Vogesen-Passknackerwahn: 140 Pässe in 5 Tagen

  • Die Vogesen – die stehen da rum und sagen nix. Gegenüber vom Schwarzwald gelegen, jenseits von Rheingraben und hinter der Grenze zum gelobten Land – Frankreich, wo Motorradfahrer noch die Könige im Verkehr sind, die Straßen griffig, die Streckenführung kurvig, die Landschaften beeindruckend und die Küche alles ist, außer schlecht. Die Heimat von Laisser Faire, HRC und Moto Journal. Wo an jedem Hügel ein Pass-Schild steht und kein Polizist auf dem Land auf die Idee käme, einem Motorradfahrer Fragen zu seinem Tempo oder gar zum Zustand seines Motorrads zu stellen. Die Vogesen, also. Da bin ich nun seit 2006 Motorradfahrer war erst einmal anno 2013 hier, und das nur recht knapp auf der Durchreise, und zwar anlässlich meiner ersten Frankreich-Motorradreise überhaupt. So bin ich dann doch recht überrascht, wie nah das eigentlich ist: 4 Stunden und 350 km von Essen bis Bitche, das ist näher als der Schwarzwald. Manuel wollte mich eigentlich zu einer Schwarzwaldtour vorladen, ich konnte aber auf Vogesen verhandeln.


    Schnell ist mit Orbey ein geeigneter Ausgangspunkt gefunden. Da wir beide nicht die größten Zelter sind, buchen wir uns eine Ferienwohnung. Die ist eigentlich zu groß mit 3 Schlafzimmer und insgesamt 6 Betten, und so richtig günstig ist sie von Mo-Do eigentlich auch nicht, denn die meisten FeWos wollen für ganze Wochen vermietet werden. Wir fahren Mitte September dort hin, wenn die Ferienzeit schon vorbei ist, und zwar für eine knappe Woche von Mo-Fr. Auffällig an der Planungsphase war die Dauer der Abstimmung der Anreise und die Anzahl der dafür nötigen Runden, da Manuel von Sonntag auf Montag im Saarland nächtigt und wesentlich näher dran ist, aber trotzdem mit mir gemeinsam fahren will, während ich Montag früh in Essen starte und erst mal durch die dichter besiedelte Hälfte von NRW muss.



    10.9. Mo Anreise


    So, ich stehe also Montag früh auf, schnalle die Rolle aufs Mopped und werfe mich bei besten Wetter auf die Autobahn. Die Routenplanung für heute taugt mal mit 713 km und 10:30 Stunden Fahrzeit mal wieder als Bummlerschreck:



    An Autobahnen fahre ich heute A52, A3 (wo ein LKW beim Spurwechsel im obligatorischen Baustellenstau bei Köln einen Mercedes verbiegt), A1 und dann die A61 bis es zu langweilig wurde. Nun kommen die ersten Passknacker in die Route: Zum Zilshausener Hochbehälter führt der Weg doch glatt übers Moseltal, sehr schick. Das reicht dann für Autobahn in Deutschland, also geht’s weiter durch den Hunsrück: Lauschhütte, Donnersberg, Rote Hohl, Rotsteig, Kalmit, Lolosruhe, Modeneck, Taubensuhl. Ein Einheimischer auf 701 SM konnte nix, trotz Lederkombi seinerseits und Packrolle meinerseits. Die Burg Trifels erscheint mir schließlich geeignet für eine Mittagspause, und so locke ich Manuel per Handy an, der schon 20 Minuten später ankommt. Ich war mal wieder schneller als mein Navi denkt. Auch Manuel ist im Passknackerfieber und hat den Vormittag im Saarland und Pfälzerwald und einem kurzen Abstecher nach Frankreich auf einsamen Straßen und doch gutem Belag verbracht.


    Nach einer Stärkung geht es im Formationsflug weiter und über die grüne Grenze nach Frankreich: Col du Goetzenberg, Col du Litschhof und Col du Pfaffenschlick weisen schon den Namen nach drauf hin, dass die Grenze früher woanders war.


    Es folgt der schnellste Weg nach Süden, und der führt über eine gebührenfreie Autobahn. Leider1 muss ich genau jetzt tanken, also wird’s etwas teurer, und leider2 ist Stau. Wir nutzen die Motorradspur, die hier großzügig gebildet wird, und umfahren dann Strasbourg großzügig auf Land- und Dorfstraßen im Hinterland.



