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Zoomie, das Forengespenst, hat die Angewohnheit, alle paar Jahre mal aus der Versenkung aufzutauchen und zu erklären, er hätte jetzt das ultimative Motorrad gefunden (man blicke zurück ins Jahr 2013). Wird sich das jemals ändern? Man könnte nach einer 12-jährigen Motorradkarriere (mit Pausen, zugegeben) eine gewisse Reife erwarten. Doch Achtung: bevor jemand den Mund aufmachen kann, wird die Stimme der Vernunft bereits von einem brüllenden 1262 ccm Testatretta übertönt.
Ein Motorrad, das spaltet: Die Forengemeinde, und bei Vollgas die eigenen Arme vom Körper.
Was ist passiert? Wie konnte sich der kurvenliebende Jüngling nur so einen Drag-Racer-Verschnitt anlachen, der nur dazu da ist, Harley-Davidson ein paar Prozente im US-Markt abzunehmen? Ein Schwergewicht, das man durch die Kurven schieben muss? Hat er den Spaß an den Alpen verloren? Hat die Midlife-Crisis schon mit 30 Jahren eingesetzt? Kommt es ihm nur aufs Design an? (oh oh, wunder Punkt!) So oder so ähnlich reagiert die eine Hälfte der Motorradgemeinde beim Anblick der neuen Ducati XDiavel S. Und die Zweifel könnten berechtigt sein. Denn ich erinnere mich an die ersten Forentreffen in 2006 oder 2007, als ich mit meiner auf 34 PS gedrosselten Honda CB500 den dicken Motorrädern hinterhergefahren bin. Auf der Gerade mit mehr Abstand, in den Kurven mit weniger. Danach wurde es eine Honda Hornet 600, dann eine neue Yamaha MT-09. Da war ich in der Mittelklasse angekommen.
Mir haben schon immer nackte, kurvenfreudige Motorräder Spaß gemacht. Und zuletzt war die MT sogar recht vorderradbetont und hatte einen leichten Geschmack von Supermoto. Große Schräglagenfreiheit, aufrechter Sitz, leichtes Motorrad. Wenn italienisches Design, dann Hypermotard, wäre die logische Konsequenz (MV Agusta ist leider einfach zu unpraktisch). Doch als ich die XDS das erste Mal im letzten Jahr sah, bin ich (zunächst nur fast) vom Glauben abgefallen. Ein Motorrad, das von Beginn als Design-Ikone gefeiert wurde. Eine Silhouette zum Verlieben. Der Blick schweift von gefrästen Aluminium-Teilen immer wieder zur Hinterradfelge ("Hallo? Meine Augen sind hier oben!"). Jedes Detail strotzt vor Exklusivität, und wahrscheinlich auch vor Arroganz (fehlt nur noch, dass man eine TAG Heuer Uhr und einen Anzug dazu bekommt). Aber wars das? Ich war auf jeden Fall neugierig. Und nach einer 3-stündigen Probefahrt im Herbst konnte ich es kaum fassen.
Powercruiser: Schnell cruisen?
Ich schreibe diesen Bericht vor allem deshalb im Stammtisch, weil es mir hier um eines geht: Wie wählt man heute eigentlich ein Motorrad aus, wenn sowieso alle schnell fahren können? Gibt es überhaupt Typen im klassischen Sinne? Kann man sich an alles gewöhnen? Ich werde heute (und in den kommenden Monaten versuchen), diese Fragen zu beantworten. Auf eure Meinungen bin ich ebenso gespannt.
Aber von vorne: Obwohl ich mit meiner MT-09 wirklich glücklich war, hat es mich den ganzen Sommer über immer wieder zur XDS gezogen. Bald gab es genug Testberichte um ein wirklich seltsames Bild von diesem mysteriösen und viel zu teuren Motorrad zu zeichnen. Auf der einen Seite soll sie Cruiser sein, auf der anderen Seite aber extrem sportlich. Wie passt das zusammen? Ducati selbst bewirbt sie mit "low speed excitement" - ein Slogan, der für mich inzwischen nicht mehr passt. Auch ein paar Testberichte fielen im Vergleich mit anderen Power Cruisern fast schon negativ aus, denn die XDiavel wollte einfach nicht cool bleiben. Ducati schien also ein Motorrad entwickelt zu haben, das sich in den Cruiser Markt schleichen und dann allen die Hölle heiß machen sollte. Wie sportlich fährt sie aber wirklich? Die eigentliche Frage war ja: Wie viel Spaß würde ich mit so einem Motorrad im Schwarzwald oder in den Alpen haben?
Ich musste mir also selbst eine Meinung bilden. Meine erste Testfahrt im Herbst, und eigentlich seitdem auch jedes Mal, wenn ich wieder auf den Sattel steige, geben mir das gleiche, ungewohnt gespaltene Gefühl: Zunächst macht die XDS einen schweren Eindruck. Sobald ich aber losfahre, habe ich das Gefühl, ich sitze hier auf einem sehr leichten Motorrad, das sich schnell hin und her bewegen lässt. Trotz dickem Reifen und 1615 mm Radstand kippt es ohne große Probleme in die Schräglage. Dieser Aha-Moment kommt immer wieder. Es war ein wirklich seltsames und mir bisher unbekanntes Gefühl. Was möchte dieses Motorrad? Hinzu kommt natürlich, dass die Sitzposition ebenso ungewohnt ist. Es hat lange gedauert, bis ich meine Füße automatisch nach vorne gelegt habe - oder bis ich den Schalthebel richtig treffen konnte. Die Kombination aus Sitzposition und Fahrgefühl ist symptomatisch für diese gespaltene Persönlichkeit. Und doch macht es langsam Sinn, gibt mir das Motorrad langsam zu verstehen, was es möchte.