09.06.2016 - Tag 5 - Abondance -> Bourg-Saint-Maurice - ca. 300 km
Heute morgen ist es trocken. Was man von den Zelten, der Wiese und den Motorrädern nicht behaupten kann. Kurzes Frühstück, wie immer mit Kaffee vom Campingkocher und dann nasse Zelte einpacken - unschön. Morgens haben wir kurz Sonnenschein, dann Bewölkung und leichten Nieselregen, aber der hört direkt wieder auf und es wird endlich sonnig. Immerhin hatten wir schon mehr als genug Regen. Morgens machen wir über Straßen mit schöner Streckenführung ordentlich Strecke, da diese zwar gut kurvig, aber ohne Probleme dauerhaft mit dem Außerorts-Tempolimit (oder ein wenig schneller

) zu befahren sind. Da entdecke ich auch eine Art Straße, die ich noch nicht kannte: 2+1-spurige Landstraße, allerdings ist der Überholstreifen in der Mitte für beide Fahrtrichtungen da. In Deutschland würde so etwas nicht lange gut gehen. Das tut es hier allerdings auch fast nicht. Als wir eine Kolonne auf diesem Stück überholen, schert ein SUV aus und räumt mich fast ab. Immerhin ist ja noch die Gegenspur da, dann nehme ich halt die. So werden dann auch alle drei Spuren genutzt.

Irgendwann fahren wir auch über den Col de la Colombière
Weiter geht es über kleinere Sträßchen und irgendwann sind wir in Nancy. Nancy? Das passt doch geographisch gar nicht

Naja, ein weiteres Schild gibt genauere Informationen: wir sind in Nancy sur Cluses.

Bekannte Ortsnamen
In dem Ort steht ein Schild "ROUTE BARRÉE". Wir entscheiden uns, es einfach mal zu versuchen, als ein Dorfbewohner vorbei spaziert. Nic spricht ja fließend Französisch, also fragt er den Passanten, ob wir da durch kommen. Mein Französisch ist seit der Schule großteils wieder abhanden gekommen, aber ich verstehe die Antwort auch ohne Übersetzung: Ja, aber wir sollen aufpassen, da ist überall Split. Das stimmt auch, die Straße besteht praktisch nur aus Split, da ist nicht mal eine richtige Tragschicht drunter. Ich lasse Nic für freie Fahrt vorfahren und beschränke mein Tempo aus Angst um Kühler und Ölfilter (Steinschlaggefahr!) auf ca. 20 km/h. Irgendwann ist auch das überstanden.

Ich hab den Rollsplit endlich überstanden
Anschließend fahren wir über kleine, schmale Bergsträßchen. Auf einer geht es längere Zeit bergab Richtung Tal und wir laufen auf einen Pickup auf. Der hat die Ladefläche voller Arbeitsgeräte, unter anderem fliegt eine Motorsäge mit offener Kette ohne Schutzhülle einfach ungesichert über die Ladefläche. Der Pickup zieht einen größeren Hänger mit Doppelachse und ca. 3m langer Ladefläche hinter sich her. Die Seiten sind mit Gittern in die Höhe verstärkt und der Hänger ist voll Holz. Der Fahrer treibt den Pickup kurvenschneidend in atemberaubenden Tempo den Berg hinunter

In einer Kurve heben sogar die kurveninneren Räder des Anhängers ab

Dabei sitzt der Fahrer lässig in seinem Sitz und hat ein Handy am Ohr. Wir verzichten aus Überlebenswillen dann darauf den Pickup zu überholen

Der rauscht mit ca. 70 in das nächste kleine Dorf mit schmaler Durchfahrt rein, wo er prompt eine Vollbremsung hinlegen muss, um nicht in einem entgegenkommenden LKW einzuschlagen. Die beiden müssen sich dann auch noch mühselig aneinander vorbei rangieren.
Unten im Tal treffen wir auf eine etwas größere Straße, die zum Cormet de Roselend führt. eigentlich. Alle Passschilder sagen "ouvert", wir stehen aber vor einer Straßensperrung wegen "Eboulement" - ein Erdrutsch. Die Umleitung ist in die Richtung ausgeschildert, aus der wir kommen

Gegenteilige Aussagen: "OUVERT" vs. "ROUTE BARRÉE"

Die Umleitung geht wieder zurück
Wir machen erstmal Pause und überlegen, ob wir es einfach probieren sollen. Das hat heute immerhin schon einmal geklappt. Zuerst werde ich aber die Regenklamotten los, es ist sonnig und heiß. Die hatte ich wegen dem Schauer am morgen noch an. Als wir kurz davor sind, einfach loszufahren, kommt ein mit Erde beladener LKW aus der Sperrung gefahren. Den halten wir natürlich direkt an und fragen nach. Oder eher: Nic fragt nach. Der Fahrer sagt, dass dort kein Durchkommen ist aber die Umleitung wäre kurz und würde schon ein wenig weiter hinten auf die Hauptstrecke treffen. Also fahren wir wieder zurück und finden tatsächlich die kleine Abzweigung, die uns weiter bringt.
Auf dem Weg zum Cormet kommen uns immer mehr Motorradfahrer in Regenkombi und ziemlich nass entgegen. Also schlüpfen wir nach nur einer viertel Stunde wieder in die Regenkombi, die mittlerweile fast zum Bekleidungsstandard mutiert.