    Irgendwann kommt wieder Autobahn, und wir bummeln mit 130 im Autoverkehr mit. Wir verfolgen noch gebannt, wie zwei Motorradfahrer eine dritte Spur links aufmachen. Stimmt, der Bereich bis zur Leitplanke ist ja asphaltiert, und bei beiden passt der Lenker über die Leitplanke. Hier und da steht allerdings ein Busch in der Mitte, und auf Ast-Einschläge bei 130+x könnte ich verzichten – zumal auch die Autofahrer eher überrascht reagieren. Andere Motorradfahrer überholen einfach rechts oder in der Mitte, und keiner regt sich auf. So geht das etwa eine Stunde bis zu unserer Ausfahrt, und zwar ohne Maut und ohne Baustelle.


    Der erste Pass in den Südvogesen zwischen Autobahn und Unterkunft ist dann der Col du Schaentzel, und der gibt einen prima Vorgeschmack darauf, was noch kommen mag in den nächsten Tagen.



    Für weitere Pausen haben wir kaum Zeit, denn es droht die Dunkelheit mit Einbruch, und so geht’s etwas hektisch durch die grüne Bilderbuch-Landschaft auf einsamen Traumstreckchen wie Col Haut de Ribeauvillé, Col de Fréland und Col de Chamont.




    Manuel ist noch nicht so ganz bei der Sache und verschwindet immer wieder aus den Spiegeln, aber immerhin nicht von der Straße. Dann erreichen wir unseren Zielort Orbey, und weil wir hier nicht in Deutschland sind, kann man vorab in Streetview genau gucken, wo das Haus steht, wie es aussieht und wo man parken könnte. Es ist ein Wohnhaus quer an der Hauptstraße, daneben ist eine breite Einfahrt und dahinter geht sie in eine weitere Fläche über – da parken wir, so sind die Motorräder von der Straße nicht zu sehen. Manuel parkt unter der Wäscheleine.


    Ich gehe mal rein und treffe den Vermieter. Sie ist um die 80, nett und spricht ausschließlich Französisch. Ich verstehe kaum die Hälfte, reicht aber. Die Fewo „Gîte Henry“ ist offentlich in Zweitnutzung und sieht recht „ommig“ aus, aber sie ist sauber und gepflegt und es ist alles da, was man braucht. Sogar richtig guter Lichtschutz auf den Zimmern. Naja, ein Fön wäre vielleicht nett. Wir packen aus und richten uns ein für drei Nächte. Kostet alles zusammen 240 Euro, oder 40 pro Nacht und Nase – aber wie gesagt, Aufschlag für kurze Nutzung.


    Das Örtchen Orbey habe ich nach optimaler Lage zwischen den Passkackerpunkten ausgewählt und gerade noch geschaut, ob man da auch was zu essen kriegen könnte. Wir gehen zu Fuß. Der Ort ist klein und nett. Manuel trägt Tarnhose und hat sonst nichts dabei - das war vielleicht nicht die allerbeste Wahl. Wir finden ein Restaurant und er geht hinter mir rein, und setzt sich dann gaanz schnell hin. Da war er wohl noch im Campingplatzmodus beim Packen. Die Auswahl auf der (dreisprachigen) Karte ist eine lustige Kreuzung von Französischer und Deutscher Küche, und die Bedienung kann auch Deutsch. Das Essen schmeckt, nur das Bier ist etwas teuer. Das macht aber nix! Das Hotel Restaurant Les Bruyeres geht voll in Ordnung. Im Dorf gibt es auch Apotheke, Geldautomat und sogar ein kleines Kino. Aber nicht für uns, wir schwanken lieber in die Fewo zurück und basteln uns einen lustigen Abend zusammen.



    11.9. Di Süden außen


    Es folgen nun zwei Rundtouren, heute eine nach Süden, „außenrum“ entlang der Passknackerpunkte. Also eher nicht die ganzen hohen Teile, sondern die Übergänge der Mitte nach unten und zurück. Die Route ist mit 450 km und 9:25 Stunden sicher eher zu lang als zu kurz, aber kürzen kann man ja immer noch.



    Das Wetter ist gut, und direkt nach dem Besuch beim Bäcker grüßt am Col du Firstplan eine Bergrennstrecke, die erkennbar gut eingefahren ist von einem Rennen letzte Woche. Es ist Kurvenparadies hier und satt grüne Landschaft. Höhepunkt des Vormittags ist der Petit Ballon. Vom vorherigen Punkt hätte man eine Schotterstrecke fahren können, die möglicherweise nicht erlaubt ist, obwohl sie sehr breit ist, aber auch uneben und steil. Das haben wir nicht gemacht, sonst wäre womöglich die Versys umgefallen und der Lenker der Yamaha hätte sich gelockert. Leider hat die Yamaha kein passendes Bordwerkzeug dafür, da hätte die Kawasaki aushelfen müssen. Und Helme fallen da auch schnell mal runter. Ne ne, sowas machen wir nicht. Auch wenn es 30 km gespart hätte. Dann lieber Posing auf der Passhöhe. Es ist aber auch sehr schön hier oben mit Rundum-Aussicht.





