Ich wollte auf Anregung hier mal was schreiben, wie man eine Motorradreise vorbereitet, das wurde aber schnell zu lang. Da macht es wohl Sinn, für die folgenden Punkte eigene Threads zu starten. Dieser Post hier dient als Übersicht und als Beispiel. Wer noch nie eine Motorradreise gemacht hat, dem reicht das vielleicht schon - die Feinheiten und Details können einen sonst erschlagen, oder den Eindruck vermitteln, eine Motorradreise wäre ein unglaublich kompliziertes und anstregendes Unterfangen. Das ist natürlich nicht so, aber man wird mit der Zeit halt immer besser.
Reiseplanung - Grobplanung:
-Region auswählen: Immer gerne genommen werden Berge, Küste, Landschaft, Kultur. Die Mittelgebirge Deutschland und der südlichen Nachbarstaaten bieten sich da an, und natürlich die Alpen
-Reisezeit wählen: Winter kalt, Sommer heiß und ggfs. voll (Hochsaison) - wie ist das Klima in der Region pro Monat normalerweise? Regenreiche Zeiten vermeiden. Vegetation sieht gut aus, das spricht gegen Spanien im Herbst.
-Aktivitäten: Motorrad fahren ist klar, aber will man viele Kurven/Pässe/Schotter fahren, Landschaft gucken, Kultur, Aktivitäten (Baden, Wandern), welche Orte will man konkret besuchen bzw. welche Strecken will man konkret fahren
Ergebnis: Ich will im September in die französischen Alpen, und dort möglichst viele Pässe fahren, gerne auch ein paar mit Schotter. Kultur und Badestrand brauche ich nicht so.
Reiseplanung - Feinere Planung:
-Unterkunft: Hotels/BnB, Glamping (Hütten usw.), Camping (eigenes Zelt), Couchsurfing
-Ansatz: Basislager mit Tagestouren, wechselnde Standorte, Mischformen - erfordert grobe Routenplanung
-Gruppe: Wer kommt mit, wer bringt was mit, wer leistet was bei der Vorbereitung und am Zielort (Gruppe führen), wie agiert man in der Gruppe (Pauschalgruppenreise, lose Gruppe, lone rider - was macht man alles zusammen und was nicht) - Thread zum Selbstbewerten der Reisemotivation
-ggfs. jetzt schon detailierte Routenplanung
-ggfs. Urlaub nehmen
-ggfs. Plan B wegen aktueller Wetterlage prüfen: Gibt's entlang des Heimweges ein anderes, schönes Ziel?#
-Rechtslage am Zielort: Maut (AT/CH Plakette, F/I Mautstationen, Umweltplaketten in bestimmten Städten in Frankreich, Tempolimits, mitzuführende Warnweste, zweite Sehhilfe CH, Verbandspack, Führerschein A1 unter 18 Jahre, wer unbedingt saufen muss Promillegrenze, Restprofiltiefe, Durchschlängeln im Stau)
-ggfs. Großveranstaltungen am Zielort vermeiden
Ergebnis: Horst kommt mit. Wir machen Camping an zwei verschiedenen Basislagern in den Orten X und Y für je 4-5 Nächte. Jeder hat sein eigenes Zelt. Mit dem Horst verstehe ich mich gut, er weiß aber noch nicht ob er den ganzen Tag Motorrad fahren könnte, außerdem will er auch mal Wandern gehen. Wir sind beide Frühaufsteher. Wir fahren mal den ersten Tag zusammen und schauen wie das läuft. Wenn es nicht so gut läuft, sehen wir uns eben erst abends wieder, und deswegen wäre auch keiner beleidigt. Wir essen abends in irgendeinem Restaunrant in der Nähe und morgens am Platz. Horst beherrscht die französische Sprache und ist damit unser Außenminister. Wir haben beide den 1.-9.10. dafür vorgesehen. Ich weiß, dass es in Frankreich hohe Strafen gibt, dass Reifen weiter abgefahren werden dürfen, dass ich am Zielort keine Umweltplakette brauche. Wenn in den Alpen das Wetter lang anhaltend schlecht wird, fahren wir stattdessen in die Vogesen. Die Großveranstaltungen "Tour der France" ist zu diesem Zeitpunkt längst vorbei und um diese Jahreszeit ist der Schnee vom letzten Winter zwar schon weg, vielleicht aber schon der erste Schnee wieder da auf den ganz hohen Pässen - das ist nicht ideal, geht aber leider terminlich nicht anders.