Der Cormet de Roselend im Regen
Irgendwann kommen wir in Bourg-Saint-Maurice an. Dort stehen Schilder für den Saint Bernard und den Col de L'Iseran. Der Iseran ist noch "fermé". Aber das Navi führt uns nicht in diese Richtung. Aus irgendwelchen Gründen haben wir beide einen Denkaussetzer und fahren einfach weiter. Irgendwann treffen wir dann wieder auf die Hauptstraße zum Col de L'Iseran. Auf der Straße werde ich wieder beim Überholen fast von einem ausscherenden SUV abgeräumt, so langsam wird das zur Gewohnheit

Wir durchfahren mehrere Baustellen mit Ampeln, eine davon liegt im Tunnel. Als wir die Rotphase überstanden haben, fahren wir rein und direkt kommen uns zwei Lichter entgegen. Aus geringerem Abstand lässt sich ein kleiner Kipper erkennen, mit dem Abraum transportiert wird. Der fährt zur Seite und wir können weiter, raus aus dem Tunnel. In dem haben die Arbeiter nämlich den Kipper, einen Bagger und einen großen Kompressor am laufen, aber keine zusätzliche Belüftung. Der Tunnel stinkt stark nach Dieselabgasen so dass ich dort drin nicht länger als nötig sein möchte. Die armen Arbeiter...
Wir kommen irgendwann in Val d'Isere an. Der Wintersportort ist im Sommer eine einzige Baustelle und bis auf die Arbeiter komplett verlassen. Hier lernen wir auch das französische Verhältnis zur Ladungssicherung kennen. Ein Tieflader ohne Ladung, aber mit dem Begleitfahrzeug auf dem Hänger kommt vorbei. Das Begleitfahrzeug ist ein Renault-Kastenwagen. Die Ladungssicherung wird mit einem Spanngurt erledigt: einfach durch die Fahrertür rein und die Beifahrertür wieder raus. Die Mittelkonsole bedankt sich sicher

Hier glauben wir dann dem Schild mit der Sperrung und drehen um.

Wir wollten es erst nicht wahr haben...
Wieder in Bourg-Saint-Maurice angekommen, stellen wir fest, dass die Umfahrung 150km Umweg bedeutet

Da es aber schon Nachmittag ist, kaufen wir kurz noch was zu Essen und fahren dann einen Campingplatz in den Bergen um Bourg-Saint-Maurice an. Der Campingplatz, den wir finden nennt sich Le Bioley und ist so Klasse, dass ich ihm einen Eintrag bei den
außergewöhnlichen Campingplätzen verschafft habe. Man fährt eine winzig kleine Straße den Berg hoch und kommt irgendwann auf dem Platz an. Der Platz hat eine atemberaubende Aussicht auf die umliegenden Berge und einen Pool. Wir sind die einzigen Gäste und dürfen uns einen Platz aussuchen. Den Bürokram regelt die Tochter der Besitzer, die als einzige anwesend ist. Dabei telefoniert sie mindestens drei mal mit ihrer Mutter, weil sie irgendwelche Sachen nicht findet

Wir suchen uns dann einen Platz am Rand des Geländes aus, hinter unserem Platz geht es den Hang runter ins Tal, was uns eine noch viel bessere Aussicht auf die gegenüberliegenden Berge verschafft.

freie Platzwahl ist Klasse

geniale Fernsicht
Bei einer kleinen Sichtprüfung der Technik am Motorrad stelle ich jetzt auch fest, dass der Zustand der Bremsbeläge von "sollte den Urlaub noch halten" auf "sehr bedenklich" gewechselt hat. Das hat vermutlich die ganze Fahrerei in den Alpen als Grund. Ich suche auf dem Smartphone einen Suzuki-Händler auf Korsika raus, den Nic morgen für mich anrufen soll.
Später am Abend hören wir noch ein Motorengeräusch und ein älterer Motorradfahrer kommt auf einer BMW R75/5 an. Das Motorrad ist komplett mit Windabweisern an den Beinen, großer Touring-Scheibe, Fell auf der Sitzbank, 3 Koffern und zusätzlichen Gepäcktaschen ausgerüstet. Der Fahrer sucht sich den Platz neben uns aus und wir kommen ins Gespräch. Auf seiner Scheibe prangt ein Aufkleber "300.000". Die R75 hat mittlerweile einen R90-Motor und 360.000km runter, es lohnt sich aber nur alle 100.000km den Aufkleber zu ersetzen
Abends werden noch ein paar Landschaftsbilder geschossen und dann ist dieser Tag auch schon rum.