    Am Col du Hahnenbrunnen biegen wir auf die Route de Crete ein, eine Höhenstraße in Nord-Süd-Richtung, die Hauptattraktion für Motorrad- und andere Genussfahrer ist. Hier war ich definitiv schon mit Markus anno 2013. Ein lahmer Street Triple Fahrer lässt mich vorbei, aber Manuel nicht.




    Am Col du Hirtzelach herrscht mal wieder Verwirrung – von der Passhöhe darf man in keine Richtung legal weiterfahren. Ich vermute, dass es von Nordwesten weniger illegal wäre. So oder so, der ist etwas für Kompletionisten, Genussfahrer kommen woanders besser auf ihre Kosten. Zum Beispiel am Ballon d'Alsace. Hier üben wir ein paar Wheelies. Freundlicherweise stellt der Wirt dafür eine GSX-R zur Verfügung. Unsere Motorräder gucken etwas entsetzt zu. Jemand sollte aber mal die Kette pflegen.



    Im weiteren Verlauf möchte mein Navi den Col du Ballon de Servance nicht von Süden anfahren, so dass es recht zeitintensiver Abstecher vom Westen her wird. Manuel wartet derweil und erholt sich. Na gut, einen Weg von Süden wollte es doch fahren, den wollte ich aber nicht:



    Es folgen zahlreiche weitere Pässe, die kaum jemand kennt, die aber mehr Fahrspaß bringen als so ziemlich alles in Deutschland. Toll hier! Als unsere Route in der nordwestlichsten Ecke eine Schleife für 3 Passknacker macht, gucke ich aufs Navi, auf die Ankunftszeit, und beschließe, dass wir das besser kürzen sollten. So lassen wir die Cols de Singe, Bonne Fontaine und de la Bisoire ungeknackt zurück. Vielleicht hole ich mir die ja im Oktober auf dem Rückweg aus den Alpen. Wir rasten schließlich an einem pittoresken See, der touristisch erschlossen ist bei Geradmer.



    Dort halten wir nach der Pause noch an einem Supermarkt, wo neben dem Gute Nacht-Bier für die Fewo noch destilliertes Wasser für meine Versys in den Einkaufswagen wandert, denn der olle Kühlerschlauch links unten sifft doch recht deutlich, und im Ausgleichsbehälter ist auch nur noch Luft. Sonst läuft alles rund!


    Als unsere Route eigentlich schon zu Ende ist werfen sich am Rückweg nach Orbey doch noch ein paar Passknackerpunkte vors Motorrad, die wir eigentlich erst morgen sammeln wollten, z.B. den Col de la Schlucht. Die nimmt man natürlich gerne mit! Und auch die Route der Crete liegt wieder am Weg, genial! Die Abendstimmung fällt auch auf zwei Speicherseen am Wegesrand.



    Insgesamt haben wir heute 34 Passknacker gesammelt und rollen mit deutlicher Dämmerung vor der Fewo ein. Es war lang heute, und Manuel hat heute immer wieder seinen Helm fallen lassen, ich glaube er sehnt sich heimlich nach einem neuen. Bis auf den Filter an seiner Gopro übersteht es die Murmel aber mit kleinen Macken. Sonst geht es allen gut, aber jetzt ist es eigentlich schon zu spät für eine Dusche vor dem Restaurant, also wählen wir heute eine Pizzeria im Dorf. Diese fällt durch einen Kellner auf, der erst keine Lust hat uns zu bedienen, mich immer wieder für eine Frau hält (nur um sich immer wieder eine Sekunde später zu entschuldigen), der uns über eine Stunde auf zwei Pizzen zum Mitnehmen warten lässt und der uns noch diverse Weine und Schnäpse die Backe quatschen will und mehrmals eine überhöhte Rechnung stellt – auch wieder ohne Fremdsprachenkenntnisse. Weinbrände lehne ich ab, denn was Alkoholkonsum anrichten kann, sieht und riecht man ganz gut an ihm. Er lässt nicht locker und fragt die ganze Schnapskarte ab. Ich frage direkt mal nach harten Drogen, das lockt ihn aus der Reserve und wir kriegen immerhin gesagt, wo es hier weiche Drogen zu kaufen gibt. Pizza und eine offene Flasche geschenkter Wein reichen uns aber für heute.



    12.9. Mittwoch Enge Gelände


    Meine Versys fährt heute ohne Verkleidung, weil ich etwas den Kühlwasserbehälter im Auge behalten will. Heute machen wir die zweite Rundfahrt um Orbey, zunächst Süden, dann das "innere" knacken, was wir gestern übriggelassen haben, und dann geht es in den Nordosten. Heute ist die Route „nur“ 435 km und 9:25 Stunden lang, also 5 Minuten kürzer. Da könnte man sich ja fast langweilen ;)



    Der Tag beginnt einwandfrei mit einer sensationellen Aussicht, natürlich bei bestem Wetter.