Anreise planen
-Gemeinesame Anreise oder einzeln?
-Ab etwa 500 km ist Anhänger mit 2-3 Motorrädern für 1-2 Wochen das billigste, auch wenn der Anhänger gemietet wird
-Mautregeln beachten
-Autoreisezug, Transporter, Anhänger, Spedition, je nach Strecke ggfs. auch Fähren zum Abkürzen (z.B. Norditalien nach Sizilien oder Spanien); Im Vergleich
-Fähren um Inseln zu erreichen: Welche Strecke, welche Komfortklasse, tagsüber oder nachts
-Weite Strecke und kurzer Aufenthalt? Anreise mit Flugzeug oder Auto und ein Motorrad vor Ort mieten kann billiger sein, spart sicherlich Zeit. 650er kosten in der Regel 60-100 Euro am Tag, und das eigene Motorrad 20-50 cent pro Kilometer (Reifen, Benzin, Wartung, Maut)
Ergebnis: Horst und ich nutzen einen Anhänger von meinem Opa an meinem Auto, um mit den Motorrädern die weiten Strecken Deutschland-Frankreich zu fahren. Beim Wechsel des Campingplatzes fahre ich das Auto und Horst fährt Motorrad, weil es für eine Tagestour eine ganz gute Strecke wäre. Weil ich das Auto daheim habe, bringe ich besonders sperriges Gepäck für uns beide mit, z.B. Gartenstühle und eine Kühlbox für Getränke. Horst bringt seine Campingsachen auf dem Motorrad unter. Die Koffer lassen wir dann bei mir daheim stehen und nehmen nur den Inhalt mit. Wir fahren durch Frankreich mit dem Auto über die Autobahn, was etwa 80 Euro für Maut kosten wird. Dort darf man mit Anhänger 130 fahren - mal sehen, ob der Anhänger das verträgt, und wie der Benzinverbrauch sich dabei entwickelt. Da alle Kosten durch zwei gehen neigen wir aber eher dazu, eher schnell zu fahren als langsam. Die Schweiz als Transitland scheidet aus, weil ich für 30 Minuten Zeitersparnis nicht zwei Jahresmautplaketten (für Auto und Anhänger) kaufen will. Dort darf man mit Anhänger nur 80 fahren. In Deutschland je nach Zulassung 80 oder 100.
Reisevorbereitung
-Mopped fit machen, ggfs. Verschleißteile besorgen, wechseln, mitnehmen
-Gepäck skizziern und vervollständigen: Was brauche ich, fehlendes besorgen, defektes reparieren und verbesserungswürdiges ggfs. aufrüsten
-Wie kriege ich mein Gepäck unter? Ggfs. Gepäcksystem besorgen, aufrüsten, montieren
-spätestens jetzt Routenplanung. Tipps: POIs und Tracks austauschen mit den Mitfahrern,
Ergebnis:
Mein Motorrad hat ein neues Kettenkit bekommen und einen neuen Hinterreifen. Beim Vorderreifen bin ich mir unsicher, der müsste eigentlich den Urlaub noch halten, aber den Verschleiß vor Ort kann man schwer einschätzen. Weil ich eh mit dem Auto anreise, nehme ich den Reifen einfach mit und suche mir vor Ort eine Werkstatt, die den Reifen montiert, wenn er nicht reicht. Ich nehme einen Kupplungshebel und einen Lenkerenden-Rückspiegel in Reserve mit. Das kriege ich mit Bordwerkzeug montiert.
