Moin zusammen,
Gedanken zu Klassikern und geistigen Klassikern.
Vorgestern war wieder eine dieser Begegnungen fällig derer ich mittlerweile schon mal sehr überdrüssig bin. An einem Grill in der Nähe von Xanten traf ich jemanden der so ziemlich in meinem Alter war und Besitzer einer wirklich wunderschönen Four aus den Siebzigern.
Meist sind dies ja die Zweitmotorräder solcher Enthusiasten die zu Hause dann noch daneben den Neuesten Hobel aus dem Gestüt des Anbieters haben. Nicht aber dieser. Die CB war tatsächlich zwar nicht sein einziges Motorrad, aber das andere zu Hause war genau so alt - eine BMW R 75/6....als Reisemaschine. Das kann man ja auch alles so machen und wie gesagt auch die Bilder der /6 waren wunderschön - das Bike war im klassischen BMW rot der Siebziger. Alles wunderbar. Aber dann kam was kommen musste, nämlich die Tirade über die ganze Elektronik neuer Motorräder und das wären einfach keine klassischen Bikes mehr und und und.
Zum Verständnis: Ich habe 1983 angefangen mich im Straßenverkehr auf motorisierten Zweirädern fort zu bewegen. Und das notgedrungen des Geldes wegen auf fahrbaren Untersätzen vornehmlich aus den Siebzigern. Einzige Ausnahme in den 80er Jahren war die Yamaha RD80 LC2, die hatte ich zusammen gespart und neu gekauft. Der Verkaufserlös dieser war die Basis für die Anschaffung einer 440 er Kawa von 1979 und deren Verkauf war zumindest die finanzielle Basis der Suzuki GS 750D aus 1978. Es dauerte relativ lange bis ich tatsächlich mal ein Bike fuhr was einigermaßen "State of the Art" war. In der letzten Motorrad war eine Kolumne in der Stand wie es doch schön war das man sich früher als Motorradfahrer bei Aufkommen von Regen oder Gewitter unter den Brücken getroffen hat um dort das Unwetter oder auch nur den Regenguss ab zu warten. Und der Autor bedauert das ein Stück weit das die heutigen Goretex Sachen ja ach so wasserdicht sind und heutzutage kaum einer mehr sich unter der Brücke versammelt.
Den Autoren sollte man mal über "weitere Fakten" aufklären. Nicht nass zu werden war nur die halbe - wenn überhaupt - Wahrheit. Die stärker wiegende Wahrheit war eher das die Bremsen meiner GS 750D (ungelochte Doppelscheibe vorn) sobald es anfing zu regenen eigentlich das Wort "Bremse" nicht mehr verdienten. Weil dazu müsste man durch Betätigung derselben einen signifikanten Geschwindigkeitsverlust erfahren. Das tat man aber nicht mehr. Die Stiefel hatten zzu dem Zeitpunkt eine höhere Bremswirkung als die beiden Scheiben der Suzuki. Ich hatte schlicht Angst mit dem Gerät und Ihren 240 Kilo in einem Fahrwerk über das heutzutage sogar Mountainbiker lächeln würden, weil Ihre Rahmen (deutlich) verwindungssteifer sind, im Regen unterwegs zu sein. Nichts desto trotz haben wir tolle Touren und Urlaube mit unseren Bikes gemacht. Und viel viel Freude gehabt.
Doch kommen wir nach Xanten zurück und dem Menschen der in der ganzen Elektronik etc. nur "neumodischen Scheiß" sah. Und an dem Punkt bin ich diskurtiv quasi geplatzt. Es ist interessanterweise eine unglaubliche Urban Legend das die Hersteller von Motorrädern (außer vielleicht HD ) zu den Zeiten der Entwicklung einer CB 750 four oder einer Kawasaki Z1 -900 es irgendwie im Sinne gehabt hätten klassische puristische Motorräder zu bauen ohne "Schnickschnack". Das war nie die Intension der Hersteller. Eine CB 750 Four war für die bestehenden Hersteller wie BMW geradezu ein Schock. Ein heilsamer Schock. Diese Motorräder waren die Basis für das was wir heute an Früchten ernten. Ein Hersteller aus Japan düpierte die deutschen Stahlrösser und englischen Rappelkisten, denen man eigentlich immer einen Schraubensammler hätte hinterher schicken müssen um abfallende Teile ein zu sammeln. Er düpierte genauso zwar z.T. wunderschöne italienische Bellas, die aber noch schneller als die englischen Kisten auseinander fielen, sobald man vergas einen daueretablierten minutiösen Wartungsplan durch zu führen. Meist half dies aber auch nicht wirklich.