    Die Strecken sind eher verwinkelt und weniger rund zu fahren als gestern. Teilweise sind sie auch richtig schmal. Die Passknackerpunkte sind so eng gesät, dass man teilweise alle 2 km anhalten muss. Manche Strecken sind schmal, und es wird auch viel gewendet heute.



    Aber der Fahrspaß kam natürlich auch nicht zu kurz. Wir sind schließlich in Frankreich!



    Der Col de Rochelotte ist ein legal zu fahrender Schotterpass, anfangs eher harmloser Schotter, gegen Ende aber zunehmend steil und steinig.


    Höhepunkt des Tages ist ganz klar Le Hohneck. Eine Rundumaussicht oberhalb der Route der Cretes mit Gastronomie und eigener Zufahrt mit zahlreichen Kehren. Hier rasten wir und genießen die Aussicht. Manuel nutzt seine 360° Fotoausrüstung.



    Kurz vor Saint-Dié-des-Vosgeses fällt mir mal wieder auf, dass die Zeit knapp wird, und so entfällt ein Wurmfortsatz an der Route mit 6 Passknackerpunkte. Auch die kann ich mir bei anderer Gelegenheit schnappen, denn die sind schön in einer Reihe und genau nördlich der drei Verpassten von gestern. Wir machen also auch mal einfach Strecke, aber nicht ohne die Landschaft genießen.



    Am Col d'Anozel schocken uns diverse Schilder vom Typ „hier kommt bald eine Baustelle, dreh um!“-Schilder, aber sie lässt sich einwandfrei umfahren.


    Gegen Ende laufen wir auf zwei französische Motorradfahrer auf, und hängen uns einfach mal dran. Interessante Gewohnheiten haben die, und sie haben uns auch im Spiegel bemerkt. Der hintere lässt uns vorbei, der vordere macht schneller. Es folgt gemeinsamer Kurvengenuss mit sportlicher Fairness und gegenseitig Anerkennung zum Abschied. Wundervoll. Ein schöner Abschluss für die Route. Es waren 35 Passknacker heute.


    Es war wieder eine tolle Gegend heute, mit tollen Strecken, einerseits einsam in den Waldabschnitten, andererseits tolle Aussichten auf den Haupt-Touristenstrecken - die trotzdem nicht überlaufen sind. Nach der schlechten Erfahrung vom gestern geht es heute wieder in das Restaurant von Montag. Wir sitzen außen und sind ziemlich beeindruckt davon, wie schnell die Katze des Haues unsere Teller leert, nachdem wir damit fertig sind. Auch Fisch zu entgräten hat sie echt gut drauf. Orbey kann man sich merken. Morgen geht es dann etwas nördlicher zu unserem nächsten Basislager.

  • 13.9. Donnerstag – Ortswechsel nach Dabo


    Heute reisen wir ab aus Orbey und verlagern und nach Norden, wo wir noch eine Übernachtung in Dabo gebucht haben. Dafür ist die Route mit 390 km und 8 Stunden Fahrzeit geradezu lächerlich kurz für unsere Verhältnisse. Allerdings sind einige Punkte in der Passknacker-Datenbank als „nicht für Tourenmotorräder geeignet“ eingetragen, also potentiell Schotter oder sehr verwinkelt oder in sehr schlechtem Zustand.



    Wir müssen also ungewohnter Weise morgens alles einpacken und den Tag mit Gepäck fahren. Zur Abwechslung wollen wir heute einen anderen Bäcker fürs Frühstück finden, außerdem sind wir schon recht früh unterwegs und haben noch nicht so recht Hunger. Das gelingt nur teilweise – wenn man einen sucht, findet man natürlich keinen, und zwar insbesondere keinen, der auch geöffnet hat. Manche Bäcker machen hier erst um 15 Uhr auf – okay, auf lebenslänglich frühes Aufstehen hätte ich auch keine Lust. Endlich nach etwa zwei Stunden weißt bei einer Ortsdurchfahrt dann ein Wegweiser auf einen Bäcker an der Hauptstraße hin, und hier gibt’s dann auch die erste lange Fahrpause, und die dann gleich mit Frühstück. Ich verwöhne meinen Mitfahrer also mal wieder.