Gepäck: Als Autofahrer habe ich es leicht, meine Sachen mit zu kriegen. Beim letzten Urlaub hat mich die Isomatte genervt, die war noch nie bequem und am Ende morgens platt, da kaufe ich vorher eine neue. Für Zelt brauche ich endlich mal bessere Zeltnägel.
Routenplanung: An einem ruhigen Abend plane ich die Tagestouren für mich, wobei ich drauf achte, dass die Routen nicht zu lang werden, und dass man sie abkürzen kann. In den Alpen sind 250 km für Ungeübte schon reichlich und 300 km obere Grenze. Langweilige Geradeausstrecken setze ich eher an den Anfang, und bei 2/3 der Route sollte idealerweise eine Hauptstrecke zur Abkürzung bereit stehen. Ich plane an sich gerne gegen den Uhrzeigersinn, damit man die Sonne nicht in den Augen hat, aber das ist bei der hohen Kurvigkeit der Zielregion nicht so wichtig. Ich mache mich schlau, wie man die besonders hohen Pässe umfahren könnte, falls sie gesperrt sind. Für das Auto suche ich den Zweitschlüssel raus, damit auch Horst es am Campingplatz als Ablage benutzen kann.
Campingausrüstung
-Zelt, (Kaufberatung 2,5-Mann-Zelte-Semi-Premium 90-180 Euro) - auf Unterbringungsmöglichkeiten für Motorradklamotten und Gepäck achten (Vorzelt, Apside)
-Klassiker sind Isomatte (Premium: Thermarest) und Luftmatratze (Premium: Synmat), Vergleich hier - ab 5 cm wird's bequem, ab 120 Euro geht's auch kompakt. Alternative wäre Feldbett (z.B. von Thermarest, eher für warmes Klima)
-Ganz alternativ, Hängematte statt Zelt + Isomatte
-Schlafsack (Daune ist kompakt, darf aber nicht nass werden) oder Decke, Hüttenschlafsack als Inlay empfiehlt sich für Hygiene und bei Hitze
-Kopfkissen (kann improvisiert werden aus Kleidung)
Einfache Campingausrüstung ist für Schönwetter ausreichend und kann auch Regen überstehen, ist allerdings eher sperrig als die Trekking-Sachen. Trekking-Sachen sind dazu gedacht, in einem Rucksack spazieren getragen zu werden und daher leichter und kompakter. Die höchste Kategorie sind Kletter-Sachen, von denen jedes Gramm schmerzhaft der Berg hochgezerrt werden muss, und dass auch extremes Wetter auf steinigen Böden überstehen muss.
-Wildcamping ist nur in NO/SE/FI erlaubt, und auch dort nicht auf Privatgelände, also eigentlich überall in Zivilisationsnähe.
-Wer selbst warme Speisen zubereiten möchte, braucht einen Kocher - Benzin, Spriritus, Gas stehen zur Wahl und haben Vor- und Nachteile
-Allgemeiner Campingberatungsthread
Motorrad richtig bepacken
-Hart- und Softgepäck
-mit oder ohne Sozia
-nass und trocken trennen
-schweres nach unten und vorne
-Weichgepäck fixiert man am besten mit RokStraps. Nylongurte mit Metallklemmen halten nicht, Ratschen sind völlig übertrieben, Gummispannseile halten nicht (leiern aus) und können schnell übel ins Auge gehen
-Man nimmt immer zuviel mit
-Wenn gar nix geht, und man nur einen Zielort hat, kann mich die sperrigsten Teile seines Gepäcks auch mit der Post liefern lassen. Termine großzügig planen, am Campingplatz ankommen wenn das Zelt noch nicht da ist wäre doof.