Honda stellte mit der CB 750 Four ein hochmodernes und funktionales Motorrad vor. Genau wie eben Frankensteins Tochter - die Z1. Klar gemessen an heutigen Maschinen (siehe oben meine Ausführungen zur GS 750D) ist das Motorradsteinzeit. Aber eben immerhin Steinzeit. Die anderen Hersteller waren zu der Zeit sozusagen noch auf den Bäumen und sammelten Nüsse und Früchte ohne diese mit Steinen zu knacken. Auch wenn es den "Supersportler" zu der Zeit noch nicht gab - daazu musste man erst eine Verkleidung und Stummellenker an eine Z1 schrauben, es waren eben die ersten richtigen Superbikes. Wahrscheinlich wäre sie am ehesten heute mit dem Segment des "Sporttourers" vergleichbar, weil neben Rasen war Reisen ein wichtiger Kaufgrund für diese Motorräder. Wie gesagt was mich immer ankekst ist eigentlich diese romantisierende Ansicht solcher Leute es wäre die Absicht der Hersteller wie Honda gewesen einen "Klassiker" zu erschaffen und sich dabei nur auf das Wesentliche zu konzentrieren ohne elektronischen Schnickschnack etc. Nein liebe Leute - das war mitnichten deren Intension. Die haben absolutes Hi-Tech für die damalige Zeit auf die Beine gestellt. Und ohne diese "Hi-Tech" Maschinen der späten 60er und frühen 70er wäre Motorradfahren nicht zu dem Massenphänomen geworden was es auch heute noch ist.
BMW würde wahrscheinlich heute noch die R75 bauen - wahrscheinlich mittlerweile die R75/40 wenn es diese Entwicklung nicht gegeben hätte. Auch wenn die K Serie heute wieder eher ohne Belang bei BMW ist, so hat genau dieser Schock den die Japaner ausgelöst haben und auch diesen Trend zum Motorrad fahren als Massenhobby dazu geführt mit der K75 und K100 ganz neue Wege für BMW Motorrad zu gehen. Und zwar ultramoderne wie z.B. der Bau der K1 als kaufbares Technologiewunder auf 2 Rädern inklusive ABS. Unter Apologeten der "Früher war mehr Lametta und die Motorräder puristischer" Bewegung gelten aber mittlerweile auch frühe K100 Modelle als "Basic". Obwohl das doch bei Erscheinen quasi fahrende Technologieträger waren. Mein Unterhaltungspartner vom Samstag durchforstete nämlich gerade die Anzeigen auf mobile.de (warum denn eigentlich nicht die schönen Analoganzeigen in der Motorrad?) auf der Suche nach einer nackten unverkleideten K100 der ersten Baujahre. Natürlich ohne neumodischen Schnickschnack.
Niemand wollte in der Sache einen Klassiker entwerfen. Moderne Unternehmen wie es Honda, Yamaha, Kawasaki und Suzuki damals waren haben einen grundsätzlichen Wandel eingeführt von dem wir die Früchte heute ernten. Ich bin mir sicher wenn sich die Ingenieure der Z1 - 900 heute auf eine Z900 der aktuellen Baureihe setzen würden, sie wären begeistert. Und hätten Sie die Möglichkeit diese Technologien in das Jahr 1972 per Zeitmaschine zu transportieren und diesen "modernen Schnickschnack" in Motorräder ein zu bauen, dann ja dann würden Sie es tun, ohne WENN und ABER.
Was denkt Ihr über diese "Klassiker"? Welche schaurig schönen Erinnerungen habt Ihr an diese Maschinen. Und welche Maschinen sind mit Recht Wegbereiter der Zukunft gewesen? Die CB 750 Four und die Z1 - 900 habe ich genannt. Vielleicht schreibe ich in diesen Thread mal Eindrücke die ich sammeln konnte zur Kawasaki Z1000A2 und zur Suzuki GS 750D.
Viele Grüße Guido