    Bei den Pausen hänge ich schon seit gestern am Telefon, denn mein Hinterreifen Typ CRA3 macht langsam schlapp – hat ja auch schon 8000 km runter. Also suche ich mir einen Reifenhändler auf dem geplanten Rückweg aus, um dorthin einen Reifen zu bestellen und einen Termin zu vereinbaren. Ich habe mehrmals angerufen, aber leider nie jemanden erreicht. Naja, dann muss der CRA3 halt doch noch durchhalten. Daheim wartet schon ein frischer Hinterreifen auf der zweiten Hinterradfelge, also ist es nicht so schlimm. Das Koordinieren von Reifenterminen wäre aber ein Job, den ich gerne delegieren könnte – idealerweise an jemanden, der meine Reisegewohnheiten kennt, der mir also einen Reifenhändler in der Nähe von Passknackerpunkten findet, die ich dieses Jahr noch nicht (oder besser: noch nie) besucht habe, weitab von Großstädten, und zwar so, dass es gut in meine sonstige Tourenplanung passt. Und bitte mit Pommesbude oder Supermarkt daneben. Ich fürchte, das ist eindeutig zu komplex zum Delegieren.


    Wir fahren die weniger besiedelte Nordseite der Südvogesen. Am Col de Prayé kommt es dann zum Showdown mit dem Routenplaner. Keine Ahnung, warum mich da drei Routenplaner und mein Navi da nicht West-Ost drüberfahren lassen wollten - das geht einwandfrei. Stattdessen drehen sie an der Passhöhe um nach Westen und berechnen dann monströse Umwege. Nur bei Schnee ist eine Weiterfahrt verboten. Man kommt problemlos weiter zum Col du Donon, der touristisch erschlossen ist und der mir aus 2013 noch bekannt vorkommt.


    Bisher hatten wir nur 1a Traumwetter, allenfalls war es morgens etwas frisch. Aber wie von der Wetter App zuvor angedroht, kommen wir gegen Mittag in Regen zunehmender Stärke. Irgendwann biege ich mal 5 Minuten nach einem Überholmanöver innerorts ab, und stelle dann erstaunt fest, dass Manuel gar nicht mehr da ist. Anscheinend ist er geradeaus weitergefahren. Wir haben zwar beide die Route auf dem Navi, aber unsere Geräte haben natürlich gerne mal verschiedene Wege zwischen Punkten errechnet. Ich warte 5 Minuten an der Kreuzung, schreibe „Treffen am nächsten Passknackerpunkt“ in Whatsapp und fahre weiter. Am nächsten Passknackerpunkt ist keiner da, ich rufe an: Manuel war hier schon, hat den folgenden Punkt ausgelassen und steht in irgendeinem Dorf, das nicht auf der Route ist, und wo er mich hin lotsen möchte. Nee, nicht mit mir: Nächster Passknackerpunkt auf der geplanten Route, wir sind ja nicht für Ortsdurchfahrten hier. Wir sind inzwischen am Nordrand der Südvogesen unterwegs. Das ist sicherlich nicht schlecht hier, aber in der Mitte hat es uns besser gefallen – was aber auch am Wetter liegen kann.


    Der Regen wird irgendwann zu ausgesprochenem Starkregen. Da hätte man sich auch gerne unterstellen können. Am Col de Halmoze versuchen wir es, aber so mitten im Wald findet sich dafür keine richtig gute Gelegenheit. Manuel versucht es mal etwas anders.



    Es nutzt alles nix, wir werden nass. Bald kommen wir an der Ferienwohnung vorbei, obwohl unsere Route noch ein paar Punkte jenseits davon hätte. Die Gelegenheit kann man doch nutzen, um schon mal einzuchecken und das Gepäck hier zu lassen. Es ist zwar nicht sonderlich kalt, aber richtig Laune macht Motorradfahren im Regen nicht. Außerdem macht sich Hunger bemerkbar. Ich fürchte, wenn jetzt die Motorradsachen ausziehe, fahre ich heute keinen Meter mehr Motorrad, weil ich nicht wieder in die Sachen rein will.


    Wir erreichen die angegebene Adresse der Fewo, da steht ein großes Haus, das zum Foto von booking passt, aber keiner macht auf. Eine Bewohnerin des Obergeschosses ist daheim, aber ignoriert uns aktiv. Ans Telefon geht auch keiner. Wir sind nicht begeistert. Also ketten wir unser Gepäck an den Zaun, ich schreibe eine E-Mail an den Vermieter und mangels Alternativen fahren wir die Schleife mit den restlichen Punkten für heute, wobei wir die Augen nach etwas zu essen offenhalten. Leider finden wir nix richtiges, bzw. es hat zu. Col de Valsberg, Col de la Schleif und Col du Sandplatz wandern in den Köcher, reißen uns aber nicht mehr vom Hocker angesichts der Erlebnisse der letzten Tage, und auch wegen des weiterhin feuchten Wetters.