-Man trägt am Mann, im Tankrucksack und Topcase alles, was man unterwegs braucht: Geld, Handy, Schlüssel, Zweitschlüssel, Regensachen, Getränke, hoffentlich nicht Werkzeug, Warnweste und Verbandspack
-Was man am Ziel als erstes braucht nach oben: Zelt (Camping), Waschbeutel, Zivilkleidung (Hotel)
-Umgang mit Wertsachen
Ergebnis:
Ich fahre Auto, ätsch! Trotzdem kommt alles außer Zelt in die Packrolle, denn auch im Auto ist nicht unendlich Platz. Der Geldbeutel ist voll, und die Konten zu den Plastikkarten auch. Da ich ohne Sozia reise, hätte ich sonst alles außer das Zelt in der Packrolle quer auf dem Sozius und das Zelt auf dem Gepäckträger mit Rokstraps fixiert. Das Zelt wird nicht innen nass, wenn der Packsack nass wird, weil es komprimiert ist, und wenn man es morgens nass abgebaut hat, dann wird es eher trocken auf dem Gepäckträger. Vor allem macht es dort nicht meine anderen Sachen nass, drum kommt es nicht in die Packrolle. Im Auto dürfen feuchte, dreckige und klamme Sachen nur in den Kofferraum und nicht auf die Rückbank.
Packliste
-Je nach Land Pflicht, aber nie verkehrt dabei zu haben: Erste Hilfe-Set, Warnweste, zweite Sehhilfe, grüne Versicherungskarte
-Zahlungsmittel, 100 Euro in Bargeld, je nach Region gerne in kleinen Scheinen (Tankstellenautomaten in Italien), dazu zwei verschiedene Karten mit "erwartete Kosten + 1000" Guthaben/Verfügungsrahmen drauf für Bargeld, Bußgelder oder Reparaturen
-Zweitschlüssel für alles
-ggfs. Ersatzteile
-https://www.motorradonline24.de/mo24forum/touren-und-reisen/reiseplanung/647611/packliste/
Anreise
-Alleine oder gemeinsam
-Schnell oder schön
Ergebnis:
Horst wohnt nicht weit von mir, deshalb kommt er zu mir, obwohl es eigentlich die falsche Richtung ist. Wir wechseln uns am Steuer ab. Im Auto wird nicht geraucht. Früher, ohne Auto, hätten wir uns erst am Zielort abends getroffen, weil stundenlanges Autobahnfahren auch mit Begleitung nicht mehr Spaß macht, sondern man sich eher gegenseitig aufhält mit den unterschiedlichen Pausen für Benzin, Blase, Bauch, Beine, Po usw. Im Auto trinkt man vorher viel und kurz vor den Pausen wenig, und am nächsten Morgen umso mehr. Der Anhänger läuft bis 120 stabil und der Benzinverbrauch ist nicht so hoch, dass einer von uns deshalb langsamer fahren würde. Auf französischen Bundesstraßen achten wir darauf, nicht schneller als die Einheimischen zu fahren - die legen die Latte allerdings so hoch, dass wir uns um polizeiliche Aufmerksamkeit keine Sorgen machen müssen.
Ankunft
Auskunftschaften, wann es wo was zu essen/trinken gibt, Einkaufsmöglichkeiten, besonders günstig gelegene Tankstelle
Urlaub machen Gesund bleiben, Schrott und Stress vermeiden. Genießen.
-Sicherheit auf Reisen beachten
Abreise
Alles wieder einpacken, außer Sachen, die man daheim eh entsorgen würde: Die undichte Isomatte, das Leergut, die löchrige Unterhose
Nachbereitung
-Mit den Mitreisenden klären was man nächstes mal wieder so oder anders machen würde, und wo es als nächstes hingehen soll
-Mopped wieder fit machen, ggfs. Verschleißteile besorgen
-Gepäck und Ausrüstung bewerten und hinterfragen: Was nehme ich nicht mehr mit, was kann ich verbessern, was hat mir gefehlt?
Danke allen Horsts Und jetzt seid ihr gefragt, wo würde ihr etwas ergänzen, und haben wir vielleicht schon Threads zu einzelnen Themen? Links werden gerne genommen.