeschickt hat. Also nix wie hin da: Man hört sich mein Problem an, guckt es sich auch an, und sagt dann: "Nein. Grenoble!" Desillusioniert komme ich raus aus dem Laden, Michael und Sebastian sind inzwischen da. Die konnten zwar schneller als 60 fahren, Michael hat aber morgens noch mal am Reifen rumgeflickt. "Wie Grenoble? Keine konkrete Adresse?" Nö, aber gute Idee eigentlich. Wieder rein da, Zettel bekommen: Altitude Moto, Vertragshändler für Kawasaki und Honda. Also teilen wir uns wieder auf, für mich geht es mit Tempo 50 dort hin. Das ist immer noch zu schnell, um im Stadtverkehr von Grenoble nicht fast durch zu drehen. Zwar ist wenig los, aber dafür ist an jeder Ecke eine Ampel, und alle - wirklich ALLE - sind rot. Ich halte sogar – scheint hier üblich zu sein. Die restlichen Tage haben wir meistens gar keine Ampeln, das wird einem umso deutlicher klar, wenn die Mistdinger wieder auftauchen.


    Endlich bei Kawasaki angekommen parke ich direkt neben einer 2011er Versys eines Kunden. Es ist ein großer Händler mit Hochglanz-Showroom, aber auch mindestens 50 Maschinen im hinteren Parkplatz. Es folgt ein Werkstattaufenthalt, den ihr hier überspringen oder ausklappen könnt.



    Endlich fertig - 211 Euro und knappe 2 Stunden kostet es insgesamt - dann bin ich auf meinem eigenen Motorrad wieder unterwegs. Die Wiederbelebung und Genesung meiner Versys muss gefeiert werden. Auch wenn die ABS-Leuchte an bleibt – fahre ich halt ohne ABS, und ein gebrauchter Sensor kostet keine 30 Euro. Auf der erstbesten Passstrecke aus Grenoble hoch in den Vercours schreit sie sich unseren Frust aus dem Auspuff, dass es eine wahre Freude ist. Ich knacke schnell noch zwei Pässe:



    Col de la Croix Perrin, 1222 m, feiner Nebenstreckenspaß



    Champ des Narces, 1380 m, eine echte Rüttelpiste



    Solche Schluchtenstürmerstrecken werfen sich einem im Vercours in den Weg, wenn man einfach nur von A nach B will. Träumchen!


    Dann treffe ich Michael und Sebastian am Col de Proncel. Ich komme leider knapp zu spät um Sebastians neusten Umfaller zu bewundern: Er hat auf einem steinigen Weg bei weniger als Schrittgeschwindigkeit gebremst und gelenkt. Dabei hat sich ein Stein unter seinem stehenden Vorderrad verklemmt und wurde 50 cm mitgezogen, bis die Fuhre schließlich umfiel. Sebastian steht daneben und wundert sich. Immerhin: keine Schäden. Sogar die Spiegel sind beide noch dran und noch nicht abvibriert.



    Nur die Kratzspur ist noch zu sehen


    Den Rest des Tages fahren wir weiter den Vercours, noch eine Schleife südwestlich und dann östlich zurück. Auf großer Höhe hat man auch gerne mal schöne Aussichten.



    Und mein hinterer Sportreifen wird langsam zum Rennreifen


    Später wechseln sich Hauptstrecken und einsamste Hinterwälderwege ab, als wir an der Grenze des Gebirgszuges entlang zickzack fahren. Und plötzlich ist man wieder am Zeltplatz und kann den Tag erneut gemütlich ausklingen lassen. Beim Wetter hatten wir heute Glück. Es regnet zwar vormittags heftig, aber für beide Teile der Gruppe erst 2-5 Minuten nach der eher zufällig terminierten Einkehr in ein Gebäude: Bei Kawasaki meinerseits, und eine Pizzeria bei M+S. Glück ist Pflicht!


    Morgen früh reist Sebastian wie geplant ab. Darum kündigt er um 23 Uhr an, er gehe jetzt aufs Klo und packe danach seinen Stuhl zusammen. O-kay? Michael und ich planen noch den nächsten Tag. Ich würde gerne zum Col/Cime de la Bonette, aber Michael weißt mich darauf hin, dass das unpraktisch weit wäre: 355 km ist zu lang für eine Tagestour ohne Autobahn im Urlaub, auch wenn man wirklich dort hin will. Tag 1 waren 370 km und wir waren richtig fertig. Also fahren wir morgen nach Nordosten statt Südosten.


    Aber erst darf Michael schildern, wie M+S den Dienstag ohne meine Aufsicht verbracht haben.

    Einmal editiert, zuletzt von blahwas ()

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