    Mittlerweile sind wir pitschnass und wieder zurück. Der Gastgeber ist da und zeigt uns das Haus mit der Fewo, einfach 50 Meter über das Ende der befestigten Straße hinaus, hinter hohen Bäumen am Hang – das kann man schon mal übersehen. Er spricht einen sympathischen Mix aus Deutsch und Französisch. Auf die Frage nach dem Essen erklärt er den Weg zu den Gaststätten die wir schon gesehen haben, auf meinen Hinweis, dass die geschlossen sind, telefoniert er sie sogar ab.


    Da bleibt nur das Bistro in der Ortsmitte, wo wir aber recht zügig aufbrechen müssen, denn es schließt früh. Duschen kann man auch später, nass sind wir ja schon. Ein Bisschen umziehen muss natürlich sein, möglichst ohne die gesamte Fewo unter Wasser zu setzen. Diese Fewo hat ein großes gemütliches Wohnzimmer, einen Esstisch, ein Schlafzimmer mit Doppelbett, ein Etagenbett am Gang und ein etwas schräges Badezimmer mit dreieckigem Fenster.


    Der Fußweg zu Bistro bringt wieder Leben in die Beine, und im Bistro werden wir freundlich und auf deutsch bedient. Es gibt Tiefkühlbaguettes und Sandwich-Toast zur Auswahl. Hunger und Kälte treiben es rein.


    Die Fewo „Gite Les Melezes“ in Dabo ist etwas einfacher als die vorherige, dafür aber am Ende einer Sackgasse und somit sehr ruhig. Ein Fallstrick ist, dass sie die gleiche Hausnummer hat wie ein Wohnhaus weiter oben an der Straße. Wir zahlen zu zweit nur 47 Euro für eine Nacht, was voll in Ordnung ist. Dabo würde ich als Ausgangsbasis mangels ordentlichen Restaurants nicht empfehlen. Die heute angeblich nicht für Tourenmotorräder geeigneten Pässe waren alle völlig harmlos.



    14.9. Freitag Abreise


    Heute geht es für mich nach Hause und für Manuel an die Mosel, wo er seine Freundin für einen gemeinsamen Wellness-Urlaub trifft. Ich treffe meine Freundin mir zuhause, und will daher zeitgleich mit ihrem Feierabend eintreffen. Das heißt, wir fahren zunächst gemeinsam Richtung Norden bis knapp vor die deutsche Grenze, und dort teilen sich unsere Wege. Meine ist heute 536 km 8 Stunden lang.



    Leider ist vormittags weiterhin Regen angesagt. Unser Abreisetag begann leider auch wieder recht feucht, wenn auch ohne echten Regen. Der Digicam war es trotzdem zu feucht – egal, mein Smartphone ist wasserdicht und macht noch dazu bessere Fotos. Beim Einpacken legen wir viel Wert darauf, alle Sachen trocken zu kriegen. Gut, dass die Fewo mit Heizungen und Fön bestückt ist.


    Frühstück kaufen wir noch in Dabo ein, und dann geht es auch direkt los: Angesichts von Wetter und restlicher Routenlänge verzichten wir auf einen kurzen Abstecher nach Süden und starten direkt nach Norden, immer entlang der Passknackerpunkte. Die liegen leider teilweise auf Bundesstraßen und in Kurven, was echt weder schön noch besonders sicher ist.



    Den Col de Puberg haben wir dabei anscheinend irgendwie einfach vergessen zu fotografieren. Für Passknacker mit Sammelleidenschaft ist das ärgerlich. Aber das Leben geht weiter, und der Regen lässt auch langsam nach. In der Stadt Bitche tanken wir am Supermarkt voll, Manuel kauft noch etwas ein und dann trennen sich unsere Wege.


    Zwischen Liederschiedt und Hilst überschreite ich die deutsche Grenze, und ziemlich genau ab da hört es auch auf zu regnen. Ich sammle noch die restlichen Passknacker auf der Grenze, und dann geht es nördlich. Ich komme am Johanniskreuz vorbei und das erscheint mir alles recht vertraut aus diversen Anreisen in die Alpen. Heute ist Freitag und hier ist Moppedrevier – da ist schon mehr los. Man kann natürlich noch immer völlig frei fahren, aber verglichen mit den Vogesen die letzten Tage ist es geradezu voll. Am Balkenbrunnen mache ich eine längere Pause und hole die Feuchtigkeit zwischen Visier und Innenscheibe raus. Bei Nässe rächt es sich eben, einen undichten Prototypen des selbsttönenden Pinlock spazieren zu fahren, der eigentlich für einen anderen Helm gedacht war. Zu meinem Erstaunen bekomme ich das Ding tatsächlich trocken und streifenfrei, ohne dass es gleich zerkratzt oder blind wird. Das kenne ich von Pinlockenscheiben leider anders.


    Jenseits von Kaiserslautern geht es durch zunehmend besiedeltes Gebiet, wo der Fahrspaß auf der Strecke bleibt. Dazu tragen auch ein paar Baustellenumleitungen bei. Der Eulenkopf ist dann doch noch ein Highlight mit der Aussicht, und am Potzberg ist auch das Nachweismotiv sehr schick.



    Durch den Hunsrück geht es nun zur Mosel, wobei ich mich so durch knacke. Die Hottenbacher Höhe ist heute leider wegen Baustelle gesperrt. Aber sonst lockt die Mosel mit ihren typischen schönen Aussichten, hier vom Mont Royal…



    ... und vom Reiler Hals:




    Der Übergang zur Eifel gestaltet sich heute zügig, ich will ja schließlich pünktlich daheim sein. Vor der nun folgenden Autobahnetappe nehme ich noch eine große Mahlzeit in Beuren zu mir. Dann auf die Autobahn und ab nach Hause. Am Ende hat es der Hinterreifen tatsächlich überstanden – ich komme mit genau 1,6 mm daheim an. Danke an Manuel fürs Mitkommen und das klaglose Mitknacken. Ich hatte sagenhafte 141 Pässe in 5 Tagen und vielen davon waren wirklich schön!


    Fazit


    Eine Ferienwohnung als Basislager hatte ich das erste Mal. Was war gar nicht so schlecht, man muss sich im Unterschied zum Hotel selbst versorgen, man kriegt nicht das Bett gemacht und alle Nutzer einer Wohnung teilen sich das Bad. Je nach Anzahl der Nutzer muss man drauf achten, dass das Bad zum Flaschenhals werden kann. Auch einen Fön gibt es anscheinend nicht selbstverständlich. WLAN dagegen schon. Es ist sehr viel preiswerter als ein Hotel und wegen getrennter Schlafzimmer muss man sich nicht ganz so toll liebhaben, aber Bad und Küche teilen.


    Passknacker liefert in den Vogesen Kurvenstrecken und auch abseitige Insiderstrecken, auf die man normalerweise wohl nicht gekommen wäre. Auf so engem Raum hat man sonst kaum irgendwo so viele Punkte, und man kann sie in 5 Tagen wegmampfen – auch wenn man dafür stellenweise alle 2 km anhalten muss. Für Passknacker mit Ambitionen auf eine gute Platzierung in der Rangliste sind die Vogesen also eigentlich Pflicht. Nur der Schwarzwald und der Raum Basel sind ähnlich dicht bepackt. Wir haben zwar nicht alle Vogesenpässe erwischt, aber wirklich viele in kurzer Zeit, und ich würde es auch wieder so machen - wenn auch nicht zwingend nächstes Jahr, da will ich weniger auf Menge achten, sondern mehr auf neue Punkte und schöne Strecken dazwischen. Und da darf's dann auch gerne mal etwas flüssiger sein und ohne anhalten alle 5 Minuten.


    Fazit Region Vogesen: Da kann man ruhig öfters hinfahren! Besonders die Abschnitte im Norden, wo wir Regen hatten, würde ich gerne auch mal trocken fahren. Aber in der Mitte und im Süden hat es uns besser gefallen – was aber auch am Wetter liegen kann. Da muss ich wohl noch mal hin, so ein Ärger ;)


    Neben den Ortsnamen weißen auch diverse Kriegsgräber und Denkmäler drauf hin, dass die Grenze früher woanders war, und unter welchen Opfern beide Seiten am Grenzverlauf gearbeitet haben – aus heutiger Sicht völlig sinnlos, denn inzwischen haben die Bürger beider Staaten gleiche Rechte auf beiden Seiten der Grenze.


    Orbey als Ausgangsbasis hat uns gut gefallen. Man kann vermutlich auch jeden anderen Ort auf Höhe von Colmar nutzen. Wer weniger auf Passknackerei fixiert ist und keine 400 km Tag fahren will bekommt in den Vogesen sicherlich auch eine ganze Woche rum ohne sich zu langweilen.


    Beeindruckend ist, dass die Vogesen näher als der Schwarzwald sind, und man muss nicht mal durchs Rheintal durch, das mit dichter Besiedelung und Hitze nervt. Ich war sicher nicht das letzte Mal in den Vogesen.

    Einmal editiert, zuletzt von blahwas ()

  • Einen Nachtrag habe ich noch:



    Die grünen Pässe sind wir gefahren, die roten nicht. Die mit der wheelenden Enduro vor dem X als Symbol sind wir absichtlich nicht gefahren, denn das bedeutet bei Passknacker unbefestigt und schwierig - und das mag Manuel gar nicht, seit seine Tracer beim ersten davon ein Loch in der Ölwanne bekommen hat.

  • Danke fürs schreiben des Berichts, fürs Erstellen der Route und buchen der Unterkünfte sowie das Ertragen von immer mal wieder zuviel Laberei meinerseits. Auf viele nächste Male.
    Und dann laber ich andere zu, versprochen.

  • Danke für den tollen Bericht und die schönen Bilder. Immer wieder sehr lesenswert deine Berichte, @blahwas. :)

  • Ja ganz toll. :S ein Reisebericht zu einer Uhrzeit, wo man schon im Bett sein sollte. Schönen Dank auch ^^ :)


    Eigentlich wollte ich mit dem Veröffentlichen ja warten, bis das Wetter richtig schön scheiße draußen ist :P Aber Manuel war ungeduldig.


    Manuel
    Passt schon!


    @Sunny
    Danke ^^

  • schöner Bericht, wie immer :)


    Wie habt ihr das 80er Limit auf den französischen Straßen "wahrgenommen" ?


    Bekannte aus Westfrankreich sagte mir, dass zumindest auf den Route nationales immer öfter auch blitzersäulen (So wie bei uns nur dünner) sind, die sowohl von vorne wie auch von hinten blitzen und das die polizei bei ihr jetzt auch vermehrt Geschwindigkeit misst.

  • Vom 80er Limit habe ich zumindest nicht viel gemerkt. Wir waren oft auf Nebenstrecken unterwegs und auf den Hauptstraßen einfach an die Einheimischen halten.

  • Wie habt ihr das 80er Limit auf den französischen Straßen "wahrgenommen" ?


    Null komma nix. Nur auf der Route de Cretes und auf den Hauptstrecken bei der An/Abreise haben wir überhaupt Schilder gesehen. Ansonsten war es viel zu einsam, um irgendwas zu regeln oder gar überwachen zu müssen. Das ist mit Deutschland echt nicht zu vergleichen. Da hat auch das Fazit zur Vogesen-Ausfahrt in der aktuellen MOTORRAD recht.

  • naja, die 80 sind ja generell auf allem ausserhalb Autobahnen, sprich es muss nicht extra angeschrieben werden.

  • Ruf die Region mal in Google Maps oder irgendeinem anderen Kartendienst auf, und zoome etwas rein, bis du die Kurven siehst. Wer meint, dass er da zwischen Tempolimit 80 und 100 einen relevanten Unterschied für den Fahrspaß erlebt, der darf gern stattdessen in den Schwarzwald fahren und sich der Gefahr von Punkten und Fahrverboten aussetzen :P

  • Ja auf der route de crete stimme ich dir ja zu, war ich ja auch schon, da ist man eigentlich eh immer übermotorisiert und hätte auf einer leichten Maschine mit 50ps wohl mehr spaß als auf was schwerem mit 100+ ps

    • Offizieller Beitrag

    Cooler Bericht! :thumbup:


    Gruß,
    Thomas

  • ... und die Route de Crete ist noch eine der geradesten Strecken dort ^^

  • Das stimmt, außer im Tal bin ich selten über den dritten Gang hinaus gekommen.


    Polizei haben wir ganze 2x gesehen. Einmal sind zwei Motorradpolisten direkt vor mir gewendet und haben sich jemand anderem zugewendet, und einmal stande die Autopolizei gelangweilt am Straßenrand rum.

  • Danke auch von mir für den Bericht und die dynamischen Bilder ;)

    Vorausschauendes Fahren: Oh, da vorne ist die Baustelle zu Ende, ich geb schon mal Gas!

  • Vogesen ist immer wieder schön, man kann vieles miteinander kombinieren und es wird selten langweilig.


    Wenn man im September/Oktober unter der Woche geht, kann's zuweilen bei den kleineren Strässchen zur Vollsperrung wegen Holzschlag kommen. Dann heisst es kreativ werden und unter Umständen lernt man dann die Schattenseiten seines Navigationsmaterials kennen :whistling: :rolleyes:


    Das schöne ist auch, dass sich die Masse recht rasch verteilt und man auch mit den anderen Nutzer (Radfahrer, Wanderer) der Vogesen aneinander vorbeikommt. Gelegentliche Rücksicht hilft da viel ;)

    Es geht immer weiter - und wenn es zurück ist. Nach dem Regen scheint die Sonne.

  • Sehr sehr geniale Tour und klasse Bericht - das werde ich mir alles mal hinter die Ohren schreiben für 2019 :thumbup:


    Danke für‘s Einstellen


    Viele Grüsse Fafnir

    :respekt: ist das Produkt einer guten Erziehung....

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!